Nach Putins Überfall auf die Ukraine schossen die Preise für Benzin und Heizöl so schnell in die Höhe, dass selbst Börsianern schwindlig wurde. Vor Billigtankstellen bildeten sich sofort Schlangen. Und das Parlament in Bern reagierte mit einem Feuerwerk an Vorstössen. Medial sind die Parteien auf Zack, kreativ eher weniger.

Die Bürgerlichen – allen voran die SVP – setzen auf Schnelltherapie: sofort den Benzinpreis senken. Aber nicht etwa auf Kosten der Ölkonzerne, deren Gewinnmarge in den ersten beiden Märzwochen um nette 108 Prozent gestiegen ist. Nein, der Bund soll verzichten – bis zu vier Jahre lang auf alle Mineralölsteuern, CO2-Kompensationspflicht und die halbe Mehrwertsteuer auf Treib- und Brennstoff.

Dann will die SVP gleich noch den Pendlerabzug auf 6000 Franken verdoppeln. Und sollte der Krieg länger dauern, müsse der Bund ein Entlastungspaket für Benzin und Heizöl schnüren, aber keinesfalls auf Kosten des Verkehrsfonds. Das gefällt auch der FDP.

Alle Beteuerungen vor der Abstimmung über das CO2-Gesetz im letzten Sommer? Quasi Schnee von gestern. Man könnte böswillig von Instrumentalisierung der Krise unter Aufgabe der eigenen Ideale sprechen. Denn die Bürgerlichen vertrauen auf die harte Hand des Staats: auf Interventionismus.

Die Linke – etwas in der Defensive – setzte auf Nachhaltigkeit. Die Grünen auf Klimapolitik: wieder mal autofreie Sonntage, Temporeduktionen und – kein Witz – gedimmte Strassenbeleuchtung. Die SP auf Sozialpolitik: tiefere Krankenkassenprämien für Ärmere. Und beide fordern: mehr E-Mobilität und weniger Abhängigkeit vom Ausland. Etwas zynisch formuliert: kein Öl aus Putins Reich, dafür Solarzellen von Xi Jinping – 70 Prozent stammen aus China. Das alles wirkt – in ein paar Jahren.

Die Falschen unterstützt

Sicher, alles mehr oder weniger vernünftige Ideen. Nur, tut uns das teure Benzin wirklich so weh? Die NZZ rechnete unlängst vor: Energiekosten machen 5,5 Prozent der Konsumausgaben aus. Wenn sie um 30 Prozent steigen, belastet das einen Haushalt mit 1,6 Prozent. Das gefährdet wohl keine bürgerliche Existenz.

Würden wenigstens jene profitieren, die unter dem hohen Benzinpreis leiden? Die Taxifahrer, Lieferdienste, Spediteure, die Leute auf dem Land, die ohne Auto nicht können? Kaum. Tiefere Benzinpreise entlasten ja nicht so sehr die Wenigverdiener, sondern die Vielfahrer. Vor allem die mit den schweren Karossen.

Es geht um mehr

Vielleicht geht es ja gar nicht nur um den Preis an der Zapfsäule. Sondern auch darum, dass wir mit dem Benzin und Gas, das wir verbrauchen, Putins Krieg mitfinanzieren. Gemäss der Erdölvereinigung Avenergy liegt der russische Anteil bei den Erdölprodukten, die in der Schweiz verkauft werden, bei gut 10 Prozent. Beim Gas sind es gemäss Statistikbehörde Eurostat gar 47 Prozent (für die EU).

Tag für Tag zahlt Europa an Russland 380 Millionen Euro für Gas und 362 Millionen für Öl, schätzt die Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Seit Beginn des Feldzugs gegen die Ukraine dürften es noch mehr geworden sein. Öl und Gas sorgen für 60 Prozent des russischen Aussenhandels. Und für fast die Hälfte der Staatseinnahmen.

Klar stoppt man mit einem persönlichen Boykott nicht Putins Kriegsmaschinerie. Aber man finanziert sie wenigstens nicht. Und jeder gesparte Liter Benzin ist ein kleiner Beitrag fürs Klima. Aber so weit muss man nicht mal denken. Vielleicht genügt der Tipp des Zürcher FDP-Kantonsrats Christian Müller: Man solle den rechten Fuss zügeln, so liessen sich bis zu 20 Prozent Benzin sparen. Müller ist Garagist.

Oder man schaut sich ab, wie das Autoland Deutschland auf die hohen Preise reagiert. Sein Massnahmenbündel: Die Steuerzahler erhalten 300 Euro über den Arbeitgeber geschenkt, sozial Schwache weitere 100 Euro. Die nächsten drei Monate werden die Billettpreise für Bus und Bahn und die Steuern auf Kraftstoffe gesenkt. Das kann man gut finden oder nicht – immerhin steht ein Konzept dahinter.

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Martin Vetterli, stv. Chefredaktor
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