Haushalte müssen im nächsten Jahr durchschnittlich knapp einen Fünftel mehr für Strom ausgeben. Ein typischer Haushalt bezahlt dann 523 Franken mehr als noch vor fünf Jahren.

Die vielfältigen Gründe für den Strompreis-Hammer sind in den letzten Tagen rauf und runter diskutiert worden. Nur etwas wurde dabei verschwiegen: die Rolle der Politik im ganzen Desaster. 

Das Parlament war es nämlich, das 2017 auf Druck der Stromkonzerne ein eigentlich gutes Strommarktgesetz verschlechterte. Zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten, die – anders als Grosskunden – in der Grundversorgung gefangen sind und ihren Anbieter nicht frei wählen können. 

Der Ständerat stellt sich gegen Konsumenten

Grund für die Verschlechterung war ein Bundesgerichtsurteil, das die Konsumentinnen vor teureren Tarifen geschützt hätte. Das passte dem Ständerat nicht. Er änderte das Gesetz, um dem Urteil die Wirkung zu nehmen. Deshalb ist es den Stromversorgern heute möglich, den gefangenen Haushalten teuren Marktstrom zu verrechnen und den freien Grosskunden billigen Strom aus eigenen Kraftwerken. Federführend war damals unter anderen der inzwischen abgewählte Ständerat Beat Vonlanthen. Er hatte gleichzeitig einen hohen Posten in der Stromwirtschaft.

«Ihre Lösung ist gut für die Netzbetreiber. Die werden dankbar sagen: Ich gebe nur die Nachteile an die Haushalte weiter, die Vorteile gehören dann meiner Kasse.»

Doris Leuthard, damals Energieministerin, bei der Debatte im Ständerat

Wie negativ die Gesetzesänderung für die Haushalte ist, sah alt Bundesrätin Doris Leuthard voraus. Sie redete im Ständerat den Stromlobby-Parlamentariern sogar ins Gewissen: «Ihre Lösung ist gut für die Netzbetreiber, die werden dankbar sagen: Ich gebe nur die Nachteile an die Haushalte weiter, die Vorteile gehören dann meiner Kasse.» Die Gesetzesänderung sei «diskriminierend und nicht fair», sagte die damalige CVP-Energieministerin. «Ich möchte hier schon klar darlegen, dass das aus unserer Sicht nicht wahnsinnig klug ist.» 

Doch Gehör verschaffte sich Doris Leuthard nicht. Bei der Verrechnung der Energiekosten besteht seither ein Zweiklassensystem, in dem die Haushalte immer die Dummen sind: Ist der internationale Strompreis hoch (heute), betrifft es sie stärker. Ist der internationale Strompreis tief (vor Corona), haben sie weniger davon. 

Das Ziel: Grosskunden anlocken

Die Aufsichtsbehörde Elcom kritisierte vor wenigen Monaten genau das. Die Erhöhungen der Stromtarife 2023 seien mehrheitlich mit höheren Preisen für den Zukauf von teurem Strom am Markt begründet worden. Doch das sei nur die halbe Wahrheit. Bei einigen Stromversorgern sei die Tarifanhebung auch das Resultat einer geänderten Abrechnungsmethode. Günstiger Strom aus Eigenproduktion, der bislang prioritär an Haushalte in der Grundversorgung verkauft wurde, sei teilweise durch teureren Marktstrom ersetzt worden, schrieb die Behörde. 

Stromversorger machen das, um Grosskunden mit möglichst günstigen Tarifen anlocken zu können. Denn diese können ja – im Unterschied zu den Haushalten – wechseln, wenn es ihnen nicht passt. Die Elcom spricht von einer «gewinnoptimierenden Strategie zulasten der Endverbraucher in der Grundversorgung», die das heutige Gesetz zulasse. 

Die Politik wäre gut beraten, die Stromlobby-Gesetzesänderungen von 2017 rückgängig zu machen: Dem Artikel 4, Absatz 1 der Stromversorgungsverordnung könnte dann wieder ein Sätzchen angefügt werden. Beispielsweise: «Überschreiten die Marktpreise die Gestehungskosten, orientiert sich der Tarifanteil an den Gestehungskosten.» Die Folge: Stromversorger mit eigenen Kraftwerken müssten ihre günstigere Eigenproduktion prioritär den privaten Haushalten verrechnen. Die Preiserhöhung wäre für die Haushalte damit zwar nicht vom Tisch. Aber zumindest etwas abgemildert.