Volksgesundheit: Hartes Brot für gute Zähne
In seinem ersten Jahr propagierte der Beobachter schwedisches Knäckebrot gegen Zahnfäulnis. Es blieb bei der guten Absicht.
Veröffentlicht am 22. Januar 2002 - 00:00 Uhr
Auf die tolle Idee hatte ihn ein Zahnarzt aus Konolfingen BE gebracht: Hartes Brot gibt harte Zähne. Oder andersrum: Die Schweizer Bevölkerung leidet an Zahnfäulnis, weil sie zu viel schwammiges Weissbrot mampft. «Wir essen zu weich», befand der Beobachter 1927, «darum brauchen wir Zahnbürste und Zahnstocher, was alles ein gesundes Gebiss, das normal gebraucht wird, nie nötig hat.» Der Beobachter verbiss sich ins Thema und startete seine erste richtige Kampagne: für schwedisches Knäckebrot.
Doch schön der Reihe nach. «Was wir haben müssen», so schrieb der Beobachter in seiner Aprilausgabe, «ist ein Brot, wie es zum Beispiel Schweden herstellt. Der Beobachter hat selbst solches Brot versucht und kann sagen: Es schmeckt geradezu ausgezeichnet.» Und ist obendrein gesund. «Man sehe die Schweden und andere nordische Völker an: Dort gibts durchweg nur schöne Gestalten und gesunde Zähne.»
Der Beobachter suchte deshalb Bäckereien, die bereit waren, ein paar «solche Probebrote» zu backen, und Familien, die an dem «eigenartigen Schwedenbrot» Interesse zeigten. Und siehe da: Es meldeten sich angeblich «viele Tausende von Familien», die «begeistert ihre Zustimmung dazu gaben, dass ein anderes, besseres Brot aus Vollkorn und beinahe aus lauter Kruste bestehend geschaffen werde».
«Da scheint mir nun eine wichtige Mission des Beobachters zu liegen», erkannte eine «treue Leserin» und rief zur nächsten Tat: «Ist das wirklich der Wille des Schweizervolkes, dass allnächtlich um zwei bis drei Uhr sich Tausende von Bäckergehilfen erheben und Brot backen müssen, damit es zum Frühstück fein knusperig und warm auf dem Tische steht?» Knäckebrot braucht keine Nachtarbeit. Der Beobachter startete deshalb seine erste «Volksbefragung» auf dass dies «unserem Volke nütze, sein Wohlergehen fördere und mehre».
Nun, gar so nachhaltig war die Kampagne nicht. Auch 75 Jahre später backen Bäcker noch immer nachts und selten Knäckebrot. Hingegen haben sich die Zahnbürsten und Zahnstocher durchgesetzt. Und die Schwedinnen und Schweden sind immer noch schön.