Viele Frauen haben monatlich schier unerträgliche Periodenschmerzen – und wissen nicht, dass sie womöglich an einer chronischen Krankheit leiden: an Endometriose.

Jetzt will der Ständerat an dieser Situation etwas ändern. Mit 30 gegen 2 Stimmen stellte sich die kleine Kammer hinter eine Forderung der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK). Diese verlangt vom Bundesrat einen Bericht darüber, wie Endometriose in der Schweiz behandelt wird. Er soll aufzeigen, wie eine bessere Frühbehandlung vorgenommen werden kann. Und wie Gesundheitspersonal, Arbeitgeber, Bildungseinrichtungen, Sportverbände und Forschung auf die weitverbreitete chronische Krankheit sensibilisiert werden können.

Jede zehnte Frau von Endometriose betroffen

Fachleute gehen davon aus, dass jede zehnte Frau von Endometriose betroffen ist. Dabei wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, ausserhalb der Gebärmutter (siehe Grafik unten). Etwa an Eierstöcken, im Beckenraum, am Darm oder am Bauchfell. Dieses Gewebe wuchert, verklebt, entzündet sich und kann bluten. Zysten können richtiggehend mit dem Darm verwachsen und den Eileiter abtrennen.

Mit fatalen Folgen: Fast die Hälfte aller Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch sind von der Krankheit betroffen – und oft haben sie keine Ahnung davon. Sie müssen zyklusabhängig und teils über Jahre starke Schmerzen über sich ergehen lassen.

Bis heute wird deren Ursache oft erst nach Jahren diagnostiziert. Manchmal nur zufälligerweise, etwa wenn eine Zyste operativ entfernt werden muss. Anders gesagt: Die medizinische Unwissenheit beeinträchtigt die Lebensqualität dieser Frauen. Ihre Klagen werden oft nicht ernst genommen, ihre Schmerzen werden von Ärzten und Gesundheitspersonal als «normale» Periodenschmerzen beurteilt, wie der Beobachter in einem Fall einer Betroffenen Endometriose «Jahrelang glaubte ich, das sei normal» berichtete.

Mangelndes Wissen über die Krankheit

Der vom Ständerat geforderte Bericht soll Massnahmen vorschlagen, um Endometriose künftig endlich angemessen zu behandeln. Konkret: Es braucht eine Strategie. SP-Ständerätin Marina Carobbio Guscetti (TI) betonte im Parlament, dass die unbefriedigende Situation «häufig auf mangelndes Wissen in der Bevölkerung und bei Ärzten sowie auf einen eingeschränkten Zugang zu Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten» zurückzuführen sei.

Bis eine Strategie zur Früherkennung und zu Behandlungsmöglichkeiten vorliegt, dürfte es dauern. Doch für die betroffenen Frauen ist der jüngste Entscheid des Ständerats ein wichtiges Zeichen, dass sie ernst genommen werden. Der Entscheid ist eine direkte Folge einer Petition der Schweizerischen Endometriose-Vereinigung, die im Juni 2022 mit über 18'000 Unterschriften genau eine solche Strategie forderte. 

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur nahm im Januar 2023 das Anliegen auf und lancierte – einstimmig – die Forderung, die nun vom Ständerat verabschiedet wurde.

Bundesrat ohne Eile

Gegen einen Bericht, der als Grundlage einer künftigen Strategie für die frühzeitige Erkennung der Endometriose dienen soll, sprach sich nur der Bundesrat aus. Der Wissenschaft stünden heute verschiedene Möglichkeiten der Forschungsförderung offen, um die Endometriose besser zu erforschen. Vor dem Ständerat sagte Bundespräsident Alain Berset, das Thema werde ohnehin bereits aufgegriffen. Denn vor bald drei Jahren stellte sich der Nationalrat hinter eine thematisch ähnliche Forderung. Damals verlangte die Genfer SP-Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle einen Bericht darüber, wie die Eigenheiten von Frauen im Gesundheitsbereich besser berücksichtigt werden können.

So äussert sich eine Endometriose

Endometriose

Bei einer Endometriose sammelt sich Gewebe ausserhalb der Gebärmutter an, was unüblich ist.

Quelle: Lucy Kägi
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Otto Hostettler, Redaktor
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