Alkohol und Medikamente sind verbreitet in Schweizer Betrieben. Rund fünf bis zehn Prozent der Beschäftigten gelten als süchtig oder suchtgefährdet. Illegale Drogen sind dagegen eher selten im Spiel. Die Internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass weltweit drei bis fünf Prozent der Berufstätigen alkoholabhängig sind. Auch die Medikamentenabhängigkeit bereitet den Behörden Sorgen. Die Zahlen sind nicht weniger alarmierend: Rund 60'000 Personen in der Schweiz sind abhängig, weitere 100'000 suchtgefährdet. Von 10 bis 20 Betriebsangehörigen hat mindestens eine Person ein Suchtproblem.

Suchtprobleme kommen die Firmen und die Volkswirtschaft teuer zu stehen. Alkohol- und Drogenkonsum führen zu Fehlzeiten, zu verminderter Leistungsfähigkeit und einem grösseren Unfallrisiko. Bis zu einem Viertel der Arbeitsunfälle sind auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Laut der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme kostet der Alkoholkonsum in der Schweiz durch krankheits- und unfallbedingte Produktionsausfälle, Behandlungs- und Behebungskosten jedes Jahr drei Milliarden Franken. Ein Alkoholkranker kostet die Firma einen Viertel seines Bruttogehalts.

Eine Suchtprävention leisten sich dennoch fast nur Grossbetriebe. Die Mehrheit der Berufstätigen arbeitet aber in kleinen und mittleren Unternehmen. Und dort wird oft wenig bis gar nichts für Gesundheitsförderung und Suchtprävention getan. Solange die Betroffenen funktionieren, bemerken Vorgesetzte und Kollegen nichts – oder sie ignorieren das Problem. Dabei nimmt das Gesetz sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer klar in die Pflicht: Wer als Arbeitgeber oder Vorgesetzter wissentlich einen Mitarbeiter, der angetrunken oder sonst sicherheitsrelevant beeinträchtigt ist, arbeiten lässt, macht sich strafbar (Unfallversicherungsgesetz Art. 82). In der Verordnung über die Unfallverhütung (Art. 11) heisst es: «Der Arbeitnehmer darf sich nicht in einen Zustand versetzen, in dem er sich selbst oder andere Arbeitnehmer gefährdet. Dies gilt insbesondere für den Genuss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln.» Allerdings wird im Gesetz keine Promillegrenze genannt. Die Einschätzung, wann jemand arbeitsfähig ist oder nicht, liegt im Ermessen des Vorgesetzten. Der Arbeitgeber kann aber den Genuss alkoholischer Getränke auf dem Betriebsgelände verbieten (Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz Art. 35). Bei illegalen Rauschmitteln erübrigt sich eine betriebliche Regelung, da ihr Konsum ohnehin verboten ist.

Mit der Suchtproblematik befassen sollte man sich, bevor ein akuter Fall auftritt, empfiehlt die Suva. Die Betriebsleitung muss für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften sorgen. Zudem sollte sie klare Regeln für den Alkoholkonsum aufstellen und diese auch durchsetzen. Die Regeln sollten folgende Fragen beantworten:

  • Gilt ein Alkoholverbot während der Arbeitszeit?
  • Was gilt vor der Arbeit und für die Mittagspause?
  • Wie wird der Umgang mit Alkohol an Betriebsfeiern gehandhabt?
  • Wer spricht mit dem Betroffenen?
  • Wann wird die Personalabteilung orientiert?
  • Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Suchtberatungsstelle?
  • Wer bezahlt den Lohnausfall während der Behandlung?
  • Wie geht man bei einem Rückfall vor?


Gegen das wohlverdiente Feierabendbier hat übrigens auch die Suva nichts einzuwenden. Im Personalrestaurant hingegen hat Alkohol nichts zu suchen.

Suchtmanagement: So geht man Probleme richtig an

Alkoholprobleme am Arbeitsplatz sollten so früh wie möglich angesprochen werden. Das ist unangenehm und schwierig. Umso wichtiger ist eine gute Vorbereitung des Gesprächs. Das sind die Empfehlungen für eine korrekte Intervention:

  • Auf die Arbeitsleistung fokussieren: Grundlagen jeder Intervention eines Vorgesetzten oder Arbeitgebers sollten das Arbeitsverhalten und die Leistungsfähigkeit des betreffenden Mitarbeiters sein. Beispiele sind: zunehmende Absenzen und Unpünktlichkeit; Verschlechterung der Arbeitsqualität; nachlassende Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnislücken; Stimmungsschwankungen oder massive Veränderungen im Auftreten (Hygiene und Kleidung); Alkoholgeruch oder zitternde Hände.
  • Ziele definieren: Grundsätzlich ist der Alkoholkonsum, sofern er nicht während der Arbeit erfolgt, Privatsache des Mitarbeitenden. Das erste Gespräch sollte sich deshalb auf berufliche Aspekte konzentrieren, Anspielungen auf das Thema Alkohol sind zu vermeiden. Es geht zum einen darum, die eigenen Beobachtungen zu schildern, nach Erklärungen dafür zu fragen, seine Besorgnis auszudrücken. Zum anderen sollen die Erwartungen an den Mitarbeiter formuliert und schriftlich festgehalten werden. Das Gesprächsprotokoll sollte von beiden Seiten unterzeichnet werden.
  • Kündigung als letztes Mittel: Auf das Erstgespräch folgt eine Beobachtungsphase von einigen Monaten. Erreicht der Mitarbeiter die Ziele weitgehend, legt der Vorgesetzte das Dossier ad acta. Vorher gibt es ein Schlussgespräch, das wiederum protokolliert und von beiden Seiten unterzeichnet wird. Wenn sich der Betroffene nicht helfen lassen will und fortgesetzt gegen die schriftliche Vereinbarung verstösst, kann eine Kündigung ins Auge gefasst werden.