Jetzt ist es schon wieder passiert! Licht aus. Dunkelheit im Schlafzimmer. Keine Chance, den Krimi im Bett weiterzulesen. Zu einem Krimi entwickelt sich dafür die Geschichte mit den Leuchtmitteln.

Angefangen hatte alles, als die erste LED-Lampe LED-Leuchtmittel oft nicht ersetzbar Der Makel der Ökoleuchten viel zu früh den Geist aufgab. Pech, dachte man. Bald darauf: Exitus der nächsten Leuchte. Zufall? Ein paar Monate danach erwischte es die dritte LED-Lampe, nochmals ein halbes Jahr später gleich drei kurz hintereinander, zuletzt die Nachttischlampe.

Die Ausfallserie macht stutzig. Der Verdacht: Halten LED-Leuchtmittel womöglich viel weniger lang als die 15 Jahre, die auf der Verpackung angegeben werden?

«Die in den Leuchtmitteln ver­bauten Kondensatoren sind hauptverantwortlich für die frühzeitigen Ausfälle.»

Peter Jacob, Hono­rarprofessor an der Technischen Universität München

Also macht man sich auf Spurensuche. Der Elektriker prüft, ob mit der Netzspannung des Hausanschlusses etwas nicht stimmt. Nein – Spannung okay. Er kennt das Problem, hat aber keine plausible Erklärung dafür.

Einer, der Licht ins Dunkel bringen kann, ist Professor Peter Jacob. Der 66-jährige Physiker war bis 2021 Leiter des Zentrums für Elektronik und Zuverlässigkeit bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf ZH und amtiert als Dozent sowie Honorarprofessor an der Technischen Universität München.

Hauptschuldige gefunden

Wie der Pathologe das Mordopfer hat Jacob im Rahmen seiner Empa-Tätigkeit immer wieder defekte LED-Leuchtmittel obduziert. Seine Diagnose: «Die in den Leuchtmitteln verbauten Kondensatoren sind hauptverantwortlich für die frühzeitigen Ausfälle.»

Die auf der Verpackung angegebene Lebensdauer gelte nur für die Leuchtdioden. «Die verbaute Elektronik hingegen ist eine ganz andere Sache.»

Mit Elektronik Weihnachtsbeleuchtung Illegale Schadstoffe in Lichterketten ist das Vorschaltgerät gemeint, der sogenannte LED-Treiber. Es braucht ihn, vereinfacht gesagt, um einen konstanten Strom zu erzeugen, damit die Leuchtdioden überhaupt leuchten. Vorschaltgeräte bestehen unter anderem aus einem Trafo, Widerständen, Dioden und Kondensatoren.

Eine einfache und erprobte Technologie. Wo aber liegt das Problem? «Hauptsächlich in der Miniaturisierung», sagt Jacob. Betroffen seien die Retrofit-LED-Leuchtmittel, mit denen man die alten Glüh- und Halogenlampen sowie Leuchtstoffröhren ersetzt.«Aufgrund ihrer vorgegebenen Sockelgrössen muss die Elektronik, die sich darin befindet, extrem miniaturisiert werden», erklärt Jacob.

«Vom vorzeitigen Ausfall betroffen sind vor allem Retrofit-LED-Lampen, bei denen die Kondensatoren oft zu klein dimensioniert und häufig auch von minderer Qualität sind.»

Stefan Gasser, Präsident der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz (Safe)

Das betreffe etwa Widerstände oder Elektrolytkondensatoren. Früher sei es üblich gewesen, in Elektronikteilen höhere Sicherheitsmargen einzubauen – ein 24-Volt-Kondensator habe deshalb locker auch mal 40 Volt ausgehalten.

Aufgrund des Platzmangels im Sockel der LED-Lampe sei das heute nicht mehr möglich. Anders gesagt: Die Lampen laufen häufig am Limit. «Das gibt auf die Dauer Zuverlässigkeitsprobleme», sagt Jacob.

Ein weiteres Problem der Miniaturisierung: Im Retrofit-LED-Leuchtmittel wird es zu heiss, weil alles so extrem eng zusammengebaut ist und es kaum Platz hat, um Elemente für eine ausreichende Wärmeabfuhr zu integrieren.

Die Folge: Die Elektrolytkondensatoren altern schneller oder trocknen aus. Das führt erst zu Kapazitätsverlust, dann zu inneren Kurzschlüssen mit Totalausfall. «Wir haben es hier aber nicht mit geplanter Obsoleszenz zu tun», sagt der Physiker Jacob.

Es sei nicht die Absicht der Hersteller, die Lebenszeit extra zu verkürzen. «Sie haben aufgrund der engen Platzverhältnisse kaum eine Alternative.» Aber was ist mit der angegebenen Lebensdauer? Der Verdacht bleibt, dass hier etwas nicht stimmt.

Einer, der diesen Verdacht auch schon länger hegt, ist Stefan Gasser. Der diplomierte Elektroingenieur ETH/SIA ist Präsident der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz (Safe).

Auch er sagt: «Vom vorzeitigen Ausfall betroffen sind vor allem Retrofit-LED-Lampen, bei denen die Kondensatoren oft zu klein dimensioniert und häufig auch von minderer Qualität sind.»

Eine komplexe Sache

Zur Lebensdauer von LEDs im Industriebereich hat auch Ferdinand Keil von der Technischen Universität Darmstadt geforscht. Dabei stellte er grosse Qualitätsunterschiede fest – unter den Herstellern sowie innerhalb von Produktlinien derselben Hersteller.

«In billigeren LED-Produkten Lichtfarbe Alles eine Frage der Optik sind solche Unterschiede vermehrt zu erwarten», sagt Keil. Für den Totalausfall sei oft ein Defekt im LED-Treiber verantwortlich. Nicht immer handle es sich um den Kondensator.

Die Gründe für einen Ausfall sind laut Keil komplex: Dafür verantwortlich können etwa auch kurzfristige Überspannungsimpulse im Hausnetz, ein Blitzeinschlag in der Nähe oder alte, nur bedingt LED-taugliche Dimmer sein.

«Bei­ günstigen LED-­Leuchtmitteln lohnen sich ernsthafte Tests für die Hersteller nicht.»

Ferdinand Keil, Elektro­­ingenieur

Doch müssten die Hersteller aufgrund eigener Tests nicht schon längst wissen, dass ihre Angaben zur Lebensdauer für gewisse LED-Leuchtmittel kaum stimmen? Ferdinand Keils Einschätzung: «Bei günstigen LED-Beleuchtungen lohnen sich ernsthafte Tests für die Hersteller nicht. Sie dauern sehr lange und sind kostspielig.»

Das würde die Preise nach oben treiben, und die LED-Lampen wären nicht mehr konkurrenzfähig. Zudem könne es sein, dass das entsprechende Leuchtmittel gar nicht mehr hergestellt werde, wenn das Testergebnis bekannt sei. «Und beschleunigte Tests, etwa unter höherer Hitze und Luftfeuchtigkeit – wie wir sie in Darmstadt auch machen –, sind nur bedingt aussagekräftig.»

Aufwendige Ermittlung

«Diese Aussage kann ich zu 100 Prozent unterschreiben», sagt Peter Jacob. Um einen beschleunigten Alterungstest zu machen, müsse man die sogenannten Beschleunigungsfaktoren kennen.

Dazu gehören etwa Temperatur, Feuchtigkeit, Vibration, Staub oder Kälteschocks. «Nur schon die Ermittlung der längerfristigen zeitlichen Auswirkung eines einzigen solchen Faktors unter sonst feststehenden Betriebsbedingungen ist eine halbe Doktorarbeit», sagt Jacob.

Ein weiteres Problem: Bei den Tests können nur zwei bis maximal drei Faktoren gleichzeitig überlagert werden. Das Testergebnis bildet die Realität des Gebrauchs also nur teilweise ab. Experte Jacob spricht deshalb von «begrenzter Testbarkeit».

Das ist wohl mit ein Grund, warum etwa die deutsche Stiftung Warentest laut eigener Aussage «LED-Lampen schon seit einigen Jahren nicht mehr testet». Aufgrund der Recherchen und der Einschätzungen der Experten muss man also davon ausgehen, dass bis heute aussagekräftige Tests fehlen.

LED-Leuchten mit längerer Lebensdauer

Das Problem der Miniaturisierung der Elektronik betrifft vor allem die Retrofit-Leuchtmittel, die alte Glüh- oder Halogenlampen ersetzen. Bei Produkten, die von Anfang an als LED-Leuchten konzipiert wurden, sieht es meist besser aus. Denn dort kann die Elektronik separiert und grösser gebaut werden. «Die thermischen Probleme kommen hier kaum zum Tragen, weshalb man bei solchen Leuchtmitteln tatsächlich von einer längeren Lebensdauer ausgehen kann», sagt der Physiker Peter Jacob. Er glaubt, dass das gesamte Lampendesign neu überdacht werden muss und es in rund 50 Jahren Retrofit-LED-Leuchten in der heutigen Form nicht mehr geben wird.

Illustration einer LED-Leute
Quelle: Infografik: Beobachter/Sarina Joos

Nachfragen bei den grossen Anbietern Osram und Philips fallen unbefriedigend aus. Beide Hersteller verweisen darauf, dass sie ihr Geschäft mit LED-Beleuchtungen ausgegliedert hätten: Osram an die chinesische Ledvance und Philips an die niederländische Signify.

Letztere lieferte auf Anfrage keine verwertbaren Informationen zum Testverfahren und nahm auch nicht Stellung zu den Vorwürfen möglicher falscher Lebensdauerangaben. Genauso bei Ledvance: Die Firma weist einzig darauf hin, dass die europäische Marktaufsichtsbehörde ihre Produkte regelmässig überprüfe.

Eine Nachrecherche zeigt: Die Testbedingungen, wie sie in der entsprechenden EU-Verordnung beschrieben werden, sind nicht so ausgelegt, dass verwertbare Aussagen zur Lebensdauer möglich sind. Die Begründung der Behörde: «Die Prüfung von LED-Lampen über die gesamte Lebensdauer ist für die Marktaufsichtsbehörden nicht machbar.» Der Aufwand und die Kosten seien zu hoch.

«Der Aufwand für den juristischen Weg wäre riesig – mit unsicherem Ausgang.»

Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz

Der Verdacht liegt nahe, dass Angaben zur Lebensdauer bei Retrofit-LED-Lampen reine Spekulation sind.

Frage an Peter Jacob: Wenn die auf den Verpackungen angegebenen 15000 bis 20000 Stunden Lebensdauer nur für die Leuchtdioden gelten, nicht aber für den LED-Treiber – werden die Konsumentinnen und Konsumenten nicht in die Irre geführt? «Ja, so kann man das sehen», sagt der Professor. Wenn ein Hersteller das richtig spezifizieren würde, sänken wohl dessen Verkaufszahlen, vermutet er.

Weshalb hat bisher niemand etwas gegen diese vermuteten Falschangaben unternommen? Die Antwort kommt von Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz: «Der Aufwand für den juristischen Weg wäre riesig – mit unsicherem Ausgang.» Bei einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs müsse man beweisen können, dass es sich hier nicht nur um einzelne Ausfälle, sondern um ein grundsätzliches Problem handle.

Dafür wäre eine aufwendige Studie nötig. Da kommt wohl wieder die Krux mit der «begrenzten Testbarkeit» zum Tragen. Wenn die nächste LED-Lampe vorzeitig erlischt, bleibt einem nach wie vor nichts anderes übrig, als mit den Beweismitteln – Quittung und kaputte Lampe – die Verkaufsstelle aufzusuchen.

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