Für User «Groovy1974» im «esoterikforum.at» ist der Fall klar: Da haben zwei Forscher «die ökologische Alternative zur umstrittenen Gentechnik» gefunden. Benutzer «Starforce» doppelt auf «dokuboard.com» nach: «Millionen von jährlich an Hungersnot (!) sterbenden Menschen könnte so geholfen werden.» Das wiederum fordert einen gewissen Markus auf «transgen.de» zum Widerspruch heraus: «Wie kann man auf so eine Art und Weise nur Hoffnung wecken?»

Die Geschichte, die im Internet noch heute für hitzige Diskussionen sorgt, nimmt ihren Anfang Mitte der achtziger Jahre. In einem Labor der Basler Ciba-Geigy erforschen der Chemophysiker Guido Ebner und sein Assistent Heinz Schürch die Wirkung elektrostatischer Felder auf tierische Zellen. Sie wollen einen Herzschrittmacher entwickeln, der am Handgelenk getragen werden kann.

Dazu stellen sie Petrischalen mit Gewebeproben, Samen und Farnsporen zwischen zwei Kondensatorplatten und setzen sie mehrere Tage einem elektrostatischen Feld (E-Feld) von einem bis ein paar tausend Volt aus. Das Ergebnis verblüfft: Die Sporen eines Wurmfarns wachsen zu einer ganz anderen Pflanze heran – einer Art Hirschzungenfarn. Vergleichbare Exemplare finden Ebner und Schürch nur als Versteinerungen.

Auch Maissamen zeigen, dem E-Feld ausgesetzt, erstaunliche Merkmale: Statt zweier Kolben spriessen pro Blütenstand gleich mehrere – und die Pflanzen wirken kräftiger als diejenigen aus unbehandelten Samen. Die elektrische Spannung, so scheint es, versetzt die Pflanzen in eine Art Urzustand und verhilft ihnen zu grösserer Robustheit und ertragreicherem Wuchs.

Am 17. Dezember 1988, an einem Samstagabend, präsentieren Ebner und Schürch ihre Ergebnisse zur besten Sendezeit, in der Sendung «Supertreffer», dem Schweizer Fernsehpublikum. Showmaster Kurt Felix spricht von einer «wissenschaftlichen Sensation». Der Weg zu akademischem Ruhm und öffentlicher Ehre scheint vorgezeichnet. Und das Forscherduo tüftelt weiter, experimentiert mit Eiern von Regenbogenforellen, die man im E-Feld reifen und dann in einer Zuchtanlage aufziehen lässt. Der Effekt wirkt auch bei Fischen: Sie wachsen schneller und benötigen im Gegensatz zu den gewöhnlichen Exemplaren keine Medikamente zum Heranwachsen.

1992 aber kommt der Schock für die Forscher: Ihr Arbeitgeber Ciba-Geigy, der eben noch das Fischzuchtverfahren zum Patent angemeldet hat, weist sie an, ihre Arbeiten einzustellen, weil diese sich «nicht einem der Schwerpunktforschungsgebiete der Firma zuordnen» lassen.

Ein böser Verdacht

Ein Chemiemulti, der Experimente abwürgt, die bessere Ernten, weniger Hunger und weniger Abhängigkeiten von Saatgut- und Düngemittelproduzenten verheissen? Es sind solche Geschichten, aus denen eine Verschwörungstheorie gestrickt ist. Kräftig genährt wird diese vom Basler Autor Luc Bürgin. In seinem Buch «Der Urzeit-Code» hat er 2007 die Geschichte der Forschungsarbeit von Ebner und Schürch nachgezeichnet. Seine These: Die Experimente seien von Ciba-Geigy eingestellt worden, weil das Unternehmen sonst weniger Agrochemikalien hätte verkaufen können.

Mitgearbeitet am Buch hat auch Daniel Ebner, Sohn des 2001 verstorbenen Entdeckers, studierter Biologe und in diesem Beruf selber 20 Jahre bei Ciba beschäftigt. Sein Ziel ist es, das Erbe des Vaters zum Erfolg zu führen: «Ich will zeigen, dass die Experimente reproduzierbar und anwendbar sind.» Das Problem dabei: Ihm fehlt das Geld, etwa um eine praxistaugliche Anlage zu bauen, in der grössere Mengen Saatgut dem E-Feld ausgesetzt werden könnten. Interessenten für Freilandversuche nämlich gebe es zuhauf: «Seit das Buch erschienen ist, erhalte ich sehr viele Anfragen von Bauern.» Und in Burkina Faso würden dank der Vermittlung eines Freundes 100 Landwirte nur darauf warten, dass er mit Kondensatorplatten und Samen auftauche: «Aber wer bezahlt das Saatgut und den Transport einer 120 Kilogramm schweren Anlage nach Afrika?»

Einen ersten Erfolg, sagt Ebner, habe er bereits verbuchen können. In Bayern und in der Gegend um Salzburg hätten Bauern im letzten Sommer Weizen und Mais angebaut, deren Samen er im E-Feld behandelt habe: «Wir hatten beim Weizen ohne Dünger 20 Prozent Mehrertrag gegenüber der Ernte auf der unbehandelten Kontrollfläche.»

Edgar Wagner schmunzelt, wenn er dies hört: «Wer weiss, was da passiert ist», sagt der emeritierte Professor für Pflanzenphysiologie an der Uni Freiburg im Breisgau. «Vielleicht ist auch bloss zum entscheidenden Zeitpunkt während der Keimung ein riesiges Gewitter über die Gegend gezogen und hat diesen Effekt ausgelöst.»

Wagner ist ein unverdächtiger Skeptiker. Er war mit dem ebenfalls verstorbenen Mitentdecker des «E-Feld-Effekts» Heinz Schürch befreundet und hat selber Experimente mit elektrostatischen Feldern angestellt. Er ist überzeugt, «dass bei den Laborexperimenten von Ebner und Schürch etwas passiert ist», dass das verwendete elektrostatische Feld tatsächlich einen Einfluss auf die Entwicklung der Sporen, Samen und Fischeier hatte. Es stelle sich nur die Frage: Welchen Einfluss? Und warum?

Denn in den eigenen Experimenten konnte Wagner die Ergebnisse nicht reproduzieren: «Will man die Phänomene wiederholen, die Ebner und Schürch erhalten haben, muss man das Saatgut zum exakt richtigen Zeitpunkt während des Quellstadiums für eine genau bestimmte Dauer der exakt richtigen Spannung aussetzen.»

Um diese Faktoren herauszufinden (und alle anderen möglichen Umwelteinflüsse zuverlässig auszuschliessen), bräuchte es enorm aufwendige Forschungsarbeiten, ist Wagner überzeugt: «Hätte man das Geld und die Zeit dazu, könnte man vielleicht bei einem ganz einfachen System wie bei einem Farn die von Ebner und Schürch erreichten Ausprägungen reproduzieren.» Aber grossflächige Weizen- und Maisfelder, auf denen Jahr für Jahr 20 Prozent mehr Ertrag wächst als mit unbehandeltem Saatgut? «Dazu müsste man jahrelang forschen – oder mit einem ‹educated guess›, einer begründeten Vermutung, viel Glück haben.»

Daniel Ebner jedoch gibt nicht auf. Im Sommer organisiert er auf La Réunion einen Kongress, an dem er die Entdeckung seines Vaters präsentieren will. Dann will er auch das Ergebnis seines nächsten Feldversuchs vorstellen: Mais, den er auf der Insel im Indischen Ozean im April gepflanzt hat. Daniel Ebner hofft auf eine gute Ernte.