Sie waren 20 Jahre lang Freunde. Mitte der neunziger Jahre kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Guido A. Zäch und Marc F. Suter, damals FDP-Nationalrat, Vizepräsident der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) und Rechtsberater der Paraplegiker-Vereinigung (SPV). Aus Freundschaft wurde Feindschaft: Im Frühjahr 2000 zog Suter mit einer Strafanzeige seinen Förderer vor Gericht.

SPS-Präsident Zäch wurden nebst Bezügen in die eigene Tasche Engagements bei Hotelprojekten zum Verhängnis, bei denen er fast 30 Millionen Franken in den Sand setzte – Mittel der Gönnervereinigung (GöV). Suter warf Zäch vor, er habe bei diesen Geschäften jahrelang eigenmächtig gehandelt; sie seien über die GöV gelaufen und hätten sich der Kontrolle des Stiftungsrats entzogen.

Georges Streichenberg, über 20 Jahre lang Stiftungsratsmitglied und mit Suter in der Finanzkommission, sieht das anders. «Suter war immer über alles auf dem Laufenden. Man hat alle Auskünfte zu den finanziellen Engagements erhalten.»

In den Hotels verschwanden Millionen


Dies will Suter so nicht stehen lassen: Nach 1994 habe Zäch zwar auf Ersuchen von Streichenberg und Suter vereinzelt konsolidierte Rechnungen vorgelegt, doch diese hätten keine Angaben über die rechtswidrigen Immobiliengeschäfte enthalten.

Entzündet hatte sich der Streit am Hotel Engel in Dornach und am Businesshotel Herisau in Herisau, deren Betrieb sich als Fass ohne Boden erwiesen hatte. Die Basler Staatsanwaltschaft beziffert den entstandenen Schaden auf etwa 40 Millionen Franken.

Bei Marc F. Suter müssen die Alarmglocken schon früh geläutet haben. Bereits 1993 monierte er den hohen Kaufpreis für das Hotel Herisau. Und zur Situation des Dornacher «Engels» meinte er, es handle sich um «eine gut gemeinte Fehlinvestition auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms der achtziger Jahre».

«Man hätte als Stiftungsrat die Mittel und Möglichkeiten gehabt, zu intervenieren», sagt Bruno Ferrari-Visca, Leiter der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht. «Der Stiftungsrat als Ganzes trägt die Verantwortung für gefällte Entscheide.»

Warum reagierte Marc F. Suter damals nicht, da er doch um die Risiken der Immobiliengeschäfte wusste? Andere Stiftungsräte, die mit Zächs Geschäftsgebaren nicht einverstanden waren, traten zurück.

Nicht alle Immobilien waren verpönt


Bereits 1991 kritisierte der Stiftungsrat unter Suters Vorsitz das «Klumpenrisiko in Immobilien». Und die Revisionsgesellschaft KPMG Fides, die die Rechnungen prüfte, verlangte während Jahren einen Abbau des Liegenschaftenportefeuilles. Suter unterstützte diese Forderung – liess aber durchaus Ausnahmen zu.

So schlug er etwa 1997 ein Projekt für ein rollstuhlgängiges Hotel in Brissago vor. «Um die Preise für Rollstuhlfahrer attraktiv zu halten, ist eine Überwälzung der Anlagekosten auf die Nutzer hingegen nicht möglich», schrieb er zum Antrag, den er im Namen der SPV im Stiftungsrat vertrat – was bedeutete, dass man 30 Millionen Franken hätte abschreiben müssen. Der Stiftungsrat lehnte den Vorschlag ab.

Ende 1998 und Anfang 2000 schlug Marc F. Suter weitere Liegenschaftskäufe vor. In beiden Fällen ging es um Geschäftshäuser in Biel. Das eine Objekt hätte man laut Suters Antrag der Pensionskasse der Stadt Biel «vor der Nase wegschnappen» können – und Suter hätte sich anerboten, seine Anwaltskanzlei im Gebäude einzurichten. Auch einen Gastrobetrieb hätte er unterbringen wollen. Allerdings musste er eingestehen, dass die Bruttorendite mit sechs Prozent «etwas mager erscheinen mag». Im andern Fall schlug er vor, eine Liegenschaft zu erwerben, in der seine Kanzlei eingemietet war.

Obwohl es im ersten Fall ein schriftlicher Antrag an die GöV war, relativiert Suter, es sei nur eine Voranfrage gewesen. Im Übrigen habe man den Grundsatz gefasst, man könne Immobilien erwerben für Raumbedürfnisse von Paraplegikern. Der Erwerb dieser Immobilie habe dem Anlagereglement entsprochen.

Ab Sommer 1999 war Suter überzeugt, dass es bei Zächs Liegenschaftsgeschäften finanzielle Unregelmässigkeiten gegeben habe. Im September verlangte er an einer Stiftungsratssitzung, eine externe Revisionsfirma solle eine Untersuchung durchführen; Kosten: 140000 Franken.

An dieser Sitzung kam es zu einem Showdown. Suter warf zwei Stiftungsratsmitgliedern – beides Zäch-Vertraute – vor, sie seien nicht mehr tragbar. Zäch seinerseits verlangte von Suter «mehr Sachlichkeit und weniger launisches Verhalten».

Zäch wehrte sich zwar nicht gegen ein Audit, er befürchtete aber, dass Suter im Fall eines positiven Resultats nicht zufrieden sein werde, «an die Öffentlichkeit geht und ihn kaputtmachen» werde. Suter seinerseits befürchtete gemäss Protokoll dieser Stiftungsratssitzung, Zäch wolle ihn «mundtot» machen. Der Stiftungsrat hiess Suters Vorstoss schliesslich gut.

Marc F. Suter verfasste zuhanden der Treuhandfirma Atag den Fragenkatalog für die Untersuchung. Diese Prüfung ergab «keine Anhaltspunkte auf strafrechtlich relevantes Verhalten von Guido A. Zäch». Das Protokoll des Stiftungsrats vom Januar 2000 vermerkt, Suter habe «mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen können, dass keine strafbaren Tatbestände» vorlägen. Er versprach, Zäch «in aller Form und bei all seinen Tätigkeiten zu unterstützen».

Doch das Tischtuch war zerrissen: Suter trat als Vizepräsident des Stiftungsrats zurück. Dennoch schickte er zwei Tage später noch einen von Zäch mitunterzeichneten Brief an die Stiftungsaufsicht mit dem Hinweis, dass sich «weitere Untersuchungen erübrigen» würden.

Sinneswandel innert weniger Monate


Drei Monate später war die Situation radikal verändert: Suter reichte bei der Staatsanwaltschaft Basel eine 29-seitige Strafanzeige gegen Zäch ein. Er begründete sie unter anderem damit, «entscheidende Aspekte aus dem Abklärungsgegenstand» seien im Nachhinein «ausgeklammert worden». Kernpunkt der Anzeige: Die Bindung von Spendengeldern in Gastroanlagen habe zu einer verlustreichen Zweckentfremdung geführt. Doch weshalb hatte Suter die Ergebnisse der Untersuchung nur wenige Monate zuvor abgesegnet? Er habe das Gutachten am Abend vor der Sitzung erhalten. Eine Woche später sei er auf eine missbräuchliche Zahlung gestossen, die im Gutachten falsch datiert gewesen sei. Das habe ihn bewogen, das Gutachten zu überarbeiten. Dieses sei zudem in hohem Mass durch Zäch beeinflusst worden. Dass das Gutachten Zäch von allen strafbaren Vorwürfen freisprach, habe ihn zum Rücktritt als Vizepräsident der Stiftung bewogen.

Spannungen gabs schon seit längerem


Ein damaliger Stiftungsrat, der sich nicht namentlich äussern will, ist anderer Meinung: «Die Fragen waren umfassend. Ich finde den Vorwurf Suters seltsam, das Audit habe die relevanten Fragen nicht gestellt, nachdem er sie ja selber ausgearbeitet hatte. Ich begreife nicht, dass er nachher eine Strafanzeige einreichte.»

Tatsache ist, dass innerhalb der SPV, der Suters Institut für Sozial- und Rechtsberatung (ISR) angegliedert war, schon seit längerem dicke Luft herrschte. Als es im Stiftungsrat zum Eklat kam, warnte Suter seine Kollegen, er werde sich «gegen seine berufliche Herabsetzung mit allen Mitteln wehren» – eine Aussage, die sich als fast prophetisch erweisen sollte.

Im April 1998 war Thomas Troger zum neuen Geschäftsführer der SPV ernannt worden. Suter führte mit seinem ISR innerhalb der SPV eine Art Eigenleben. So foutierte er sich beispielsweise um die Geschäftsleitungssitzungen: Von 32 nahm er nur an deren zwei teil.

Das führte laut einem Protokollvermerk vom Oktober 1999 dazu, «dass grosse Informationslücken in wichtigen Geschäften bei MFS (Marc F. Suter, Anmerkung der Redaktion) entstanden seien, welche nachher zu Missverständnissen oder Mutmassungen seitens MFS führten».

Auch habe sich Suter gegen die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems gewehrt, wie es das Bundesamt für Sozialversicherung verlangte. Des Weiteren habe Suter sich geweigert, seine Mitarbeiter zu qualifizieren. Im Januar 2000 schrieb Suter in einem Brief an Zäch: «Ich bin nicht bereit, auf der bisherigen Basis mit Thomas Troger zusammenzuarbeiten.»

Das Vertrauen sei gegenseitig gestört, stellte die Geschäftsleitung dann vier Wochen später fest. Marc F. Suter habe in «der Vergangenheit sicher auch einiges von der SPV profitiert, ohne jedoch z. B. an den GL-Sitzungen in einem akzeptierbaren Rahmen teilzunehmen», kritisierte ein Geschäftsleitungsmitglied.

Im Februar 2000 beschloss der SPV-Vorstand einstimmig, der Delegiertenversammlung Suters Entlassung als Rechtskonsulent vorzuschlagen. Wenige Wochen nach diesem Entscheid reichte Suter seine Strafanzeige gegen Zäch ein.

Die SPV-Delegierten wählten Suter schliesslich am 15. April 2000 ab. Begründet wurde der Entscheid mit Suters Absenzen als Geschäftsleitungsmitglied, mangelnder Teamfähigkeit, mit fehlender Loyalität gegenüber Vorgesetzten sowie Nichtbefolgung von Weisungen.

Suter fühlt sich als Opfer


Marc F. Suter hält seine Kündigung noch heute für ungerechtfertigt. Seine Abberufung an der «sorgfältig inszenierten Delegiertenversammlung» vom April 2000 sei aufgrund eines Rundschreibens erfolgt, in dem ihn Zäch als «Verleumder gebrandmarkt» habe.

Suter wurde gleich nach der Abwahl freigestellt, er erhielt aber vertragsgemäss noch während der von acht auf elf Monate verlängerten Kündigungsfrist den vollen Lohn. Diese wurde durch ein Arztzeugnis, das Suter zehn Tage vor Ablauf der Kündigungsfrist eingereicht hatte, nochmals verlängert. Insgesamt erhielt er nach seinem Abgang 140000 Franken – ohne dafür einen Finger krumm gemacht zu haben.

Suter bezog für sein Institut für Sozial- und Rechtsberatung mit einem Teilzeitanwalt und einer Teilzeitsekretärin jährlich knapp eine Viertelmillion Franken. Er sei deshalb so lange in der Stiftung geblieben, weil die SPV für ihn eine Milchkuh gewesen sei, behaupten Kritiker. Suter weist diese Vorwürfe zurück.

Obwohl er heute beim Paraplegikerzentrum als Verleumder gelte und ihm ein vom Zentrum angestellter Jurist Konkurrenz mache, habe er weiterhin mehrere Mandate von Querschnittgelähmten.

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