Die Grasshoppers besiegen im Zürcher Letzigrund den FC Zürich mit 3:2. Auf der Tribüne wird Jannis Ischer*, 14, mit einer Rauchfackel in der Hand gefilmt. Das war im August 2015. Fast ein Jahr später steht sein Name wegen Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz in der nationalen DNA-Datenbank. So lange hat die Stadtpolizei Zürich nach dem jungen Fackelträger gefahndet.

Jannis Ischer muss am 29. Juni 2016 zur Einvernahme. Peter Ischer begleitet seinen Sohn auf den Posten der Stadtpolizei Zürich. Er solle kooperieren, mahnt der Vater, als die Stadtpolizei Jannis für Foto und Fingerabdruck zur Kantonspolizei führt. Dort bleibt der Vater auf Wunsch der Polizei vor der Tür. Dass er seinen minderjährigen Sohn begleiten dürfte, weiss er nicht. 

Drinnen nehmen die Beamten Jannis auch einen Wangenabstrich ab. Niemand sagt ihm, dass er ihn verweigern könnte. Kurz darauf fährt die Familie in die Ferien.

Infoblatt zu spät gelesen

Erst nach den Ferien lesen die Ischers das Infoblatt genauer, das die Polizei dem Vater in die Hand gedrückt hat. Doch da ist die zehntägige Einsprachefrist bereits verstrichen – Jannis’ Profil ist in der nationalen DNA-Datenbank gespeichert und kann ohne richterlichen Beschluss mit allen Spuren ungelöster Verbrechen abgeglichen werden.

«Das hat mir Bauchweh bereitet», sagt Peter Ischer. Für den Beobachter-Juristen Daniel Leiser verständlich. Er nennt die Speichelprobe beim 14-Jährigen unverhältnismässig. Es musste ja kein Delikt mehr aufgeklärt werden, denn Jannis war geständig. Das Bundesgericht hat wiederholt bekräftigt, DNA-Proben sollten nur abgenommen werden, wenn damit eine Straftat aufgeklärt werden könne oder es erhebliche und konkrete Anhaltspunkte gebe, dass der Beschuldigte in andere – auch künftige – Delikte verwickelt sein könnte. «Beweise auf Vorrat zu sammeln ist in der Schweiz aber verboten», sagt Leiser.

«Die DNA-Probe war unverhältnismässig. Beweise auf Vorrat zu sammeln, ist in der Schweiz verboten.»


Daniel Leiser, Beobachter-Jurist

Auf Rat des Beobachters reicht Peter Ischer beim Bundesamt für Polizei (Fedpol) ein Löschungsbegehren ein. Es wird abgewiesen. Löschen könne man das Profil erst in fünf Jahren. Darauf wendet sich Ischer an die Ombudsstellen der Stadt und des Kantons Zürich. Und hat Erfolg. Laut Kantonspolizei haben nach dem Brief des Ombudsmanns interne Abklärungen bestätigt, dass die DNA-Probe irrtümlich war. 

Monatelang kämpfte der Vater, bis das Profil aus der Datenbank gelöscht wurde. Jannis wurde von der Jugendanwaltschaft wegen Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz verwiesen und darf das Stadion Letzigrund nicht mehr betreten.


*Name geändert

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