Das Ehepaar Augsburger fuhr von Lenzerheide nach Chur, als es passierte: Beat Augsburger stand aufs Bremspedal – und trat ins Leere. Geistesgegenwärtig lenkte er den Kleintransporter auf einen Waldweg, der vor ihm auftauchte. Augsburgers hatten Glück: Der Weg stieg an, und der Wagen rollte aus.

Nicht mehr stoppen konnte der Berufschauffeur eines Kleinbusses auf der Talfahrt von Gurnigelbad nach Rüti am 16. August 2003: Der Wagen mit 15 Mitgliedern des Frauenturnvereins aus Niederdorf stürzte eine Böschung hinab. Drei Insassen starben. Augenzeugen berichteten, sie hätten am Unfallort keine Bremsspuren gesehen. Die Polizei untersucht jetzt, ob auch am Gurnigel die Bremsen versagt haben. In beiden Fällen war das Fahrzeug ein Renault Master. Ein Zufall?

Es wäre nicht das erste Mal, dass bei diesem Fahrzeugtyp die Bremsen nicht funktionieren:

  • 1995 fährt ein Kleinbus auf der Talfahrt in Mesocco in einer Kurve geradeaus. Verdacht: Bremsstörung.

  • 1999 versagen die Bremsen eines Kleintransporters auf der Talfahrt von der Göscheneralp ihren Dienst: Blechschaden.

  • Im Mai 2003 rast ein Kleinbus auf der Talfahrt von der Furka in eine stehende Kolonne: Bremsversagen.


Gabriel Nigon, der Vizepräsident des Verwaltungsrats von Renault Trucks Schweiz, betont, Renault sei «sehr interessiert an der Klärung der Unfallursache am Gurnigel». Bis heute sei der Firma allerdings kein Unfall eines Renault Master wegen Bremsversagens bekannt. Die Renault bekannten fünf Vorkommnisse von Bremsausfällen seien allesamt auf schlechte Wartung zurückzuführen.

Branchenbekannter Problemfall
«Jeder weiss, dass die Bremsen die Schwäche dieses Fahrzeugtyps sind», sagt hingegen der Thuner Garagist Rolf Brunner, der mehrere dieser Kleintransporter vermietet. Er selbst sass schon am Steuer eines Renault Master, als die Bremsen versagten. Seither wechselt er die Bremsflüssigkeit zwei- bis dreimal im Jahr aus – üblich wäre ein Wechsel alle ein bis zwei Jahre. Zudem müssen all seine Kunden eine Erklärung unterschreiben, dass ihnen bewusst sei, dass die Bremsen rasch überhitzen könnten. Je öfter die Bremsen heisslaufen, desto rascher sinkt der Siedepunkt der Bremsflüssigkeit: Damit steigt die Gefahr, dass die Bremsen überhitzen.

Die Probleme mit dem Wagentyp haben sich in der Branche herumgesprochen. «Es ist brutal, denn das Bremsversagen kündigt sich nicht an», sagt etwa Werner Schmid von der Garage Schmid in Reinach BL: Er trat selber schon einmal ins Leere. Und René Zgraggen, Inhaber der gleichnamigen Garage in Schattdorf, ist überzeugt, dass der Renault Master «kein Passfahrzeug» sei: «Der Wagen ist eher fürs Flachland geeignet.»

Auch Daniel Hochreutener, Geschäftsführer der Mietauto AG, die in Winterthur eine Flotte von 22 neuen Renault Master vermietet, erinnert sich an Kunden, bei denen die Bremsen versagt hatten. Bei den Fahrzeugen der neuen Serie ab Baujahr 1997 trete das Problem aber nicht mehr auf, erklären die Garagisten übereinstimmend. Ein nicht wirklich beruhigender Befund: Noch immer sind in der Schweiz 1530 Renault Master der alten Serie mit Baujahr 1981 bis 1996 im Verkehr.

Beim Wagen von Augsburgers versagten die Bremsen schon dreimal, obwohl sie den Wagen jedes Mal reparieren und regelmässig warten liessen. «Ein eigentlicher Grund für das Bremsversagen wurde nicht gefunden», hielt die Renault-Garage nach der dritten Bremsstörung fest.

Schliesslich hatten Augsburgers ein Verfahren am Hals: Der Importeur hatte die Bremse gezogen und die Behörden informiert, dass der Kleintransporter von Augsburgers nicht betriebssicher sei – wegen einer «verklemmten Bremszange».