Zum Glück war ich auf dem Sofa vor dem Fernseher eingeschlafen. Denn so vermisste mich mein Mann im Bett. Er stand um fünf Uhr auf und entdeckte das Feuer. Seine Worte werde ich nie vergessen: «Es brennt, wir müssen raus!» Ich war sofort hellwach. Mein Mann stand wie ein kopfloses Huhn tatenlos vor mir. «Weck die Kinder!», befahl ich ihm.

Er ging nach oben, ich alarmierte die Feuerwehr. Dann holte ich Raphael, 4, aus dem Bett. Der Strom war ausgefallen, es war stockdunkel. Mein Mann hatte die zweijährige Jessica auf dem Arm. Ich schickte ihn mit den zwei Kindern zu den Nachbarn. Noch wusste ich nicht, wo es brannte. Es war kein Feuer zu sehen und kein Rauch zu riechen. Dann stand plötzlich mein ältester Sohn Christopher, 16, in den Unterhosen vor mir. Ihn schickte ich vors Haus. Wie Stefan, 14, rauskam, weiss ich nicht mehr.

Schnell holte ich noch das Handy, mein Portemonnaie und die Schlüssel aus der Küche. Vor dem Haus stellte ich erst einmal unser Auto weg. «Wenn jetzt schon das ganze Haus niederbrennt, haben wir wenigstens noch das Auto», dachte ich mir.

Das Feuer mottete die ganze Nacht


Dann stand ich mit meinen beiden älteren Söhnen draussen. Die Flammen loderten aus dem Dach. Christopher sagte verzweifelt: «Mama schau, es geht alles kaputt, das können wir nicht mehr bezahlen.» Ich war wie gelähmt, die Angst war riesig.

Wenn man auf die Feuerwehr wartet und dabei zusehen muss, wie das Feuer immer grösser wird, werden die Minuten zu Stunden. Endlich hörte ich das Horn. Drei Feuerwehren waren aufgeboten: Beinwil, Birrwil und Menziken, 52 Mann.

Sie hatten das Feuer bald im Griff. Es hatte sich vom Sicherungskasten aus über den ganzen Estrich ausgebreitet. Schnell war klar, dass es schon die ganze Nacht hindurch gemottet haben musste. Auch das Bellen unserer Hündin Sira am Vorabend konnten wir uns im Nachhinein erklären. Sie hatte gespürt, dass etwas nicht stimmte.

Etwa um zehn Uhr morgens durfte ich das erste Mal wieder ins Haus. Als ich die Zerstörung sah, kamen mir die Tränen: Alles war verkohlt, verbrannt, kaputt. Ich wäre am liebsten auf der Stelle zusammengebrochen. Dann wurde mir schlagartig klar, wie knapp wir der wirklichen Katastrophe entgangen waren. Die beiden älteren Buben schliefen eine Nacht lang Wand an Wand mit dem Feuer. Glücklicherweise waren es Gipswände. Doch die Holzbalken waren praktisch durchgebrannt. Nur fünf Minuten länger, und der ganze Dachstock wäre zusammengekracht – für Christopher und Stefan wäre es zu spät gewesen.

Vor dem Haus standen viele Zuschauer. Auch TV- und Zeitungsreporter waren da. Sie waren sehr aufsässig und befragten sogar die Kinder. Später schauten wir uns dann gemeinsam den Fernsehbericht an: «Sechsköpfige Familie obdachlos», hiess es. Erst da wurde mir das Ausmass bewusst: Das Haus war unbewohnbar, wir konnten nicht mehr heim.

Hilfe kam von überall. Der Frauenverein organisierte Kleider für die Kinder. Ein Freund holte unseren Hund ab. Und der Gemeindeammann kümmerte sich um eine Schlafstelle. Doch es war Sonntag, die Hotels waren zu, es blieb nur die Zivilschutzanlage. Ich war sehr erleichtert, als uns eine Nachbarin sechs Schlafplätze bei sich anbot. Mir war wichtig, dass die Familie zusammenblieb. Damit stiess ich da und dort auf grosses Unverständnis. Doch wir mussten diesen Schock gemeinsam verarbeiten, mussten miteinander reden.

In den folgenden Tagen räumten wir das Haus aus. Mein Mann nahm unbezahlten Urlaub, die Kinder waren in der Schule oder bei Verwandten. Essen konnten wir abwechslungsweise bei Nachbarn. Es gab viel zu tun. Alle Textilien mussten gereinigt werden. Es brauchte neue Bettdecken für die Buben. Wir durchsuchten den Schutt. Die Versicherung nahm das Schadeninventar auf. Die zwei Dachzimmer waren vollständig ausgebrannt.

Unser persönlicher Schaden beträgt 20000 Franken, der Schaden am Haus über 300000 Franken. Zum Glück sind wir versichert. Die Kosten sind hoch. Sogar die SBB stellten eine Rechnung: Die Löscharbeiten hatten am Sonntagmorgen den Zugverkehr behindert.

Im Kopf läuft stets der gleiche Film ab


Nach einer Woche konnten wir in eine Dreizimmerwohnung umziehen. Da wohnen wir jetzt seit zwei Monaten nur mit dem Nötigsten: einem Schrank für die Kleider, Küchengeschirr zum Kochen und sechs Matratzen auf dem Boden. Am meisten fehlt uns der Platz. Keiner kann sich zurückziehen, das gibt Konflikte. Es ist eine schwierige Zeit.

Mein Mann und die älteren Kinder sind tagsüber weg. Ich bin mit den zwei Kleinen allein. Damit mir nicht die Decke auf den Kopf fällt, nutze ich jede Gelegenheit, um aus der Wohnung zu kommen. Es gilt jetzt einfach, positiv zu denken und die Zeit zu überbrücken.

Doch der Schock sitzt tief. In meinem Kopf läuft stets der gleiche Film ab. Wenn ich eine Holzheizung rieche, erschrecke ich. Mein Mann hört oft das Knistern des Feuers von jener Nacht.

Die Kleinen spielen jeden Tag Feuerwehr, und der Älteste misstraut jeder
Lampe aus Holz. Schwierig wird es für uns sicher, wenn wir wieder ins Haus zurückkehren können. Es braucht Zeit, bis wir wieder ruhig schlafen werden.

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