Ungern denkt Anna an jenen Sonntag vor zwei Jahren zurück,

als sie mit einem mulmigen Gefühl im Wartzimmer des Notfallarztes

sass. «Ich bin sonst sehr gewissenhaft», sagt

die 28-Jährige. «Doch in der Nacht zuvor lief alles

schief.» Das Kondom sei gerissen, als sie mit ihrem

Freund geschlafen habe. «Und schwanger werden wollte

ich zu jenem Zeitpunkt nicht.» Der Arzt verschrieb der

Frau das Rezept für die «Pille danach», die

sie sich umgehend in der nächsten Apotheke besorgte.

Heute ist der Weg zur «Pille danach» weniger

aufwändig: Seit einem halben Jahr gibt es das Hormonpräparat

rezeptfrei in den Apotheken. «Die Wirksamkeit der Tablette

ist umso besser, je rascher sie eingenommen wird», begründet

Swissmedic-Sprecherin Nicole Wyss den Entscheid des Schweizer

Heilmittelinstituts.

«Nicht glücklich mit dieser Situation»

ist Professor Mario Litschgi, Generalsekretär der Schweizerischen

Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Er

bemängelt vor allem die Beratung in den Apotheken, die

nicht so umfassend sei wie bei Medizinern. «Vor allem

jüngere Frauen sind darauf angewiesen, dass sie vom Fachpersonal

genau über Verhütungsmittel aufgeklärt werden.»

Diese Kritik ist nicht immer begründet. Wer sich beispielsweise

in der Bellevue-Apotheke in Zürich die «Pille danach»

besorgen will, muss einen Fragebogen ausfüllen. Angaben

zu allfälligen Krankheiten oder Medikamenten werden verlangt,

auch persönliche Informationen über Zyklus sowie

Verhütungsmethoden sollen notiert werden. Anschliessend

setzt sich die Apothekerin zur Kundin, klärt sie über

die Nebenwirkungen des Präparats auf und orientiert sie

über Krankheiten wie Hepatitis B oder Aids, mit denen

man sich bei ungeschütztem Sex anstecken kann. Erst nachdem

die Apothekerin die Antworten auf dem Formular begutachtet

hat, händigt sie das Notfallmittel aus.

Auch die vielfach geäusserte Befürchtung, die

«Pille danach» könnte jüngere Frauen

zu leichtsinnigem Umgang mit Sex ermuntern, lassen sich nicht

erhärten. Laut einer Studie des Childrens Hospital

in Los Angeles verzichten junge Frauen zwischen 14 und 20

Jahren nicht auf Kondome, auch wenn sie Zugriff auf die «Pille

danach» haben.

Kondom ist der beste Schutz

Keine Einwände gegen die rezeptfreie Abgabe der «Pille

danach» hat Christoph Schlatter von der Aids-Hilfe Schweiz:

«Wir trauen den Menschen grundsätzlich zu, dass

sie Verantwortung für sich selber übernehmen können.

Die Pille danach kann allerdings kein reguläres

Verhütungsmittel sein.» Wichtig sei es, so Schlatter,

die jungen Frauen darauf hinzuweisen, dass das Medikament

zwar eine ungewollte Schwangerschaft verhindern könne,

nicht aber vor Aids schütze.

Wert auf Prävention legt auch Sandra Meier vom Bundesamt

für Gesundheit (BAG): «Im Zentrum der BAG-Massnahmen

steht das Präservativ. Es stellt nach wie vor den besten

Schutz dar.»

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