
Veröffentlicht am 30. Januar 2025 - 15:17 Uhr

Rätselhaft: Lena Berger und das Logo des gleichnamigen Shops, der nichts mit ihr zu tun hat
Der Tag beginnt komisch. Mit einem Tweet auf X, dieser seltsamen Social-Media-Plattform, die mal Twitter war. «Wenn die Existenz von Lena Berger als reale Person zweifelsfrei bewiesen werden kann, spende ich 500 Euro für einen guten Zweck», lese ich da.
C’mon, ich bin zwar auf X nicht mehr aktiv. Aber deswegen meine Existenz anzweifeln? In den Kommentaren schreibt jemand, es gebe diese Lena Berger, die sich da auf X so aktiv gegen prorussische Propaganda einsetze. Sie sei eine Journalistin und arbeite beim Beobachter.
Pöbeleien unter falschem Namen
Es stellt sich heraus, dass eine unbekannte Person sich meinen Namen als Pseudonym zugelegt hat. Und mit politischen Kommentaren zu Russland anscheinend derart provoziert, dass eine Art Kopfgeld auf mich ausgesetzt wurde.
Test: Kommt die Ware vom Fake-Shop wirklich?
Ich schreibe freundlich, ich sei Lena Berger, existiere tatsächlich – ich sei aber definitiv nicht die Gesuchte. Und denke, damit sei es getan: Nun bist du wieder Herrin über deinen guten Namen. Doch es kommt anders.
Ein verdächtiger Onlineshop
Denn der Tag endet so seltsam, wie er begonnen hat. Kurz vor Feierabend öffne ich eine E-Mail des Konsumentenschutzes. Ich durchforste die Liste der verdächtigen Onlineshops. Und entdecke: Auch hier wird vor Lena Berger gewarnt. Diesmal vor ihrem Kleidershop in Luzern.
«Der Rabatt ist einfach unschlagbar billig, versprochen wird teilweise sogar Markenware», heisst es in der Mail zu «meinem» Shop. Doch die sogenannten Dropshipping-Shops haben gar kein Warenlager, sondern bestellen selbst erst, wenn jemand bei ihnen was bestellt. Die Lieferung treffe entweder nicht ein, oder man erhalte Ware in billigster Qualität aus China. «Reklamieren? Fehlanzeige! Sie finden kein Impressum und damit keinen Kontakt.»
Keine vertrauenswürdige Website
Beunruhigt versuche ich, die Website des Shops aufzurufen. Von meinem Geschäftscomputer aus geht es nicht. «Proceeding to visit the site may violate your company policy», meint er. «Der weitere Besuch der Website kann gegen Ihre Unternehmensrichtlinien verstossen.»
Langsam kommt Panik auf. Ich versuchte es über das Handy. Und siehe da: «Hallo, ich bin Lena Berger, die stolze Besitzerin unseres gleichnamigen Bekleidungsgeschäfts», werde ich begrüsst. Ein Geschäft für «Träume und Kreativität». «Kommen Sie vorbei. Erzählen Sie uns Ihre Geschichte und lassen Sie uns Ihnen helfen, Ihren einzigartigen Stil zu verwirklichen.»
Ich will nicht die «Welt der Mode und des Selbstausdrucks entdecken». Ich will wissen, was es mit der Warnung des Konsumentenschutzes auf sich hat. Und vor allem: Was habe ich, Lena Berger, mit all dem am Hut?
Von wegen Shop: Parkhaus!
Auf der Konsumentenschutz-Website heisst es, der Shop habe keine gültige Adresse. Ich nehme das Impressum von Lena Bergers Laden unter die Lupe. Und erkenne den dort aufgeführten Strassennamen sofort. Ich bin Luftlinie 200 Meter davon entfernt aufgewachsen. Und weiss, was ortsfremde Kunden nicht wissen. Nämlich, dass dort ein Parkhaus ist.
Warum ich, warum ausgerechnet ich?, jammere ich innerlich.
Ich schaue im Grundbuchamt nach und stelle fest: Das Gebäude gehört der Suva. Und diese hat einen neuen Mediensprecher. Mein Primarschulgspänli Caspar van de Ven. Ich schreibe ihm eine offizielle Medienanfrage – und schicke eine inoffizielle Whatsapp-Nachricht hinterher, in der ich alles erkläre.
Auf offiziellem Weg schreibt er zurück: «Die Suva kann bestätigen, dass sich an der Zürichstrasse 35 das ‹City-Parking› befindet.» Abgesehen davon gebe es an dieser Adresse nur noch ein Schuhmacher- und Schlüsselgeschäft. «Der ‹Lena-Berger-Shop› ist daher definitiv keine Mieterin unserer Liegenschaft.» Auf inoffiziellem Weg schreibt er: «Was für eine Geschichte! Hirnexplodiertsmiley».
Ein sympathischer Name
Jetzt habe ich es schriftlich: Mit meinem Namen wird Schindluder betrieben. Oder etwa doch nicht? Vielleicht gibt es diese Lena Berger ja, und sie hat sich nur in der Adresse vertan? Zahlendreher, was weiss ich? Eine Mail ans Einwohnermeldeamt soll Gewissheit bringen. Nachdem ich lang und breit mein berechtigtes Interesse an der Adressauskunft begründet habe, schreibt mir der zuständige Sachbearbeiter freundlich, aber trocken: «Im Einwohnerregister der Stadt Luzern sind lediglich Sie mit dem Namen Lena Berger registriert.»
Ich will diese andere Lena Berger, diese böse Lena Berger, stoppen.
Schön zu wissen, dass man einzigartig ist. Aber was soll ich jetzt machen? Telefonat mit Lucien Jucker, dem zuständigen Juristen beim Konsumentenschutz. Er sagt, dass ihnen der Lena-Berger-Shop im Mai 2024 als verdächtig gemeldet wurde. «Danach werden die Meldungen von uns einzeln geprüft und ergänzt. Zum Beispiel werden die Unternehmen gesucht, die im Impressum angegeben werden.» Das Resultat: «Diese Lena Berger gibt es sehr wahrscheinlich nicht, nein. Es handelt sich meiner Einschätzung nach um eine Persona, die vom Dropshipping-Unternehmen benutzt wird, um menschlicher zu wirken.»
Mein Name wird also missbraucht, damit der Laden authentisch und sympathisch wirkt. Man könnte sich fast geschmeichelt fühlen. Aber hey, das ist meine Reputation, mit der ihr hier Kasse macht!
Danke für gar nichts, Chat GPT!
Warum ich, warum ausgerechnet ich?, jammere ich innerlich. Und stelle diese Frage – etwas weniger melodramatisch formuliert – Herrn Jucker. Leider hat auch er keine Erklärung, es fehle an Insiderwissen aus der Branche. Aber er hat eine Theorie: Wenn «Lena Berger» kein Zufallstreffer war, so ist es möglich, dass das Dropshipping-Unternehmen den Namen von einer KI generieren liess.
KI werden mit öffentlichen Quellen trainiert. Und mein Name taucht in vielen auf. In jedem Artikel, den ich je geschrieben habe – und in meinem KI-optimierten Autorinnenprofil. Wenn jemand nach einem Namen gesucht hat, der regional und seriös klingt, dann könnte die KI meinen ausgespuckt haben.
Danke für gar nichts, Chat GPT!, denke ich. «Das ist aber wirklich alles reine Spekulation, wir wissen es schlicht nicht», relativiert Lucien Jucker. «Genauso wie wir nicht wissen, wo das Unternehmen tatsächlich sitzt. Die Telefonnummer führt in die Niederlande, aber auch das sagt nicht viel aus.» Tatsächlich ist die Nummer immer besetzt. Egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit ich anrufe.
Die Polizei ist Lena Berger auf der Spur
Ich will diese andere Lena Berger, diese böse Lena Berger, stoppen. Jucker rät mir zu einer Strafanzeige wegen unlauteren Wettbewerbs (weil die Adresse nicht stimmt) und wegen Identitätsdiebstahl (weil der Name nicht stimmt). Das mache ich. Mit Genugtuung lese ich zwei Tage später, dass die Staatsanwaltschaft die Polizei mit Ermittlungen beauftragt habe.
Mich würde wundernehmen, mit welchen. Wird Lena Berger international zur Fahndung ausgeschrieben? Stürmen in diesem Moment bewaffnete Polizistinnen die Bude eines Computernerds in Holland? In meiner Fantasie schon. Aber in Wirklichkeit gibt es bei laufenden Verfahren keine Auskünfte. Es bleibt also abzuwarten, wie die Geschichte ausgeht. Bis die Schurkin festgenommen oder das Verfahren eingestellt wird, bleibt mir nichts anderes übrig, als es dem Konsumentenschutz gleichzutun. Und vor Lena Berger zu warnen. Bitte nichts bestellen da. Merci!
Quellen
- Konsumentenschutz: Liste der gemeldeten Dropshipping-Shops
- Internetarchiv Waybackmachine: Snapshot Lena-Berger-Shop
- Grundbuchamt Luzern: Eigentümerabfrage
- Suva: Schriftliche Auskunft betreffend Mieterschaft
- Einwohnermeldeamt Luzern: Schriftliche Adressauskunft
- Strafanzeige: Fallnummer SA1 24 13652 13
- Schriftliche und telefonische Medienanfrage (unbeantwortet)

1 Kommentar
Es gibt noch andere solche Shops, die es so aussehen lassen, als ob es Schweizer Firmen wären: meine Tochter und ich sind vor ein paar Jahren mal auf Geneva.ch (fake, haben wir leider erst zu spät gemerkt!) und Zürich.com (oder .ch) reingefallen, und haben bei Geneva auf ein Fest hin je ein Kleid bestellt, es dünkte uns, es sieht gut aus und war für ca. 38 Franken sehr günstig! Gekommen ist nach ca. 4 Wochen ein Polyesterkleid, das zwar hübsch aussah, jedoch niemals getragen werden konnte, die Qualität war ein dermassen billiger Polyester-Stoff, da schwitzte man schon beim Anziehen derart drin, dass man es niemals würde tragen können! Die Rücksendung war äusserst kompliziert und auf „eigene Verantwortung“ sowie auf „eigene Kosten“, und zwar hohen Kosten irgendwo ins Ausland, das Porto überstieg den Preis des Kleides! Also schmissen wir es besser fort, lieber als noch mehr dafür zu bezahlen! Etwas später entdeckten wir dasselbe Kleid für sage und schreibe 8.90 Franken bei Temu…..wer hätte das gedacht! Geneva.ch hat also auch noch einen satten Gewinn damit gemacht! Nie wieder!!