Viele krebskranke Frauen stossen auf Ablehnung, wenn sie ihr Befinden ehrlich äussern. So erging es auch Marianne Frei (Name geändert), die vor einem Jahr an Brustkrebs erkrankte. «Anfangs habe ich offen über meine Krankheit und die plötzlichen Veränderungen in meinem Leben gesprochen. Aber ich fühlte mich von meinen Freundinnen abgewiesen und nicht ernst genommen. Nun verstelle ich mich halt: Wenn ich unbeschwert wirke, reagiert meine Umgebung wie früher.»

Die 52-Jährige hat sich weder körperlich Psychoonkologie «Der Krebs macht mich müde» noch seelisch wirklich von ihrer Brustoperation und der anschliessenden Chemotherapie erholt. Gleichwohl hilft ihr die Verharmlosung, im Alltagsleben besser zurechtzukommen. Sie schützt sich damit vor sozialer Ausgrenzung wie auch vor ihren Zukunftsängsten, die die Krebsdiagnose ausgelöst haben.

Den Krebs verdrängen kann helfen – verleugnen aber schaden

Marianne Frei distanziert sich manchmal von der Realität, was ihr die Möglichkeit gibt, innezuhalten und sich schrittweise an die belastende Situation heranzutasten. Besonders wirksam war diese Schutzhülle unmittelbar nach der schockierenden Diagnose und der rasch durchgeführten Operation.

Psychiater stellen in ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit mit krebskranken Menschen immer wieder fest, dass ein gewisses Mass an Verdrängung hilft, die Ängste zu reduzieren. Wird die Verleugnung aber zu absolut, müssen die Betroffenen zu viel Energie aufwenden, um offensichtliche Widersprüche zu überbrücken. Das kann ihren Lebensgenuss übermässig einschränken, womit ein Stück Lebensqualität verloren geht. Ihre positive Wirkung verliert die Verleugnung dann, wenn sie einen davon abhalte, professionelle Hilfe zu beanspruchen.

Zwischen Freude und Verzweiflung

Für Marianne Frei, Mutter von drei Kindern im Alter zwischen 11 und 18 Jahren, wurde es zusehends schwieriger, die Verleugnung aufrechtzuerhalten – sie geriet in ein Dilemma: Einerseits war sie bemüht, weiterhin die aufopfernde Mutterrolle zu erfüllen, anderseits fühlte sie sich zeitweise völlig erschöpft und tief verzweifelt.

«In der Familie ist mein Krebs schon seit einigen Monaten kein Thema mehr. Kurz nach der Operation funktionierte ich zu Hause wieder genauso wie vorher. Es ist merkwürdig, aber bald einmal wurde es für meinen Mann und die Kinder zur Selbstverständlichkeit, dass ich zur Chemotherapie Chemotherapie Ingwer und Selen tun gut gehen musste. Hauptsache, zu Hause lief alles wieder wie früher.»

Wertvolle Hilfe von Betroffenen

Nachdem sie die Diagnose erfahren hatte, wollte Marianne Frei vor allem eines: ihr Befinden vor den Kindern verbergen, um sie zu schonen. «Ich konnte meine Kinder nicht traurig sehen. Sie sollten fröhlich und unbeschwert sein.» Einerseits tut es Marianne Frei gut, für ihre Kinder da zu sein. Anderseits schafft sie es nicht, für die Hausarbeit Unterstützung zu beanspruchen und sich dadurch zu entlasten.

«In der Selbsthilfegruppe muss ich nichts vortäuschen und lerne mich so besser kennen.»

Marianne Frei, Krebspatientin

 

Weil sich Frei niemandem im persönlichen Umfeld anvertrauen mochte, suchte sie den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe für brustoperierte Frauen. Inzwischen nutzt sie einmal pro Monat die Gelegenheit, über alles zu reden, was sie beschäftigt: «Von den anderen Frauen in der Gruppe werde ich genau so akzeptiert, wie ich bin. Ich muss nichts vortäuschen und lerne mich so besser kennen.»

Durch den Erfahrungsaustausch in der Gruppe ermutigt, will sie ihre eigenen Bedürfnisse stärker wahrnehmen und zu Hause auch mal Nein sagen, wenn sie überfordert ist.

Verleugnen verunsichert die Familie

Krebskranke Menschen versuchen das Bestmögliche aus ihrer Situation zu machen. Nur entspricht dies nicht immer den Erwartungen von Angehörigen und Freunden – sie sind verunsichert oder beunruhigt. Sandra Schäfer (Name geändert) zum Beispiel ist irritiert, wie sehr ihre Mutter den Krebs verharmlost. Die 66-Jährige zog sich aus ihrem Freundeskreis zurück; sie wirkt depressiv, wahrscheinlich hat sie auch Schmerzen. Doch es gelingt der Tochter nicht, Wesentliches über die Befindlichkeit ihrer Mutter zu erfahren. Sie weicht den Fragen der Tochter aus und lehnt jegliche Unterstützung ab.

Sandra Schäfer hat grosse Mühe damit, doch sie weiss, dass sie von ihrer Mutter nichts fordern kann, was diese nicht von sich aus geben will. Psychiater kennen diese Situation von ihren Patienten und raten: Die Verleugnung sollte nicht mit «Gewalt» aufgebrochen werden. Die Grenzen, die ein krebskranker Mensch festlegt, müssen respektiert werden. Wenn Angehörige eine Patientin begleiten, sollten sie auf deren Rhythmus Rücksicht nehmen, um sie nicht zu überfordern. Mit der Zeit wird der Erkrankte gewisse Türen öffnen.

Aus Rücksicht wird geschwiegen

Über Krebs zu reden ist in den meisten Fällen schwierig. Innerhalb der Familie kann das besonders schwer fallen, da man das Bedürfnis hat, sich gegenseitig zu schonen und weil die Angst vor den lebensbedrohlichen Folgen oft lähmt. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass das Reden über die eigene Krebserkrankung nicht für alle Betroffenen gleich wichtig und wohltuend ist.

Wenn nun eine Tochter mit ihrer kranken Mutter das Gespräch sucht, stehen sich womöglich völlig verschiedene Ansprüche gegenüber: Die jüngere Generation hat die Erfahrung gemacht, dass es entlastend ist, sich auszutauschen Kommunikation «Löst Reden Probleme?» , viele Eltern aber sind sich dies nicht gewohnt. Sie ziehen sich lieber zurück, um mit sich allein zu sein.

Ein Stück Angst bleibt immer

Es gibt aber auch Krebspatienten, die sehr viel über ihre Krankheit reden – und damit genauso irritieren und auf ablehnende Reaktionen stossen. Psychotherapeuten nennen dieses Verhalten «eine Flucht nach vorn».

Dahinter verbirgt sich oft eine besondere Form des Verleugnens: Es gibt Menschen, die sich vollkommen offen geben und das Gefühl vermitteln, die Krankheit im Griff zu haben. Trotzdem tut sich hinter dieser Fassade ein Abgrund auf: Die emotionale Verarbeitung hinkt der Krankheit hinterher. Entscheidet sich jemand für eine Psychotherapie, kann ein Ziel der Behandlung sein, das Verleugnen ein Stück weit aufzugeben, um emotionalen Blockaden zu lösen.

Lassen sich Ängste von krebskranken Menschen überhaupt überwinden? Diese Hoffnung haben viele Menschen, wenn sie in eine Psychotherapie gehen. Doch die Therapie kann kaum bewirken, dass jemand angstfrei wird; Ängste Panikanfälle Ein dunkles Leben mit der Angst im Nacken gehören zum Leben eines krebskranken Menschen. Vielmehr geht es darum, die Angst zu akzeptieren, Formen für den Umgang damit zu finden und sie ins Leben zu integrieren.

Weitere Informationen zu Hilfsangeboten für Familien

Unterstützungsangebot für Familien, bei denen ein Elternteil an Krebs erkrankt ist: www.famoca.ch

Selbsthilfegruppen für Krebsbetroffene und deren Angehörige

Auf der Webseite von Selbsthilfe Schweiz finden Krebskranke eine Liste von Selbsthilfegruppen. Die Liste liefert auch Adressen von Selbsthilfegruppen für Angehörige.

Wissen, was dem Körper guttut.
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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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