Laos ist ein Eldorado für uns Käferforscher. Die Vielfalt der Fauna ist faszinierend. Wenn wir abends im Urwald die Lichtfallen aufstellen, ist der weisse Stoff innert Kürze schwarz von den vielen verschiedenen Käfern: farbige Langarmkäfer, die bis zu 15 Zentimeter lang werden. Oder die imposanten Atlaskäfer mit dem Horn auf dem Kopf. Sowie schwere Brummer wie die Hirschkäfer, die man schon von weitem hört. Und unzählige andere Arten. Uns interessieren vor allem solche, die man noch nicht kennt. Laos ist erst seit 1996 wieder offen für Ausländer. Die einzigen Insekten, die bis dahin aus Laos bekannt waren, waren solche, die Ende des 19. Jahrhunderts von Missionaren der französischen Regierung gesammelt wurden. Überhaupt ist in ganz Asien erst ein Bruchteil aller Käferarten erforscht.

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Die Laoten lieben Insekten

Die diesjährige Laosexpedition war besonders. Erstmals haben mich Dozenten und Studenten aus Basel sowie aus Laos begleitet. Die Feldarbeit war für sie einmalig. Unser Guide, Khampaseuth, kann Deutsch, weil er in Ostdeutschland studiert hat. Ich selber habe Laotisch gelernt, denn Englisch sprechen nur ganz wenige Laoten, auch in der Hauptstadt Vientiane.

Von Vientiane aus reisten wir in verschiedene Gebirgsregionen. Zunächst mit dem Bus, dann stundenlang zu Fuss. Unser Ziel war der Nam Kading Nationalpark, 250 Kilometer südöstlich der Hauptstadt auf 500 Meter Höhe im Urwald. Wir waren teilweise in sehr steilem Gelände unterwegs, mussten grosse Felsbrocken erklimmen. Hätte einer von uns ein Bein gebrochen, dann hätten wir den Verletzten über einen Tag weit tragen müssen, um Hilfe zu erhalten. Zum Glück ist nichts passiert.

Wir bewegen uns mit ein paar wenigen Einschränkungen recht frei im Land. Um im Urwald zelten zu dürfen, brauchen wir eine Bewilligung. Zudem müssen uns Polizisten begleiten, weil es in Laos immer noch Unruhen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen gibt. Unruhen, die die Amerikaner damals im Vietnamkrieg absichtlich geschürt hatten. Und wegen der Unmengen von Blindgängern aus dem Krieg dürfen wir an gewissen Stellen nicht vom Weg abkommen.

Wir und unsere Träger schleppten eine grosse Ausrüstung mit: Nebst Zelten, Küche, Tisch und Bank haben wir einen Stromgenerator sowie spezielle Lampen dabei. Damit gehen wir abends auf Lichtfang. Zudem haben wir verschiedenen Fallen dabei.

Tagsüber sind wir mit Fangnetzen und Klopfschirmen unterwegs. Ein Klopfschirm besteht aus einem gespannten Tuch. Mit einem Stock schlagen wir auf die Büsche, und die Käfer fallen in das Tuch. Ich habe zudem immer ein grosses Küchensieb dabei, um im Wasser Käfer zu fangen. Mein Spezialgebiet als Konservator am Naturhistorischen Museum Basel sind Schwimmkäfer. Sie sind äusserst faszinierend. Ich erlebe immer noch Überraschungen bei der Erforschung dieser Tiere. Vor vielen Jahren beschrieb ich die erste Art, die nicht im Wasser, sondern im Boden lebt.

Die Vielfalt der Insekten weltweit ist umwerfend, und alle haben eine wichtige Funktion in der Natur. Das Basler Museum hat eine der grösseren Käfersammlungen weltweit. Sechs Millionen Käferexemplare liegen in unseren Archiven. Die Erforschung der Käfer hilft uns, mehr über die vielfältigen Zusammenhänge in der Natur zu erfahren. Schwimmkäfer etwa sind als fleischfressende Insekten im Wasser wesentlich für das Gleichgewicht des Systems verantwortlich.

Abends sortieren wir unsere Fänge nach Grösse und Gruppen aus und füllen sie in Plastikdosen für die Rückreise. Um 19 Uhr ist es bereits stockfinstere Nacht. Dann sitzen wir vor dem Feuer, reden, ordnen die Käfer und tauschen uns, so gut es geht, mit den Einheimischen aus. Khampaseuth, der Guide, kocht das Essen. Einheimisches Essen, das so gut ist, dass ich noch zu Hause davon träume. Vor allem die geschmacklich vielfältigen Suppen und der Reis. Und Insekten. Die Laoten lieben Insekten. Etwa Maikäfer, die über dem Feuer geröstet werden, schmecken sehr lecker. Ebenso Zikaden und Heuschrecken. Kleine Maikäfer, in Öl frittiert, sind wie Popcorn. Die Schwärmer hingegen habe ich nicht gerne, die schmecken eigenartig.

Die Urwälder schwinden rasant schnell

Wilde Tiere? Och, die machen mir keine Sorgen. Es hat wohl Bären und Leoparden, aber ich habe noch nie welche gesehen. Die haarigen Raupen hingegen sind schlimm. Bei der kleinsten Berührung bekommt man einen schmerzhaften Ausschlag, der sich grossflächig ausbreiten kann.

Es gibt so viele schöne Momente auf unseren Expeditionen. Die Sonnenuntergänge etwa sind sehr intensiv, das liebe ich. Oder die unheimlich vielfältigen Geräusche im Urwald, vor allem nachts. Und dann der Kontakt mit den Laoten, sie sind sehr freundlich. Erschreckend ist, wie das Land zunehmend abgeholzt wird. Es ist zwar verboten, doch der wirtschaftliche Druck aus China und Vietnam ist gross. Dort wird das Holz zu Möbeln für den Export verarbeitet. Und die Urwälder schwinden rasant schnell. Es ist tragisch, wenn ich neue Käfer entdecke, die in wenigen Jahren bereits ausgestorben sein werden.

Aufgezeichnet von Dominique Hinden