Aufgezeichnet von Yves Demuth

Eigentlich bin ich ja Obwaldner. In die Stadt hat es mich nie gezogen. Bis ich dieses Inserat gesehen habe. Der Bauernhof am Rand 
von Zürich-Seebach überzeugte meine Frau Sonja und mich sofort. Wir zügelten vom Freiamt hierher und wurden Pächter des städtischen Riedenholzhofs. Das war vor 19 Jahren.

Berufskollegen sagen manchmal: Was, du wirtschaftest in der Stadt? Wie kannst du das? Aber die wissen nicht, wie es bei uns aussieht. Wir sind ja umgeben von Feldern, auch wenn die Stadt immer näher kommt. Zürich-Seebach ist viel urbaner geworden. Meine beiden erwachsenen Söhne Marcel und Simon waren bereits die einzigen Bauernkinder in der Schule.

Zu uns auf den Biobetrieb kommen viele Konsumenten. Sie können selber Beeren pflücken und im Hofladen unsere Produkte kaufen. Fast unser gesamtes Büffelfleisch setzen wir so ab. Wir haben rund 50 Wasserbüffelkühe, aus ihrer Milch gibt es Joghurt oder Camembert. Die Milch der zwölf Holstein-Kühe holt ein Biomilchverarbeiter ab. Je ein Muni lebt mit den Kühen und Büffeln zusammen. Wir machen hier nur Natursprung.

Ganze Polstergruppen auf der Wiese

Mein grösstes Problem ist der Abfall. In den letzten fünf, sechs Jahren hat das extrem zugenommen. Wir haben hinter dem Haus eine schwierige Achse, die Käshaldenstrasse. Da fliegt alles aus den Autos: Aludosen, Glasflaschen, Fast-Food-Verpackungen oder auf Zügeltermine hin ganze Polstergruppen. Von Baustellen landen Spraydosen oder Nägel im Feld. Schwierig ist es auch dem Katzenbach entlang. Dort sind nicht die Autofahrer schuld, sondern die Ausflügler.

Beim Grasschneiden müssen wir extrem aufpassen. Wenn wir das Gras ins Silo einfüllen, arbeiten wir mit dem Häcksler. Der hat einen Metalldetektor eingebaut. Falls er etwas aufspürt, stoppt er sofort. Aludosen und Glas gehen leider durch. Wenn wir aber Heu machen, zerstückelt das Mähwerk den Abfall ohne Warnung. Irgendwann hat die Kuh die Überreste im Futtertrog.

Magnet

Der Magnet ist mit Plastik ummantelt.

Quelle: Holger Salach
Der Zuchtmuni starb an einem Nagel

Am schlimmsten war es mit dem Zuchtmuni Carlo. Als es ihm schlecht ging, vermuteten wir, dass er etwas Unverdauliches gefressen hatte. Der Tierarzt stellte nichts fest, also habe ich Carlo ins Tierspital gefahren. Die Ärzte fanden den Fremdkörper erst nach drei Tagen. Auf dem Röntgenbild sah man einen zwölf Zentimeter langen Nagel in der Magenwand stecken. Aber da war es schon zu spät. Der Magen war so vereitert, dass wir Carlo einschläfern mussten. Das hat mir sehr zu denken gegeben.

Seither haben alle meine Kühe und die meisten Wasserbüffel Magnete im Bauch. Nach Gesprächen mit dem Tierarzt habe ich mich dafür entschieden. Diese Methode gibt es schon lange. Sie wird auf etlichen Höfen angewandt. Ein rund zehn Zentimeter langer Magnet im Magen schützt das Tier vor inneren Verletzungen. Er zieht die Metallteile an, so kommen sie nicht in den Verdauungsprozess. Den Magneten umhüllt ein Plastikgitter, das die Stücke von der Magenwand fernhält.

Wenn ein Metallteil in den Verdauungstrakt gelangt, ist das nicht lustig. Es wird beim Verdauen zwischen den Mägen der Kuh hin- und hergepumpt. Falls es in die Bauchwand sticht, gibt es eine Entzündung. Bis wir das bemerken, hat das Tier vielleicht schon Fieber. Bis jetzt hatten wir acht oder neun eindeutige Fremdkörperdiagnosen. Das ist jedes Mal verrückt: dass ich eine Kuh notschlachten muss, nur weil sie Abfall gefressen hat.

Zürcher Innenstadt? Lieber nicht

Es ist keine ganz einfache Sache, den Magneten mit einem Schlundrohr durch die Speiseröhre in den Magen runterzulassen. Für das Tier ist das unangenehm. Wenn es beim Einführen «den Handstand macht», lassen wir es natürlich bleiben. Gelingt es, bleibt der Magnet im ersten Magen, bis die Kuh geschlachtet wird. Er ist dann voller kleiner Metallteile, zum Beispiel von Nägeln oder Schrottteilchen.

Wir machen das, weil einfach immer mehr Abfall rumliegt. Bevor wir mähen, suchen wir die Felder konsequent ab. Früher habe ich nur eingesammelt, was ich beim Mähen gesehen habe. Heute ist es fast zwingend, dass wir ein Feld vorher absuchen. Aber alles findet man nicht.

Für mich ist unser Hof trotzdem eine Oase. Es ist einfach eine andere Welt hier. Früher war ich oft in der Stadt unterwegs. Aber heute muss ich sagen, ich fühle mich nicht richtig wohl in der Zürcher Innenstadt. Am Stadtrand gefällt es mir besser. Da sind wir mehr für uns. Ich kann am Sonntag motoren mit dem Traktor, ohne dass es jemanden stört.

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Matthias Pflume, Leiter Extras
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