Eine Mahnwache auf dem Bundesplatz, ein Protestritt über den Gotthard: Schweizer Töfffahrer drehen diesen Sommer im roten Bereich. Grund dafür sind gleich mehrere Vorstösse im Parlament. Gabriela Suter (SP) verlangt den Einsatz von Lärmradargeräten sowie ein generelles Fahrverbot für Motorräder Töfflärm Laute Töffs werden zum Auslaufmodell mit einem Standgeräusch von über 95 Dezibel. Und Thierry Burkart (FDP) will vom Bundesrat wissen, wie er gedenkt, das Problem mit den lärmenden Motorrädern und Autoposern in den Griff zu bekommen.

Für die Töfffahrer ist die Lage ernst. In Teilen Österreichs gilt neu in den Sommermonaten auf bestimmten Strassenabschnitten ein Fahrverbot für laute Motorräder. Und in Deutschland sprachen sich jüngst in einer Umfrage des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» über 70 Prozent für ähnliche Verbote aus.

«Das mit dem Lärm ist ein Bubending. War es immer schon.»

Peter Aeschlimann, Beobachter-Redaktor

In einem Schreiben forderte Walter Wobmann, der die Föderation der Motorradfahrer der Schweiz präsidiert, deren Mitglieder auf, sich in Zurückhaltung zu üben. Der Kampf gegen das «drohende Ungemach» müsse auf dem politischen Parkett gefochten werden. Nur falls dort keine Lösung gefunden werden könne, müsse, ja solle man zu drastischeren Massnahmen greifen.

Im «Tages-Anzeiger» sprach Wobmann etwa von einer Blockierung der Passstrassen. Der SVP-Nationalrat schloss sein Schreiben mit einer Bitte: «In der Zwischenzeit möchten wir dazu aufrufen, die Strassenverkehrsordnung zu respektieren und unnötig lautes Fahren zu vermeiden.»

Was macht die Faszination Lärm aus? Der amerikanische Gonzo-Journalist Hunter S. Thompson nannte Töfffahrer in seinem Buch «Hell’s Angels» «selbstgerechte Kerle, die es lieben, richtig Stoff zu geben». Man könnte es auch viel kürzer sagen: Es sind Männer.

Systemimmanenter Krach

Das mit dem Lärm ist ein Bubending. War es immer schon. Mein Primarschulkollege Stefan zum Beispiel schmuggelte früher Auspuffteile in die Garage, die er heimlich bei einem Mechaniker in Italien gekauft hatte. Nach der Bastelei war sein Töffli zwar pannenanfällig, dafür laut. Nur darum ging es.

Jungs klemmen Kartonscheiben zwischen die Speichen ihres Velos, um das Geräusch eines Motorrads zu imitieren. Teenager zünden Ladykracher in Unterführungen, Halbstarke nerven in der Badi mit Boomboxen, und Soldaten schmeissen Dosenfutter ins Feuer.

Hauptsache, es knattert, kracht, brummt und knallt.

«Ein bisschen röhren muss es», schwärmen Töff-Fans. Und klingen dabei wie jene Fondue-Enthusiasten, die behaupten: «Ein bisschen stinken muss es.» Für normale Menschen ist Lärm schlicht eine unangenehme Begleiterscheinung, die es möglichst zu vermeiden gilt. Fans jedoch halten ihn für systemimmanent: Ein Töff, der keinen Krach verursacht, ist kein Töff.

«Das ist Musik», antwortete der oberste Töfffahrer Walter Wobmann in besagtem «Tages-Anzeiger»-Artikel auf die Frage, wie er das Geräusch beim Gasgeben beschreiben würde.

Allen wäre geholfen

Ist Lärmaffinität ein Männer-Gen? Im Tierreich signalisiert ein Hirsch ja auch mit lautem Röhren seine Brunftbereitschaft. Und Vogelmännchen markieren mit aufgeregtem Gezwitscher ihr Revier. Wer an einem Samstag in der Zürcher Innenstadt die Männer in ihren getunten Boliden beobachtet, muss zu diesem Schluss gelangen. Diese Exemplare wollen mit ihren Pferdestärken Rivalen einschüchtern und paarungswillige Weibchen aufreissen.

Möglicherweise ist es viel banaler: Töfffahrer belästigen ihre Mitmenschen deshalb so gern mit Lärm, weil sie sich rächen wollen. Dafür, dass sie bei über 30 Grad im Schatten in Anzügen aus Leder schwitzen müssen, die Erwachsene höchstens für eine Fetischparty in einem klimatisierten Kellerloch anziehen würden.

Folglich wäre mit einem Verbot lauter Töffs allen geholfen. Den Töfflibuben – und ihren lärmgeplagten Opfern.

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