Nörgeln, appellieren, Vorträge halten, lamentieren, anklagen, Ratgeberbücher schenken, gekränkt sein und vieles mehr wird getan, wenn man verzweifelt am nervigen Verhalten der Partnerin oder des Partners. Nur: das nützt alles wenig. Im Gegenteil, es wird zur Belastung für die Beziehung.

Ein Verhaltensmuster nachhaltig zu verändern, ist sehr schwer. Vor allem, wenn es dem Wesen und Temperament entspricht und seit Kindheit existiert. Wenn jemand ein neues Verhalten etablieren will, braucht es sehr viel mehr als einen Silvestervorsatz.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Wie weiter nach der ersten Verliebtheit?

Wer zudem nicht sich selbst, sondern die geliebte Person ändern will, hat besonders schlechte Karten. In einer Liebesbeziehung gibt es neben der existenziellen Ebene («Mögen wir uns?», «Tun wir uns grundsätzlich gut?», «Sind wir bei zentralen Lebensthemen kompatibel?») jede Menge Alltag.

Wenn die erste verklärte Phase vorbei ist und die verzauberte Stimmung schwindet, gilt es zu klären, wie man im Alltag miteinander umgeht. Wie behandelt man als Paar Unterschiede in Bezug auf Vorlieben, Temperament und Haushaltsführung?

«Sie haben damals Ja gesagt zu dem Menschen, der Ihnen nun vermeintlich immer wieder das Leben erschwert.»

Christine Harzheim, Psychologin FSP

Wer kennt die Reizthemen nicht: die offen gelassene Zahnpastatube, die verlegten Schlüssel, Zuspätkommen, die laute Lache, dass der andere meine Sätze beendet, weil ich langsamer rede, und so weiter und so fort.

Paare müssen die Negativspirale durchbrechen

Sagen wir nun: Ärmel hoch und ihn oder sie verändern? Penetrant, wortgewaltig, emotionsgeladen? Oder hartnäckig und ausdauernd? «Das kann doch nicht so schwer sein, das ist doch nicht zu viel verlangt …» – «Ich geb mir solche Mühe, und du …» – «Immer hast du …, nie tust du …»

Hier entstehen, wenn man nicht aufpasst, Endlosschleifen von Erwartung und Enttäuschung, Vorwurf und Rechtfertigung. Bis einer weint. Dann: Entschuldigung, Scham- und Schuldgefühl, Gelübde und Hoffnung. Aber: keine Veränderung in der Sache. Solche immer gleichen Versuche rauben Kraft und Nerven und, was sehr traurig ist: die Zuneigung.

Wer eine Beziehung wünscht, die lange währt und die bis zum Schluss mehr gibt, als sie braucht, die nährt und wärmt und Spass macht, steigt aus dieser Spirale aus. Übernehmen Sie Verantwortung und entscheiden Sie sich. Sie haben damals Ja gesagt zu dem Menschen (und zwar dem ganzen), der Ihnen nun vermeintlich immer wieder das Leben erschwert.

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Das Paar-Date
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Partnerin akzeptieren oder sich trennen

Natürlich müssen Sie nicht alles hinnehmen, was das Gegenüber bietet. Aber wenn etwas zum nervenaufreibenden Dauerthema wird, realisieren Sie, dass diese Eigenschaft wohl zur Person gehört und nicht zu ändern ist.

Wenn meine Partnerin also so ist (so chaotisch, vergesslich, hektisch …) und bleibt – will ich sie dann noch? Kann ich damit leben, dass sie es nicht ändern kann oder will? Oder will ich eigentlich jemand anderen und ziehe einen Schlussstrich (was auch legitim ist)?

«Milde, Gelassenheit und Humor reduzieren den Stress ungemein und führen dadurch im Zweifel zu weniger Chaos.»

Christine Harzheim, Psychologin FSP

Wenn ich mich nun für den Partner entscheide, muss ich damit aufhören, ihn verändern zu wollen. Ändern kann ich nur meine Einstellung im Sinne von: Diese Eigenschaft gehört zu ihm. Sie nervt mich und fordert mich heraus, und ich werde versuchen, einen Weg zu finden, so damit umzugehen, dass es uns nicht entzweit.

Zurückziehen oder das Beste draus machen

So kann ich mich zum Beispiel bewusst zurückziehen während der Viertelstunde, in der mein Mann am Morgen turbomässig durchs Haus chaotet, Schlüssel sucht, flucht, Lesebrille sucht, betet, dreimal geht und «Tschüss!» ruft, dreimal wiederkommt und schliesslich ohne Gruss die Haustür zudonnert. So what?

Oder ich handle pragmatisch und habe immer fünf Ersatzschlüssel, zehn Lesebrillen und ein Lächeln parat, ähnlich den Helfern am Rand eines Langstreckenlaufs. Ganz nach Vorliebe und Möglichkeit.

Was solchen Vorgehensweisen gemein ist: Sie integrieren den Wahnsinn, den das Leben so mit sich bringt. Sie orientieren sich nicht an einer Hochglanzversion von Beziehung, sondern akzeptieren Mängel als normalen Bestandteil des Menschseins. Milde, Gelassenheit und Humor reduzieren den Stress ungemein und führen dadurch im Zweifel zu weniger Chaos.

Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 24.11.2017 veröffentlicht.

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Christine Harzheim