Hasenpest? Was ist denn das? – So haben alle reagiert, denen Markus Dibsdale von seiner langwierigen Erkrankung erzählte. Bis diesen September wusste auch der 60-Jährige nicht, was Tularämie oder Hasenpest ist: eine Krankheit, die von Nagetieren wie Hasen, Mäusen oder Eichhörnchen verbreitet wird und auf den Menschen übertragbar ist. Noch vor zehn Jahren registrierte das Bundesamt für Gesundheit (BAG), dem Erkrankungen gemeldet werden müssen, 14 Fälle bei Menschen. Bis Ende November dieses Jahres waren es bereits 212.

Dibsdale weiss nicht, wo er die Hasenpest aufgelesen hat. Der Zürcher hatte keinen Kontakt zu Nagetieren. Den Estrich aufgeräumt hat er auch nicht; da hätte er sich allenfalls über Mäusekot anstecken können. Von Kollegen kamen deshalb oft launige Sprüche zum Thema Osterhase oder gar Playboy-Bunnys. «Dabei war mir diesen Herbst überhaupt nicht nach Lachen zumute.»

Hasenpest-Erreger ist hoch ansteckend

Möglich ist, dass er Anfang August an einem Ort vorbeiging, an dem ein Laubbläser den Erreger aufgewirbelt hat – und Markus Dibsdale dort eine winzige Menge des Bakteriums Francisella tularensis einatmete, das die Hasenpest auslöst.

Das Perfide: Der Erreger ist hochpotent, schon zehn Keime genügen, um zu erkranken. Bei Salmonellen braucht es etwa 10'000 Bakterien. Zudem ist Francisella äusserst resistent gegen Umwelteinflüsse. Das Fell oder der Kot von Tieren ist bei Temperaturen zwischen null bis zehn Grad wochenlang hochinfektiös, tiefgefrorenes Fleisch bleibt es sogar monatelang.

Plötzlich brach ihm der Schweiss aus

Markus Dibsdale litt schon nach wenigen Tagen an Symptomen. Es fing an mit einem Schweissausbruch und totaler Erschöpfung – bloss weil er die frisch gereinigten Sitzbezüge im Auto wieder befestigt hatte. Eine eher leichte Arbeit für den Berufsfeuerwehrmann, der sonst Einsätze in schwerer Atemschutzausrüstung leistet. Und es endete damit, dass er – 1,70 Meter gross, bis dahin gut 72 Kilo schwer und topfit – sich nach sechs Wochen selbst ins Zürcher Unispital einlieferte, 7 Kilo leichter und am Ende seiner Kräfte.

Dazwischen lagen unzählige gewechselte Pyjamas und Bettlaken, die er jede Nacht durchgeschwitzt hatte. Es folgten zermürbende Tage auf dem Sofa, wo er trotz Wollsocken, Decke und sommerlichen Temperaturen ständig fror. Und immer schwächer wurde – bis er nicht mal mehr die Kraft hatte, sich etwas im Fernsehen anzugucken.

«Eine wahre Odyssee»

Vor allem waren es auch sechs Wochen, in denen die Ärzte mit unzähligen Methoden nach dem Grund für sein Leiden suchten. «Eine wahre Odyssee: von Herz- über Lungenfunktionstests über eine Computertomografie bis zu unzähligen Blutanalysen», sagt Dibsdale. Weil die CT-Bilder einen Schatten auf der Lunge zeigten, vermutete man einen Infekt oder einen Tumor. Weil niemand wusste, was er hatte, erhielt er keine Therapie. «Ich siechte vor mich hin, und es ging immer weiter bergab.»

Nach drei Tagen im Spital, einer Lungenspiegelung und weiteren Labortests erhielt er endlich die Diagnose: Dibsdale hatte die Hasenpest. Er bekam er ein Antibiotikum – Doxycyclin wirkt, viele andere sind bei Hasenpest wirkungslos – und wurde am nächsten Tag entlassen.

Nach einigen Tagen ging es ihm merklich besser, er hatte jetzt wieder Appetit. Zwei Wochen später war das Bakterium aus seinem Körper verschwunden. Heute hat er zwar noch zeitweise Hustenanfälle und ist deshalb noch nicht voll einsatzfähig bei der Feuerwehr, aber immerhin kann er endlich wieder arbeiten.

«Ich siechte vor mich hin, und es ging immer weiter bergab.»

Markus Dibsdale, Berufsfeuerwehrmann

Dass die Ärzte so lange rätselten, woran Dibsdale erkrankt war, erstaunt Urs Karrer nicht. Der Infektiologe am Kantonsspital Winterthur gilt als Tularämie-Spezialist, hat in seiner Karriere schon 60 Hasenpest-Erkrankte behandelt und schult regelmässig Berufskolleginnen. Er weiss darum, dass viele Ärzte bei unspezifischen Symptomen wie Lungenentzündung, Abgeschlagenheit und Fieber nicht gleich an Tularämie denken.

«Hasenpest ist so selten, dass viele sie nur aus dem Lehrbuch kennen.» Hinzu kommt, dass das Bakterium über verschiedene Wege in den Körper gelangen kann – und das Krankheitsbild jedes Mal anders ist (siehe Infobox unten).

Beinahe eine Verdoppelung

Doch die Hasenpest ist auf dem Vormarsch. Vor sieben Jahren nahmen die Erkrankungen sprunghaft zu, dieses Jahr gab es gar fast 100 Fälle mehr als im Vorjahr, nahezu eine Verdoppelung. Ein Grund dafür sei, dass sie heute häufiger registriert werde. «Früher haben Ärztinnen und Ärzte eher mal die richtige Diagnose verpasst, denn die Krankheit heilt meist irgendwann ab», sagt Karrer. Der bei uns vorkommende Erregerstamm führt kaum je zum Tod. Zudem sind heute mehr Labors in der Lage, PCR-Tests auszuwerten, mit denen der Erreger nachgewiesen werden kann. Darum werden die Tests auch häufiger angewandt.

Der andere wichtige Grund sind Zecken. Die klimatischen Veränderungen begünstigen ihre Ausbreitung, so verbreiten sich auch die Erreger stärker. Fast die Hälfte der 212 Betroffenen hat sich durch einen Zeckenstich mit der Hasenpest angesteckt.

Dank Corona eher entdeckt

Doch wieso haben die Hasenpest-Fälle dieses Jahr zugenommen, die Zecken-Hirnhautentzündungen (FSME) aber ab? Wegen Corona, vermutet Experte Urs Karrer. Wenn jemand mit Fieber und Lungenproblemen ins Spital komme, der Covid-Test aber negativ sei, mache man nun häufiger eine Tomografie der Lunge. «So entdeckt man auch die eine oder andere Hasenpest-Erkrankung, die vielleicht unentdeckt geblieben wäre.»

In Panik verfallen muss man aber wegen der Hasenpest nicht. Sie ist nach wie vor selten.

Immer mehr Hasenpest-Fälle beim Menschen

Grafische Darstellung, wie sich die Tularämie-Fälle in den letzten 10 Jahren in der Schweiz entwickelt haben.

Bekannt gewordene Hasenpest-Fälle in der Schweiz der letzten zehn Jahre (2021: bis 30. November).

Quelle: BAG | Infografik: Andrea Klaiber
Grafische Darstellung, wo sich Hasenpest-Erkrankte angesteckt haben.
Quelle: BAG | Infografik: Andrea Klaiber
Hasenpest: Das müssen Sie wissen

Wie man sich vor Ansteckung schützt

  • In hohem Gras, Wald und Unterholz zum Schutz vor Zecken Zecken Schutz vor den Blutsaugern lange, dicht schliessende Kleidung tragen – am besten in heller Farbe, damit man Zecken besser erkennt. Insektenschutz verwenden und den Körper nach jedem Aufenthalt im Freien absuchen.
  • Bei Staub aufwirbelnden Arbeiten im Estrich oder in einer Scheune, wo sich Nagetiere aufhalten könnten, eine FFP2-Maske tragen. Ebenso bei Arbeiten mit dem Laubbläser oder Rasentrimmer.
  • Tote Nagetiere nur mit Schutzhandschuhen anfassen.

So steckt man sich an

  • Am häufigsten sind Stiche von infizierten Zecken, selten von Mücken, Fliegen, Flöhen oder Milben. An der Einstichstelle bildet sich ein Knoten, die Wunde heilt nicht ab. Meist schwellen die Lymphknoten in der Nähe an.
  • Dieselben Symptome zeigen sich, wenn das Bakterium über die Haut in den Körper gelangt (auch ohne Wunde), etwa bei Jägern, die ein infiziertes Tier anfassen.
  • Am zweithäufigsten steckt man sich durch Einatmen des Bakteriums an. Symptome sind Lungenentzündung, trockener Husten, Schmerzen in der Brust, Schweissausbrüche, Übelkeit, Erbrechen.
  • Auch der Verzehr von kontaminiertem, nicht ganz durchgegartem Fleisch kann eine Ansteckung hervorrufen. Symptome sind Durchfall, Erbrechen, Übelkeit, teils innere Blutungen.
  • Selten ist eine Infektion des Auges, etwa durch die kontaminierte Hand. Symptome sind Bindehautentzündung und lokale Lymphschwellungen.
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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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