vitamine.jpgDer US-Chemiker Linus Pauling erhielt zwei Nobelpreise: einen für Chemie und den Friedensnobelpreis. Die höchste wissenschaftliche Weihe für Medizin blieb für ihn allerdings ausser Reichweite. Zu Unrecht, wie viele Ärzte meinen, denn Pauling begründete im Jahr 1969 die orthomolekulare Medizin.

Er glaubte, durch die Einnahme von Megadosen an Vitaminen und Mineralstoffen könne man Krankheiten vorbeugen. Er selbst schluckte täglich Riesenmengen Vitamin C, E und A und wurde 94 Jahre alt.

Jeder Mensch braucht eine gewisse Menge an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Aminosäuren. Diese Substanzen, die von Orthomolekularmedizinern «Nährstoffe» genannt werden, kann der Körper nicht selbst herstellen; er muss sie über die Nahrung aufnehmen.

Wer zuwenig Vitamin C einnimmt, bekommt Skorbut: Haarausfall, Zahnfleischbluten und rissige Haut. In früheren Jahrhunderten war diese Krankheit vor allem unter Seeleuten weit verbreitet. Denn auf See konnten sie sich monatelang nur von Pökelfleisch und Zwieback ernähren.

Heute ist diese Krankheit in unseren Breitengraden praktisch ausgestorben. Dennoch leiden viele Leute unter Vitamin-C-Mangel behaupten die Anhänger der orthomolekularen Medizin. Sie meinen damit einen leichten Mangel, den man im täglichen Leben nicht bemerkt. Zuwenig Vitamin C, sagen sie, könne das Immunsystem schwächen und das Krebsrisiko steigern.

Laut den aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung brauchen Erwachsene pro Tag rund 75 Milligramm Vitamin C. Linus Pauling hingegen behauptete, erst mit 10000 Milligramm sei der Körper genügend geschützt. Solche Dosen lassen sich jedoch nicht nur mit der Nahrung aufnehmen.

Schulmedizin zieht mit

Heute werden in der orthomolekularen Medizin nicht nur Vitamine, sondern auch Spurenelemente, Mineralstoffe, Fett- und Aminosäuren eingesetzt. Und manche der früher eher belächelten Thesen der Orthomolekularmedizin haben sich auch in der Schulmedizin durchgesetzt etwa die Anwendung von Magnesium bei Wadenkrämpfen oder von Vitamin E zur Vorbeugung von Arteriosklerose.

Drei Viertel aller Patienten von Orthomolekulartherapeuten leiden unter chronischen Krankheiten wie Allergien, Migräne oder Darmentzündungen. Oft haben die Betroffenen erfolglos unzählige Therapien ausprobiert.

Vor Beginn der orthomolekularen Behandlung muss der Arzt den «Nährstoffgehalt» des Patienten kennen. Untersucht werden Blut-, Urin- und manchmal auch Haarproben. Diese Analysen sind oft viel genauer als die Laboruntersuchungen der Schulmedizin. So wird etwa nicht nur der Zinkgehalt im Blutserum, sondern auch die Zinkversorgung der weissen Blutkörperchen bestimmt. In der Schweiz gibt es keine Labors, die solche Tests durchführen können. Deshalb werden die Proben an ausländische Institute verschickt.

Nicht jeder Mensch braucht gleich viele Nährstoffe. Neben der Veranlagung oder früher durchgemachten Krankheiten beeinflussen ganz unterschiedliche Faktoren den Bedarf:

Alter: Vor allem Kinder im Wachstum und alte Menschen sind anfällig für einen Nährstoffmangel.

Schwangerschaft und Stillzeit: Das wachsende Baby entzieht der Mutter Nährstoffe, zum Beispiel Kalzium zum Aufbau seiner Knochen und Eisen für die Blutbildung. Deshalb brauchen schwangere und stillende Frauen mehr Nährstoffe.

Medikamente: Gewisse Medikamente können die Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen aus dem Darm hemmen oder den Nährstoffverlust über die Nieren fördern.

Stress und chronische Krankheiten: In Stresssituationen baut der Körper Vitamin- und Mineralstoffdepots schneller ab als im Normalfall. Dazu kommt, dass sich gestresste oder kranke Menschen meist nicht ausgewogen ernähren (können) und der Organismus nicht genügend Nährstoffe erhält.

Rauchen und Alkohol: Bei Rauchern ist der Bedarf an Vitamin C und E mehr als doppelt so hoch wie bei Nichtrauchern.

Mittel gegen Migräne

Die orthomolekulare Therapie erfolgt in erster Linie mit Nährstoffpräparaten. Bei Migräne werden etwa Vitamin E, Selen oder Omega-3-Fettsäuren verschrieben. Vitamin B6 und Magnesium helfen vor allem Frauen, die während der Menstruation oder in der Schwangerschaft unter Migräne leiden.

Sehr viel Wert wird auch auf nährstoffreiches Essen gelegt. Es ist nicht sinnvoll, Vitamintabletten zu schlucken und sich ansonsten nur von Pommes frites zu ernähren. Orthomolekularmediziner empfehlen, auf raffinierte Nahrungsmittel wie Weissmehl oder Zucker möglichst zu verzichten und dafür viele Früchte, Gemüse und Vollkornprodukte zu essen.

Damit setzt die moderne orthomolekulare Medizin auf eine alte Weisheit. Schon Hippokrates sagte: «Deine Nahrung soll deine Medizin sein.»

 

Literatur, Kontaktadressen:

Burgersteins Handbuch Nährstoffe. Prävention und Therapie. Haug-Verlag 1997, Fr. 52.50

Schriftenreihe «Orthomolekulare Medizin» der Stiftung zur Internationalen Förderung der Orthomolekularen Medizin, Postfach, 8640 Rapperswil

Schweizerische Gesellschaft für Orthomolekulare Medizin (SGOM), Zürcherstrasse 146, 8640 Rapperswil http://www.orthomed.org



















Dieses Bild kann nicht angezeigt werden.