Magier Guerin spürt bei Johann R. «negative Wellen» - ohne ihn je gesehen zu haben. Dafür schreibt er: «Das kann so nicht weitergehen» und empfiehlt den Kauf von «wundervollen Geheimpräparaten». Weil Johann R. nicht reagiert, folgt ein zweiter Brief. In gedruckter Handschrift heisst es da: «Ich bin besorgt um Sie.» Johann R. soll einsehen, dass er ein Problem hat, und sich endlich helfen lassen - für 220 Franken.

Fernheiler wie Guerin gibt es viele, aber nicht alle gibt es wirklich. An Guerins Postadresse etwa sind mehrere Direktmarketing- und Versandhandelsfirmen domiziliert. Zur Sorte der virtuellen Heiler zählt auch die Wahrsagerin Marie Duval. Ihre Briefe entstehen bei der Firma Direct Home Shopping in Lausanne. Auch Wahrsager mit eigener Praxis werben aggressiv. Hellseher Hanussen duzt in Briefen potentielle Käuferinnen seines Werks und spricht gleich von gemeinsamer Zukunft: «In ewiger Liebe, Dein Hanussen.»

Doch oft verfliegt so ferne ewige Liebe schnell: Hans H. etwa suchte mit seinen Problemen Heinz Bader in St. Gallen auf. Dieser betreibt dort eine Praxis für Parapsychologie. Nach einem ersten Gespräch wollte Hans H. Bedenkzeit. Später rief er an, er ziehe sich zurück: «Das Gerede von Schwarzer und Weisser Magie kam mir komisch vor.»

Der Besuch hatte Folgen. Bader stellte gesalzene Fr. 532.50 in Rechnung. Begründung: «Hans H. hat mir einen klaren Auftrag erteilt.» Was dieser bestreitet. Bader räumt ein, dass es nichts Schriftliches gebe - seine Arbeit basiere «auf gegenseitigem Vertrauen». Für Vertrauen wirbt auch Fernheiler Kuster aus Berikon AG - mit Inseraten glücklicher Menschen und einer Broschüre im Internet. Die Fotos seiner Kundschaft liest er in den Computer ein. Das ermöglicht ihm, seine täglich zwanzigminütige Fürbitte pro Patient gleich am Bildschirm zu erledigen.

Fragt sich nur, was eine Fernbehandlung per Foto bringt. Am Institut für Naturheilkunde der Universität Zürich soll ein Test mit Diabeteskranken Aufschluss über die Wirkung von Fernheiltherapien geben. Bereits abgeschlossen ist eine Studie im Auftrag der Basler Psi-Tage. Sie testete die Wirksamkeit von Fernheilungen bei sechzig untherapierbaren Patienten; davon liess sich die Hälfte per Foto fernbehandeln. Das Resultat ist ernüchternd: Zwar vermeldeten einige Patienten eine Besserung von Symptomen, geheilt wurde aber niemand.

Stichwort Fernheiler
Das "Fernbehandeln", die angebliche Ubertragung von "Heilenergien" über beliebige Entfernungen hinweg, zählt zu den rätselhaftesten Formen geistigen Heilens. Die übermittelten "Heilkräfte" sollen zielgenau, selbst zu anderen Kontinenten hin, einen bestimmten Empfänger erreichen können, ohne sich dabei im geringsten abzuschwächen. Was Heiler im persönlichen Kontakt mit Hilfesuchenden bisweilen zustandebringen, wird von Kritikern gewöhnlich auf die Glaubensbereitschaft der Behandelten ("Placebo-Effekt"), auf Suggestionen und die charismatische Erscheinung des Heilers zurückgeführt. Dieser Faktor fällt weg, wenn der Klient von seinem Therapeuten Hunderte von Kilometern entfernt ist, ihm vielleicht niemals begegnete - und womöglich nicht einmal weiss, dass auf Distanz mit ihm gearbeitet wird.