Sie wissen, wie man Geld aus Leuten holt, die keins mehr haben. International vernetzte Abzocker locken mit Krediten, die ihre Opfer nie erhalten werden. Vielmehr reden sie von «Finanzsanierung» – und haben es auf Vermittlungshonorare und Raten abgesehen.

Die Lockvögel

Alles beginnt mit Google. Die 55-jährige Monika Suter* sucht nach «Kredit». Sie ist unerwartet entlassen worden, braucht dringend Geld. Die Bank will ihr aber ohne regelmässiges Einkommen nichts geben. «Ich musste noch letzte Raten für einen Kredit abbezahlen, den ich für eine teure Autoreparatur aufgenommen hatte», sagt Suter. Und sie sucht eine billigere Wohnung, um mit dem Arbeitslosengeld durchzukommen. Sie gerät in Panik. «Wenn ich jetzt betrieben Betreibungen Wie Sie das Schlimmste verhindern werde, bekomme ich auch keine günstigere Wohnung.»

Urkunde

«… wir konnten die Angaben in Ihrem Antrag erfolgreich verifizieren.» Antwort auf eine Kreditanfrage über 12'000 Franken, die der Beobachter machte – mit frei erfundenen Personalien.

Quelle: Beobachter

Suter ist ein perfektes Opfer für die Kreditabzocker. Ihr Netz legen sie weit aus. Dutzende Internetseiten mit der Schweizer Domain «.ch» und «Kredit» im Namen gaukeln schnelle Hilfe vor. Sie heissen schweiz-credit.ch, fix-credit.ch oder – wie im Fall von Monika Suter – go-kredite.ch.

Die Website wird Suter zum Verhängnis. Im Eingabefeld füllt sie ihren Geldbedarf und die Anzahl Raten aus. Dass dort von einem «Schuldenbetrag» und nicht vom «Kreditbetrag» die Rede ist, macht sie nicht stutzig. Für die Abzocker aber ist das entscheidend. Kreditgeschäfte brauchen in der Schweiz eine Bewilligung. Die haben sie nicht. Noch etwas haben sie gemeinsam: Ihre Hauptsitze sind Briefkastenfirmen in England, viele an derselben Adresse.

Die Vermittler

Per Mail wird Monika Suter gebeten, Unterlagen nachzureichen: Identitätsnachweis, Bankverbindung, monatliche Fixkosten und eine Lohnabrechnung. Aber einen Arbeitgeber hat sie ja nicht. Die Mail kommt nicht etwa von go-kredite.ch, sondern von einer Bonfin Gruppe AG. Die existiert tatsächlich in der Schweiz und hatte bis im Januar eine c/o-Adresse bei einer Privatperson in Zürich. Heute ist es ein schludrig beschrifteter Briefkasten in einem Zürcher Gewerbehaus. Während der Beobachter recherchiert, benennt sich die Firma in Finanz-Gruppe Schweiz AG um, und der einzige Verwaltungsrat Claus Lüllau tritt zurück. Im Internet bietet sich die Firma immer noch mit altem Namen an. Und die Korrespondenz mit dem Beobachter wird über die nicht mehr gültige c/o-Adresse geführt. Er habe die Bonfin kürzlich verkauft, teilt Lüllau mit. Nur übergangsmässig sei er noch beratend tätig.

«Wir haben Ihre Angaben verifiziert (…)»

Zwei Tage nach Einreichen ihrer Unterlagen erhält Monika Suter positiven Bescheid. Die Bonfin habe ihre Angaben verifiziert und einen «potenziellen Vertragspartner» gefunden. Angehängt ist eine Urkunde über eine Finanzsanierung in gewünschter Höhe – und ein Einzahlungsschein. Wenn Suter 900 Franken Vermittlungshonorar zahle, erhalte sie die Vertragsunterlagen des «Vertragspartners». «Ich war zwar irritiert, dass eine weitere Firma ins Spiel kommt. Aber ich brauchte den Kredit dringend.»

Der Beobachter wollte wissen, wie eine Abklärung durch Bonfin abläuft. Er stellte ein Kreditgesuch für eine frei erfundene Person mit nicht existierender Wohnadresse. Die Aufforderung, weitere Dokumente einzusenden, ignorierte er. Zwei Tage später der positive Bescheid mit Einzahlungsschein: «Wir haben Ihre Angaben verifiziert (…)».

Die Sanierer

Nachdem Suter bezahlt hat, meldet sich eine Apollo Financial Consultants Ltd. Sie unterbreitet eine «Finanzlösung» mit Raten über 70 Monate. Zuerst aber soll Suter eine «Sicherheitsleistung» von fast 3000 Franken überweisen. Eine Apollo Financial Consultants Ltd. existiert nicht in der Schweiz. Auch keine Rothstein, Mandl & Partner, die in anderen Fällen auftritt. Es sind englische Briefkastenfirmen.

Die Kassierer

Auch in England können solche Firmen nicht einfach ein Konto eröffnen. Kunden sollen die Raten daher in die Schweiz überweisen, etwa an die InOne GmbH oder die Esepa Finance GmbH, beide in Zürich. Die Esepa hat ihren Hauptsitz im deutschen Nürnberg. Und einen Briefkasten an derselben Adresse wie die Bonfin-Gruppe. Wohin das Geld letztlich fliesst, ist unklar. Viele Spuren führen nach Deutschland.

Einen Kredit erhalten die Kunden von keiner der Firmen. Angeblich werden ihre Schulden von den Sanierern direkt bei den Gläubigern getilgt. Viele Opfer wachen erst auf, wenn sie trotz solcher Versprechen betrieben werden. Der St. Galler Anwalt Simon Epprecht vertritt zahlreiche Betroffene und hat mehrere Strafanzeigen eingereicht. «Mir ist kein Fall bekannt, in dem Gläubiger direkt Geld erhalten hätten. Oft wurden sie nicht mal kontaktiert.» Dagegen seien die Opfer meist bis zum Schluss überzeugt, sie würden einen Kredit erhalten. «Telefonisch sei ihnen das immer wieder bestätigt worden.»

Ex-Verwaltungsrat Lüllau sieht es anders: «Dass es um Schuldensanierung Schulden Warnung vor unseriösen Schuldensanierern und nicht um Kredite geht, steht in allen Unterlagen. Es obliegt den Kunden, Offerten genau zu prüfen.» Die meisten seien zufrieden. Für Lüllau spricht auch nichts gegen die Kooperation mit Partnern in England. Für unzufriedene Kunden schon. Gegen britische Briefkastenfirmen juristisch vorzugehen, ist recht aussichtslos.

Der Bund soll ermitteln

In mehreren Kantonen laufen Verfahren gegen das internationale Kredit- und Sanierungsnetzwerk. Es geht um Verdacht auf Betrug, Veruntreuung, unlauteren Wettbewerb und Geldwäscherei.

Der Thurgauer Staatsanwalt Marco Breu sagt: «Die Fälle sind äusserst aufwendig, weil die Firmen international agieren.» Daher beantragen die Kantone, dass die Bundesanwaltschaft übernimmt. Wer stark verschuldet ist, sollte sich an seriöse Schuldensanierer wenden. Diese verlangen weder Vermittlungshonorare noch Sicherheitsleistungen. Infos zu seriösen Angeboten findet man auf www.schulden.ch und bei Guider (siehe unten).

Das Geschäft mit den Verschuldeten

Dutzende Websites wecken die Hoffnung auf einen Kredit, auch wenn man bei der Bank keinen mehr erhält. Die Firmen laufen über die Schweizer Domain «.ch», doch dahinter stecken Briefkastenfirmen in England.

Wer sich bewirbt, erhält Post von einer Schweizer Firma. Die behauptet, einen «Finanzsanierer» gefunden zu haben, und verlangt für die Vermittlung ein Honorar.

Wer bezahlt, wird von einer englischen Briefkastenfirma angewiesen, Raten zu zahlen. Das Geld fliesst zu einer Schweizer Firma. Der Kunde erhält aber weder einen Kredit, noch werden seine Gläubiger direkt bezahlt.

Illustration der Kredit-Krake
Quelle: Andrea Klaiber
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Peter Johannes Meier, Ressortleiter
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