Wären alle Kühe der Welt ein Land, wären sie die Nummer drei. Nur China und die USA stossen mehr Treibhausgase aus. Seit Jahren wird am Methanproblem der Kühe geforscht, doch Lösungsansätze gab es bislang nur wenige. Die Nase vorn hat momentan das Schweizer Agri-Tech-Unternehmen Mootral. Es hat einen Futterzusatz entwickelt, der dafür sorgt, dass Kühe 30 Prozent weniger Methan produzieren.

Ihr Methanblocker ist ein Naturextrakt, der aus Knoblauch und Orangenschalen gewonnen wird. Er reduziert die Methanogene im Pansen, ohne die Verdauung der Kuh zu beeinträchtigen. Eine Studie mit Kühen in Grossbritannien verlief vielversprechend. Die Holstein-Friesian produzierten 21 Prozent weniger Methan, die Jerseykühe gar 38 Prozent weniger als die Vergleichsgruppe.

Noch besser: Beide Kuhrassen brauchten dank dem neuen Futterzusatz weniger Futter, weil sie weniger Energie für die Verdauung aufwenden mussten. Trotzdem gaben sie bis zu acht Prozent mehr Milch und litten weniger unter Stress, weil der Knoblauch die Fliegen fernhält. Das Mittel wirkt damit nicht nur gegen den Klimawandel, sondern senkt auch die Futterkosten, steigert die Milchleistung und fördert die Gesundheit der Kühe. Ein ziemlich ausgewogenes Konzept.

Treibhausgas vom Hof

Infografik: So viel Treibhausgase stossen Kühe aus

Kühe setzen das klimaschädigende Gas Methan beim Rülpsen und Furzen frei. Auch Futter, Gülle und Dünger produzieren Treibhausgase.

Quelle: The World Bank Group [2012] / FAO [2020] – Infografik und Illustration: Anne Seeger
Wie die Bauern überzeugen? 

Doch ein Produkt zu haben, ist das eine. Genauso wichtig ist: Wie bringt man es in die Kuh? Eine knifflige Aufgabe, denn der Bauer sei von Natur aus ein skeptisches Wesen, weil ihm alle etwas andrehen wollten und er kaum etwas verdiene, sagt Thomas Hafner. Der Gründer und Chef von Mootral bezeichnet sich selbst als Enthusiasten und als jemanden, der den ganzen Weg gehe, wenn er Potenzial für eine Idee sehe.

Bevor sich der Deutsche mit Kuhrülpsern beschäftigte, war er mit Nahrungsergänzungsmitteln für den Menschen reich geworden. Ihm war bewusst, dass er «Win-win-win-Situationen» schaffen muss, wenn er Mootral unter den Landwirten etablieren will. Und starke Partner brauchen würde.

Seine Firma ging deshalb Anfang Jahr mit dem Schweizer Milchverarbeiter Emmi und seinem Hauptaktionär, der Genossenschaft Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP), eine Partnerschaft ein. Ziel der Zusammenarbeit sei es, das Treibhausgas-Problem bei der Milchproduktion langfristig zu entschärfen.

Emmi will nun in einem ersten Schritt den Futterzusatz unter Schweizer Bedingungen wissenschaftlich prüfen lassen. Der neue Stoff soll zunächst in mehreren Pilotbetrieben eingesetzt und anschliessend grossflächig im Netzwerk von ZMP und Emmi eingeführt werden. Emmi plant kein Label für klimafreundliche Milch, sondern will eigenen Angaben zufolge «umfassend nachhaltige Milchprodukte anbieten».

Knoblauchverbot für Kühe ist ein Hindernis

Anfang Jahr startete Agroscope eine Studie, die hätte aufzeigen sollen, wie sich Mootral auf Methanproduktion und Milchleistung auswirkt. Doch sie musste unverhofft abgebrochen werden, wegen eines Passus in der Schweizer Milchhygieneverordnung. Danach ist Knoblauch für milchgebende Tiere nicht zugelassen.

Dies hatten die Forscher anfangs übersehen, weil sie sich auf die französische Version abgestützt hatten. Darin ist der Begriff «Lauchgewächse» mit «poireaux», also Lauch, übersetzt. Das «Lauchgewächse» in der entscheidenden deutschen Fassung bezieht sich aber auch auf Knoblauch. Bei Agroscope prüft man derzeit, ob die bisher gesammelten Daten trotzdem reichen, um die Studie publizieren zu können.

Das Knoblauchverbot für milchgebende Tiere besteht gemäss Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) seit Jahrzehnten. Wahrscheinlich kam es zustande, weil man eine geschmackliche Beeinträchtigung der Milch fürchtete. Doch die mit Mootral verabreichte Knoblauchmenge ist so gering, dass bisher kein solcher Effekt auf die Milch oder das Rindfleisch nachgewiesen werden konnte. «Die Schweiz ist das einzige mir bekannte Land, das ein Knoblauchverbot für Kühe kennt», sagt Hafner. Er setzt sich nun dafür ein, dass die alte Regelung überarbeitet wird.

Der Futterzusatz würde für eine Kuh pro Jahr rund 55 Franken kosten. Zusammen mit Emmi und ZMP arbeitet Mootral derzeit aber daran, den Preis zu senken. Deshalb versucht man, Teil des Schweizer Markts für CO2-Zertifikate zu werden. Die Erlöse aus dem Verkauf der Emissionszertifikate sollen es sogar möglich machen, dass Mootral gratis an die Emmi-Landwirte abgegeben werden kann.

Bereits im letzten Dezember hat Mootral die Zertifizierung von Verra erhalten, dem weltweit grössten Programm für freiwillige Klimakompensation. Das ermöglicht es auch anderen Bauern, mit Hilfe von Mootral Emissionszertifikate zu generieren, die dann über den globalen, freiwilligen Klimakompensationsmarkt gehandelt werden können. Das allein soll den Futterzusatz rund 20 Franken günstiger machen.

Schweizer Kühe sind klimarelevant

CO2-Ausstoss in der Schweiz – aufgeteilt in die verantwortlichen Sektoren
Quelle: Bafu [2018] / ipcc [2012] – Infografik: Anne Seeger
Klimaziele besser erreichen

«Es ist das erste Mal, dass Emissionszertifikate durch Kühe generiert werden», sagt Hafner. «Wir haben die dafür notwendige Messmethodologie als Erste entwickelt.» Wegen der Corona-Pandemie ist eine Finanzierungsrunde gescheitert. Ein grosser Industriepartner aus dem lateinamerikanischen Raum ist in Schwierigkeiten geraten und hat sich zurückgezogen. Nun muss Hafner seine Mission mit einem schlankeren Businessplan durchsetzen.

«Wir sind startklar», sagt er. Das Problem der klimaschädlichen Kuh könne zwar nicht allein mit Futterzusätzen gelöst werden, solange der Fleischhunger weiterhin so gross sei. Doch mit ihnen könne man einen substanziellen Beitrag leisten, um die Klimaziele besser zu erreichen.

Voraussetzung dafür ist aber, dass das Knoblauchverbot für Kühe fällt. Das BLV signalisiert, dass der nicht mehr zeitgemässe Passus in der Milchhygieneverordnung überprüft werden soll, sobald ein entsprechendes Begehren gestellt werde.

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Julia Hofer, Redaktorin
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