Rudolf Christoffel traute seinen Augen nicht: 3'856'000 Franken in bar sollte er in der australischen Lotterie gewonnen haben. Um diesen Gewinn zu erhalten, sollte der 71-Jährige aus Zernez GR den Lotterieveranstaltern innert 14 Tagen seine Kreditkartennummer mitteilen. Christoffel überlegte nicht lange und tat dies per Post. Hätte er die Sache hinterfragt, wäre ihm wahrscheinlich schnell klar geworden: Für die Auszahlung eines Lotteriegewinns ist die Kreditkartennummer gar nicht nötig. Und die australische Lotterie gibt es gar nicht - es handelt sich um ein fiktives Gewinnspiel. Den angeblichen Lotterieveranstaltern ging es bei der Aktion nur darum, mit den erlangten Kreditkartendaten auf Christoffels Kosten einzukaufen.

«Bei fiktiven Lotterien handelt es sich klar um Betrug», sagt Denise Lörtscher von der Sektion Lotterie und Wetten beim Bundesamt für Justiz. «Die Organisationen, die dahinterstehen, operieren weltweit. Um die angeblichen Gewinner zu täuschen, tragen die Lotterien Bezeichnungen, die denjenigen der staatlichen Lotterien sehr ähnlich sind.» Sie heissen «European Lotteries», «Euromillones loteria international», «The International Lottery» oder «Overseas Euro-Afro-American Lottery». Die Gewinnankündigungen kommen per Spam-Mail, Post oder Fax.

Die Betrüger sind schwer zu finden

Um Geld zu erhalten, sollen die angeschriebenen Personen ihre Adresse, Kreditkartennummer oder Bankverbindung bekannt geben oder sich unter einer bestimmten Anschrift oder Telefonnummer melden. Mit der Mitteilung, dass der Gewinn verfalle, wenn nicht rechtzeitig geantwortet werde, werden die Adressaten zusätzlich unter Druck gesetzt. Zudem verlangen die Absender «Bearbeitungsgebühren». Sobald diese Geldbeträge überwiesen sind, hören die Geschädigten nichts mehr - die einbezahlten Gelder sind verloren.

Dem Beobachter-Beratungszentrum sind Fälle bekannt, in denen Hoffnungsvolle mehrere tausend Franken überwiesen haben. Lörtscher: «Für die Strafverfolgungsbehörden ist es schwierig, an die Personen hinter den Organisationen zu kommen. Die Telefonnummern, unter denen sich die vermeintlichen Gewinner melden müssen, sind oft nur für kurze Zeit aktiv, und die angegebenen Adressen sind meist Postfachadressen.» Am besten reagiert man auf solche Gewinnankündigungen nicht und wirft sie in den Papierkorb, auch wenn es einem schwer fällt, den Verlockungen zu widerstehen.

Lotterien sind beliebt: Im Jahr 2005 gab jeder Schweizer durchschnittlich 368 Franken für Lotterie- und Wetteinsätze aus. Unzählige Lotterieangebote verlocken zum Spiel, doch viele sind illegal. Bei welchen kann man bedenkenlos mitmachen?

In der Schweiz brauchen Lotterien eine Bewilligung, und die bekommen sie, wenn sie gemeinnützige und wohltätige Zwecke verfolgen. Bewilligt sind Gross- und Kleinlotterien. Grosslotterien werden von der Swisslos (Deutschschweiz, Tessin und Fürstentum Liechtenstein) und der Loterie Romande (Westschweiz) durchgeführt. Neben dem «Swiss Lotto» und den 2004 lancierten «Euro Millions» fallen darunter zahlreiche Arten von Rubbel- oder Aufreisslosen, die unter anderem an Kiosken, Poststellen und Tabakwarenläden angeboten werden. Populär sind Lose wie «Benissimo», «Millionenlos», «Minisafe», «Podium» und «Win for Life».

«Am umsatzstärksten sind die ‹Euro Millions›», erklärt Willy Mesmer, Betriebsleiter von Swisslos. Hier spielen Teilnehmende aus verschiedenen europäischen Ländern um den millionenschweren Jackpot. Die Lotteriegesellschaften der einzelnen Länder führen «Euro Millions» nach eigenen Teilnahmebedingungen und auf eigene Rechnung durch. In wichtigen Punkten sind die Regeln jedoch in allen Ländern einheitlich. Der Jackpot bei «Euro Millions» ist um einiges höher als beim «Swiss Lotto», aber die Gewinnchance liegt wesentlich tiefer: Laut Mesmer beträgt die Gewinnquote bei den «Euro Millions» 1:76 Millionen, beim «Swiss Lotto» hingegen 1:8 Millionen.

Die Schweiz ist ein attraktiver Markt

Die legalen Kleinlotterien finden hauptsächlich an gemeinnützigen Anlässen von kantonaler Bedeutung statt, etwa Musik-, Turn- oder Schwingfesten. Beliebt sind vor allem Bingospiele, deren Gewinne in Sach- oder Geldpreisen bestehen. Tombolas, deren Gewinne nur in Sachwerten bestehen, fallen nicht unter das Lotteriegesetz.

Ist eine Lotterie in der Schweiz nicht bewilligt, ist sie illegal. Dazu gehören auch ausländische Lotterien, die seit Jahren um den attraktiven Schweizer Markt buhlen. Die blosse Teilnahme an ihnen ist dagegen straffrei. Denise Lörtscher vom Bundesamt für Justiz weiss: «Dauerbrenner sind die Süddeutsche und die Nordwestdeutsche Klassenlotterie.» Die Veranstalter werben hartnäckig per Telefon und per Post. Lörtscher: «Wenn die Post merkt, dass es sich um Werbung für ausländische Lotterien handelt, schickt sie die Schreiben an die Absender zurück. Mittlerweile sind diese Schreiben allerdings so neutral gestaltet, dass sie nicht mehr ohne weiteres als Werbung erkennbar sind.»

Trotz dem Einschreiten der Behörden lässt sich das illegale Werben der Lotterien nicht unterbinden. Geringe Bussen oder selten verhängte Gefängnisstrafen schrecken die Lotterieveranstalter oder -vermittler nicht ab. Neu gehen auch ausländische Vermittler von «Euro Millions» in der Schweiz auf Kundenfang. Lörtscher: «Die Werbung von ausländischen Veranstaltern oder Vermittlern in der Schweiz dürfte illegal sein, selbst wenn für die in der Schweiz bewilligten ‹Euro Millions› geworben wird. Allerdings liegt diesbezüglich noch kein gerichtlicher Entscheid vor. Letztlich ist es Sache der Justiz, darüber zu entscheiden.»

Rudolf Christoffel weiss unterdessen, dass er vergebens auf das grosse Geld wartete. Da der 71-Jährige auch um sein Konto bangte, blieb ihm nichts anderes übrig, als umgehend seine Kreditkarte zu sperren.


  • Bei Gewinnankündigungen auf keinen Fall Geldbeträge überweisen und keine persönlichen Daten (Adresse, Telefonnummer, Bankverbindung und Kreditkartennummer) weitergeben. Angebote für fiktive Lotterien am besten in den Papierkorb werfen.

  • Das Mitspielen bei ausländischen Lotterien ist straffrei.

  • Bei legalen Lotterien im Auge behalten: Das Ganze ist ein Spiel. Die Einsätze sollen finanziell nur so hoch sein, dass man ihren Verlust problemlos verkraften kann.