«Schwindel und kein Ende» – dieser Titel steht über einem Artikel, der von unseriösen Inseraten in der Schweizer Presse berichtet. «Es gibt immer wieder so viel Dumme, mit denen Schwindler ihr Geschäft machen können. Fast ärger noch als der Verlust von Geld scheint dem Beobachter das Erwecken von trügerischen Hoffnungen in armen Familien, die an das Inserat glauben und oft die letzten Rappen hergeben, um nachher umso verzweifelter zu sein.»

Der Beobachter-Beitrag erschien im Jahr 1930. «Unglaublich, aber wahr», lautete eine Uberschrift drei Jahre später. «Seit Jahr und Tag bemühen wir uns, allerhand unlautere Machenschaften aufzudecken und unsere zahlreichen Leser davor zu warnen. Und das Resultat? Ach du lieber Gott! Es ist verschwindend klein.»

Vielleicht will es der liebe Gott, dass die Dummen nie aussterben. Wen sonst könnten skrupellose Geschäftemacher über den Tisch ziehen – mit den mehr oder weniger ähnlichen plumpen Tricks?

«Es kommt immer wieder vor», schrieb der Beobachter Ende der dreissiger Jahre, «dass Vertreter von Darlehensvermittlern, Liegenschaftsmaklern, Radioröhrenversicherungen und Schutzorganisationen aller Art auf der Suche nach Kunden solche zu Besprechungen ins Wirtshaus einladen. Dort wird alsdann ein Glas Wein aufgestellt und der zukünftige Kunde nach allen Regeln der Kunst bearbeitet, bis er unterzeichnet hat. Der Vertreter lässt dem Kunden nicht einmal mehr die Zeit, den Vertrag durchzulesen.» Der damalige Rat des Beobachters: «Man tut gut, niemals im Wirtshaus Geschäfte abzuschliessen, die finanzielle Verpflichtungen in sich bergen.»

Die Warnung war erfolglos; den Tipp ignorieren Konsumenten nach wie vor. Die «Wirtshäuser» heissen heute «Hotel» oder «Motel» – und es wird weiter fleissig Wein ausgeschenkt, der offenbar den Geist der Menschen arg vernebelt. Neuer Wein in alten Schläuchen. Geändert haben nicht die Tricks der Geschäftemacher, sondern einzig deren Art, Naive zu ködern. Verkauften einst Hausierer Ramsch zu Höchstpreisen, verspricht heute ein E-Mailer ein Schnäppchen per Mausklick.

Ein Blick in die ersten Beobachter-Jahrgänge zeigt Parallelen zur Gegenwart.

  1. Gratisware
    Das «Zugabewesen» habe sich zu einem «gewaltigen Unfug» entwickelt, schreibt der Beobachter 1928. «Alle möglichen Gegenstände werden dem leichtgläubigen Käufer gratis angeboten, wenn er nur so und so viel Ware bezieht. Auf Deutsch gesagt heisst das, der Käufer bekommt schön Schmalz auf die Augen geschmiert, damit er nicht so recht sieht, was er kauft. Und hintendrein muss er dann den Schmalz auch noch bezahlen.»

    Als «Schmalz» dienen heute etwa Diamanten, die ein Versandhaus verschenkt. Die drei «echten Steine» erhält aber nur, wer sie für 40 Franken fassen lässt. Und die Konkurrenz offeriert ein «Dankeschön-Geschenk». Der Haken dabei: Das Präsent gibts nur beim Kauf eines Wundermittels. Zur Auswahl stehen «Ananas-Fibrosan» oder ein «Erdbeer-Schlankverstärker».
  2. Darlehensvermittler
    In Finanznöten und keine Aussicht auf ein Bankdarlehen? Dafür gibt es hilfreiche Darlehensvermittler. Vor 65 Jahren etwa die «Kapitalnachweis AG». Sie sei einzig darauf aus, den Leuten eine überrissene Aufnahmegebühr abzunehmen, und zwinge sie zum Kauf von Anteilscheinen, warnte der Beobachter. «Danach besteht die weitere Arbeit darin, Beschwichtigungsbriefe zu schreiben. Auf ein Darlehen warten die Kunden vergebens.»

    Die Masche bleibt aktuell. So vermittelt die F.I.C. Fibal AG gegen happige Gebühren Kredite in praktisch unbeschränkter Höhe von Investoren aus Erdölländern.
  3. Gewinnspiele
    Quizfrage: Ein Wanderer in lieblicher Landschaft, im Hintergrund eine Mühle. Auf welches Volkslied bezieht sich das Bild? Weil das Rätsel so schwierig ist, gabs tolle Preise zu gewinnen. Die Firma Otto Krieger in Wolfenbüttel versprach den Einsendern der richtigen Antwort 1930 ein Grammofon: gegen Einzahlung von zehn Franken für Porto und Verpackung.

    Tausende erhielten statt dem Gerät eine Aufforderung, für 12 Platten nochmals 21 Franken einzuzahlen. Danach folgten weitere Prospekte mit Sonderangeboten. Vom Grammofon keine Spur. Ebenso wenig vom schnellen Auto, vom Computer oder von den Traumferien, die heutzutage beim Beantworten einer lächerlich einfachen Frage zu gewinnen sind. Dafür gibt es Gutscheine, die den Kauf von Ramsch verbilligen.

  4. Nebenverdienst
    Jährlich ohne Risiko 300'000 bis 400'000 Franken verdienen, das war schon vor 70 Jahren möglich. Gefordert war lediglich eine Sicherstellung von 20'000 bis 30'000 Franken für «organisatorische Tätigkeiten des seriösen Inserenten». Das Geld hätte mit dem Verkauf von Reisekarten nach Wien verdient werden sollen – ans grösste Fest Europas. Nur: Es gab kein Fest.

    Der Trick mit dem Nebenverdienst wandte die Nidauer Gasser Automatik in den siebziger Jahren im grossen Stil an. Der Inhaber versprach für die Betreuung elektronischer Spielautomaten Monatsverdienste bis zu 2000 Franken. Hunderte unterschrieben – ohne zu realisieren, dass sie die Apparate dreifach überzahlt hatten und mit den mickrigen Einnahmen nicht einmal die Abzahlungsraten begleichen konnten. Dafür finanzierten sie dem Betrüger ein sonniges Leben in Togo.
  5. Auslandsgeschäfte
    Wie lässt sich über Nacht die Kasse füllen? Man sucht sich einen reichen Deutschen, der in der Schweiz eine Immobilie kaufen möchte und bereit ist, diese zu überzahlen. Auf diesen Geldsegen hofften Anfang der dreissiger Jahre viele Schweizer Hauseigentümer und wurden Opfer eines billigen Tricks: Sie überwiesen einem Frankfurter Makler Hunderte von Franken: für Inserate in deutschen Zeitungen. Diese erschienen bis heute nicht.

    Also lieber dem völlig unbekannten Dr. Alhaji Sakura Ahmed aus Abuja in Nigeria einen Liebesdienst erweisen. Der Staatsangestellte schreibt zurzeit Hunderte von Schweizern an. Er verspricht für die Hilfe bei einem 21-Millionen-Dollar-Geldtransfer ein Viertel der Summe. Als Gegenleistung sind lediglich ein paar Tausender nach Nigeria zu überweisen – bei den heutigen Bankverbindungen kein Problem!
  6. Ramschverkauf
    Ein Trick nach der Devise «Schlau sind Dumme, die Dümmere finden». Er kommt 1929 im Beobachter als «kinderleichter Nebenverdienst» in Inseraten daher. «Den Gläubigen wird dann eine Kiste mit fast wertlosem Inhalt in Dosen viel zu teuer angehängt und ihnen empfohlen, auf dem gleichen Weg – das heisst durch Inserate für Nebenverdienst oder ähnlich – weitere Dumme zu suchen und die Sache auf diese zu wälzen.» Statt Dosen werden heute 50-fränkige Broschüren mit Allgemeinplätzen untergejubelt.
  7. Vertriebsverträge
    «Anknüpfungspunkt ist gewöhnlich ein Inserat, in dem Interessenten goldene Berge versprochen werden», schrieb der Beobachter 1931. In einer Unterredung wurden die Opfer bearbeitet, bis sie einen für sie ungünstigen Vertrag für den Weiterverkauf von Waren unterschrieben. «Mögliche Bedenken werden durch das Argument zerstreut, dass die Ware schnell verkauft oder an Untervertreter weitergegeben ist.» Natürlich sind die Produkte bar zu bezahlen.

    Ein Trick, der nach wie vor zieht: So gewann zum Beispiel die Firma Incen Dutzende Schreiner für die angeblich lukrative Montage von Luftfiltern, vertuschte aber geschickt den damit verbundenen Warenverkauf für Tausende von Franken. Das Ganze war ein Flop; vor allem die versprochene Zusammenarbeit mit Ärzten war nur warme Luft.

    Verkappte Kaufverträge unterschrieben auch zahlreiche Kleingewerbler bei der Firma Vidamed – für den Vertrieb von Luftfiltern und Wasserschutzkissen. Die Abnehmer blieben darauf sitzen. Geschätzter Schaden: 80 Millionen Franken. Die Gerichte beschäftigen sich noch heute mit dem Fall.
  8. Schneeballsystem
    Eine Abzockermasche nach dem Motto «Die letzten beissen die Hunde». Weil kaum jemand etwas gegen ein paar zusätzliche Tausender einzuwenden hat, finden schneeballartige Geldvermehrungssysteme seit Jahrzehnten Anhänger.

    Wie das geht, ist in einem Beobachter aus dem Jahr 1933 nachzulesen – am Beispiel einer englischen Firma, die wertlose Banknotentaschen vertrieb. «Jedem Käufer wird eine Nummer zugeteilt und eine Anzahl Formulare zugestellt, mit denen er weiter Opfer suchen soll. Vom vierten Opfer an erhält er eine Provision, und zwar nicht nur von den verkauften Stücken, sondern auch von denen, die sein Opfer weiterverkauft. Die Provisionen für die drei erstverkauften Taschen erhält jeweils der, der dem Verkäufer die Taschen geliefert hat.»

    Für all jene, die nicht mitkommen: «Es handelt sich um eine höchst komplizierte Rechnung. Wer im Glauben an einen Verdienst mitmacht, hat keinerlei Kontrolle über den Gang der Dinge.» Diese Vertriebsart heisst heute Strukturvertrieb oder Multi-Level-Marketing. Wer dabei von Anfang an mitmischelt, verdient tatsächlich leichtes Geld. Für Späteinsteiger endet der Geldsegen, wenn alle Bekannten mit Waren eingedeckt sind, die Drahtzieher das Weite gesucht haben – oder im Knast sitzen. Ist das Ganze mit Warenbezug verbunden, gibt es bei einem Zusammenbruch des Systems Hunderte von Geschädigten; wie in den Fällen der Holiday Magic in den siebziger Jahren oder der Gem-Collection und der Z AG in den achtziger Jahren.
  9. Partnervermittlung
    Den passenden Partner zu finden ist nicht leicht. Einfacher ist es, dabei viel Geld zu verlieren. Denn hinter Selbstinseraten von Heiratswilligen verbergen sich oft unseriöse Partnervermittler. Einsame Herzen, die sich von den Versprechen der Agentur blenden lassen, müssen eine hohe Vorauszahlung leisten. Auch wenn der Kuppler keinen Prinzen herzaubert, präsentiert er eine saftige Abrechnung. Garantiert ist nur die Enttäuschung.

    Das musste schon 1932 ein Beobachter-Leser erfahren, der 50 Franken zahlte und sich auf einer Liste eine «Berliner Schönheit» mit 180'000 Goldmark Vermögen aussuchte. Falls er noch lebt, träumt er vielleicht weiter vom reichen Mädel.
  10. Spekulationsgeschäfte
    Die Gier nach hohen Renditen lässt bei vielen wichtige Teile des Hirns ausklinken. Nur so ist zu erklären, dass jemand sauer erspartes Geld in Luftschlösser steckt. Schon in den dreissiger Jahren warnte der Beobachter vor dem «Animierbankenschwindel». Etwa vor der «Bank of London», die den Kauf von Aktien der Firma Foster Clark empfahl und tolle Börsengewinne in Aussicht stellte. Nur leider: Die Bank war in London unbekannt.

    Später krochen die Profitjäger Wechselbetrügern auf den Leim. So verloren viele Anleger Tausende von Franken mit dem Handel von skurrilen Bankgarantien. Und in den neunziger Jahren fielen Sparer massenweise auf die versprochene Rendite von 71 Prozent beim Kauf von Letters des European Kings Club herein.

    Finanzmafiosi verstecken sich heute oft hinter dubiosen Optionsfirmen, die es mit gekonntem Telefonterror immer wieder schaffen, Anleger zu Geschäften zu überreden. Hauptsache, das einbezahlte Geld vervielfacht sich dank geschickter Spekulation mit Schweinebäuchen, Kakao oder Devisen innert Tagen um ein Mehrfaches. Was es dann leider nicht tut.
  11. Provisionsverkauf
    Die Devise heisst hier «Umsatz bolzen». Das Produkt ist Nebensache, die Schulung der Agenten ebenfalls. «Der Neuling wird in der Theorie der Augen- und Fingernageldiagnostik zirka zwei Stunden unterrichtet oder besser abgerichtet und darauf der Obhut eines Chefreisenden übergeben, der ihn einen Tag auf seine Tour mitnimmt», erklärte der Beobachter in seinen Anfangsjahren.

    Am nächsten Tag werde der flügge Kurpfuscher auf Kranke losgelassen, um möglichst viele Geissenbartkuren zu verkaufen. Vom Verkaufspreis erhalte er bis zu 50 Prozent Provision. Dann erkundige sich der Kurpfuscher nach weiteren Adressen und verkaufe das gleiche Heilmittel zur Behandlung einer ganz anderen Krankheit. Vom versprochenen Monatseinkommen von 1200 Franken sahen die meist Arbeitslosen jedoch nur einen Bruchteil.

    Diese Geschichte könnte mit neuen Akteuren im diesem Heft stehen. Der Kurpfuscher wäre dann ein ungeschulter Allfinanzberater eines fragwürdigen Strukturvertriebs, das «Heilmittel» irgendeine Lebensversicherung.