Beobachter: Während des Lockdowns haben viele zu zeichnen und zu basteln begonnen. Macht die Krise die Leute kreativer?
Paolo Bianchi: Eine Krise bedeutet ja eigentlich Angst und Gefahr, sie löst Stress aus. Das hemmt die Kreativität. Andererseits kann sie als positiver Trigger, als Auslöser dienen. Man hat plötzlich Zeit, wird neugierig und probiert etwas aus. Meine Tochter hat zu singen begonnen, sie nimmt Online-Unterricht bei einer Lehrerin in Australien. Sie ist schon lange mit diesem Gedanken schwanger gegangen, aber durch ihre Ausbildung, das Reisen, später den Job hat sie das nie realisiert. Ich bin gespannt, ob sie dranbleibt.


Manche hatten viel Zeit und erlebten vielleicht auch Langeweile Gefühle Was tun bei Langeweile? . Ist das eine gute Voraussetzung für Kreativität?
Von Albert Einstein wird erzählt, dass er in Phasen der Langeweile besonders kreativ wurde. Dahinter steckt das sogenannte Tagträumer-Gehirn, das gerade beim Nichtstun aktiv wird. Im Ruhezustand arbeitet es weiter und erschliesst neue Areale. Wer sich also gelegentlich von Berufsalltag, Haushalt und Erziehung wegträumt, dem fällt es leichter, um die Ecke zu denken. Doch die digital vernetzte Welt von heute lässt kaum noch Raum für freie Momente. Die Frage ist, ob die Zeit nach dem Lockdown wieder voll mit To-do-Listen Stress durch Multitasking «To-do-Listen sind gefährlich» ist. Oder gibt es noch Freiräume in der Woche, wo ich einfach spaziere und danach vielleicht koche oder singe? Nichtstun ermöglicht es, offen zu werden für Neues und Unbekanntes.