Die Pflanzenmedizin boomt. Rund 16 Millionen Naturheilmittelpackungen gingen letztes Jahr in der Schweiz über den Ladentisch, das entspricht einem Umsatz von knapp 140 Millionen Franken. Besonders beliebt: Echinacea zur Stärkung des Immunsystems und Gingko gegen Vergesslichkeit.

Pflanzliche Heilmittel sind vor allem deshalb so populär, weil sie den Ruf haben, keine Nebenwirkungen zu verursachen. Das ist ein Irrtum. Bernhard Lauterburg, Leiter des Instituts für klinische Pharmakologie am Inselspital Bern, warnt: «Entgegen der landläufigen Meinung ist nicht alles, was aus dem Garten Gottes kommt, harmlos.» Eines der Grundgesetze der Medizin besage: keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Demnach können auch pflanzliche Stoffe unerwünschte Effekte oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten hervorrufen. So kann etwa Echinacea Atemnot auslösen oder Gingko das Blutungsrisiko erhöhen.

Lebensgefährliche Kombinationen

«Oft verursachen pflanzliche Präparate nur leichte Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Störungen, Übelkeit oder Hautausschläge», erklärt Karoline Mathys, Leiterin der Abteilung Komplementär- und Phytoarzneimittel des Heilmittelinstituts Swissmedic.

Doch es gibt auch Naturheilmittel mit weitaus gefährlicheren Nebenwirkungen. So häufen sich laut Karoline Mathys seit kurzem die Hinweise, dass Arzneien, die Cimicifuga enthalten, eine leberschädigende Wirkung haben könnten. Cimicifuga, ein beliebtes Mittel gegen Wechseljahrbeschwerden, wäre nicht das erste pflanzliche Medikament, das im Verdacht steht, die Leber anzugreifen. Im Juni 2002 widerrief Swissmedic die Zulassung von Kava-Kava-Präparaten, nachdem bei Patienten, die solche über längere Zeit eingenommen hatten, zum Teil schwere Leberschädigungen diagnostiziert wurden.

Heikel kann der Griff zur pflanzlichen Arznei auch dann werden, wenn der Konsument gleichzeitig synthetisch hergestellte Medikamente einnimmt. Die Wechselwirkungen können unter Umständen lebensgefährlich sein. So vermindert etwa das beliebte pflanzliche Antidepressivum Johanniskraut die Wirkung lebenserhaltender Medikamente wie etwa Ciclosporin, das nach Organtransplantationen Abstossungsreaktionen unterdrückt. «Der behandelnde Arzt sollte den Patienten deshalb immer auch danach fragen, ob er Naturheilmittel einnimmt», meint Lauterburg.

Hierzulande müssen pflanzliche Arzneimittel, auch Phytopharmaka genannt, genauso wie synthetisch hergestellte Medikamente von der zuständigen Behörde Swissmedic auf ihre Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität geprüft werden, bevor sie die Zulassung erhalten. Mit dem revidierten Heilmittelgesetz sind neu auch alle homöopathischen, anthroposophischen und chinesischen Arzneimittel der Zulassungspflicht unterstellt. Dass die Neuregelung dringend nötig war, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2005: Swissmedic musste mehrere chinesische Arzneimittel aus dem Handel nehmen, weil sie den erlaubten Grenzwert an potenziell leberschädigenden und krebserregenden Inhaltsstoffen überschritten.

Schwermetalle und Pestizide

Das grösste Gefahrenpotenzial birgt nach Meinung der Experten der Handel via Internet: «Über diesen Kanal werden grosse Mengen unkontrollierter Kräutermischungen von zweifelhafter Qualität vertrieben», stellt Pharmakologe Lauterburg fest. Auch Karoline Mathys von Swissmedic warnt davor, pflanzliche Präparate aus dem Web zu beziehen: «Die Mittel stammen häufig aus dem asiatischen Raum und werden als rein pflanzlich angepriesen. In Wirklichkeit enthalten sie oft verschreibungspflichtige, synthetisch hergestellte Stoffe wie zum Beispiel Potenz- oder Schmerzmittel.» Ausserdem seien solche unkontrollierten Produkte häufig mit Schwermetallen oder Pflanzenschutzmitteln belastet.

Der Rat der Experten lautet deshalb, pflanzliche Mittel nur über behördlich überwachte Kanäle wie Apotheken oder Drogerien zu kaufen. Generell gilt auch für Naturheilmittel: Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

Quelle: Archiv