Importware statt Schweizer Qualität
Während Jahren wurden deutsche Dachziegel als einheimische Qualitätsziegel aus Laufen verkauft. Heute, wo die Folgen sichtbar werden, will niemand mehr dafür verantwortlich sein.
Veröffentlicht am 16. Juli 2007 - 17:39 Uhr
Geplant waren lediglich zwei neue Dachfenster, jetzt muss Familie Fankhauser im bernischen Roggwil mindestens das halbe Dach neu decken lassen. Bei den Bauarbeiten zeigte sich, dass viele Ziegel auf der Unterseite stark beschädigt waren. Der Ton zerbröselte während Jahren unbemerkt, und so konnte Regenwasser durch die beschädigten Ziegel in die Dachkonstruktion eindringen.
Erst 1990 hatten Fankhausers das einstige Bauernhaus aufwendig umgebaut. Damals liessen sie auch das Dach neu decken - mit Laufener Ziegeln. Doch nun stellt sich heraus: Das vermeintliche Schweizer Qualitätsprodukt stammte aus dem deutschen Kandern. Auf der Rückseite der Ziegel war nicht nur Datum und Typ eingeprägt, sondern auch der Schriftzug «Tonwerke Laufen - Kandern».
Immer mehr Fälle kommen ans Licht
Dieser Schriftzug hatte für die Familie Fankhauser keine weitere Bedeutung. In der Dachdeckerbranche aber ist seit Jahren bekannt: Solche Ziegel waren zwar typengleich wie die Laufener Produkte, stammten aber eben aus Deutschland und wurden folglich aus anderem Rohmaterial gefertigt. Miriam Fankhauser sagt: «Wir waren im Glauben, Laufener Ziegel zu kaufen, erhielten aber ein minderwertiges Importprodukt.»
So wie Fankhausers ging es in Roggwil noch zwei weiteren Familien. Auch deren Ziegel hielten nicht 30, 40 oder 50 Jahre wie sonst üblich, sondern nicht einmal 20 Jahre. Auch diese beiden Familien liessen ihre Dächer Anfang der neunziger Jahre neu eindecken - ebenfalls mit den Ziegeln aus Kandern.
Die Arbeiten für alle drei Dächer wurden damals vom örtlichen Dachdecker ausgeführt. Der inzwischen pensionierte Hansueli Röthlisberger beteuert, die Ziegel in Laufen bezogen zu haben. Preisunterschiede habe es keine gegeben - sprich: Er habe nicht günstige Importware eingekauft und als teureres Laufener Original weiterverkauft. Röthlisberger: «Am Ziegel sah man keinen Unterschied, die Garantieleistung war die gleiche.»
Peter Hug, einst Röthlisbergers Mitarbeiter und heute dessen Geschäftsnachfolger, geht davon aus, dass es kaum bei diesen drei Schadensfällen bleiben wird. Tatsächlich liegen dem Beobachter bereits zwei weitere Fälle vor - aus Stetten SH und aus Ueken AG. Diese Ziegel wurden ebenfalls im deutschen Ziegelwerk Kandern produziert.
Garantiefrist abgelaufen
Wie lange die Laufener Ziegelei minderwertige Produkte aus Deutschland importierte, lässt sich heute kaum sagen. Die dem Beobachter vorliegenden Fälle verteilen sich aber immerhin über sechs Jahre.
Die deutsche Ziegelei gelangte 1959 in die Hände der Laufener. In den neunziger Jahren geriet die damalige Keramik Holding AG Laufen in wirtschaftliche Schieflage. Die Folge für die defizitären Tonwerke Kandern: Die 300 Jahre alte Ziegelei wurde 1998 kurzerhand stillgelegt. Heute ist die Laufener Ziegelei im Besitz der Firma ZZ Wancor, die zum weltgrössten Ziegelhersteller, dem österreichischen Wienerberger-Konzern, gehört.
Bei der ZZ Wancor betonen die Verantwortlichen, die vom Beobachter vorgelegten Fälle würden aus einer Zeit «ausserhalb unseres Einflussbereichs» stammen, so Geschäftsleiter Adolf Müller. Zudem sei die zehnjährige Garantiefrist abgelaufen. Die ZZ Wancor werde nun einzeln prüfen, ob eine Kulanzlösung in Frage komme. Zugleich sagt Müller: «Wer heute in Laufen einen bestimmten Ziegeltyp bestellt, kann sicher sein, dass das Produkt auch wirklich aus diesem Werk stammt.»