Mitgründer des WWF: Luc Hoffmann, geboren 1923 in Basel, Enkel des Hoffmann-La-Roche-Gründers Fritz Hoffmann, studierte Biologie und promovierte 1952 in Basel. Für seine Verdienste im Bereich Naturschutz wurde Hoffmann mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem französischen Verdienstorden (Legion d’honneur) und dem Ehrendoktor der Universitäten Basel und Thessaloniki.

Quelle: WWF Schweiz

Luc Hoffmanns Lieblingstier ist die Brachschwalbe, «wegen ihrer diskreten, eleganten Art.» Fast möchte man meinen, der Grandseigneur des Umweltschutzes spreche von sich selber. Der 88-jährige Basler ist eine charismatische Erscheinung, bescheiden im Auftreten, bestimmt in der Sache. Nichts weniger als die «Bewahrung der Welt» hat sich der Mitbegründer des WWF zum Ziel gesetzt.

Luc Hoffmann ist kein Mann der grossen Worte und kein Freund inszenierter Auftritte. Der Enkel des Roche-Gründers Fritz Hoffmann hatte schon als junger Mann für Business wenig übrig; dafür umso mehr für die Natur, die er auf ausgedehnten Streifzügen erkundete. Statt auf Wunsch seines Stiefvaters Paul Sacher in den Pharmakonzern der Familie einzutreten, studierte er Biologie und zog es vor, sein Leben lang im Stillen zu wirken – als Forscher, Vizepräsident des internationalen WWF und als Mäzen. Über eine Stiftung unterstützt Hoffmann bis heute Projekte des WWF und andere Naturschutzorganisationen mit beträchtlichen Mitteln.

Luc Hoffmann, der mit einer Gräfin verheiratet war, empfängt seine Gäste mit aller Höflichkeit. Sein Anwesen im waadtländischen Montricher ist geschmackvoll eingerichtet, aber alles andere als protzig. Die Hausangestellte bringt einen Kaffee, Monsieur möchte nur ein Glas Wasser. Die Vorhänge im Esszimmer zieht er zu; das Morgenlicht ist ihm zu grell. Seine Hände zittern, das Gehör hat nachgelassen, doch der Blick unter den grauen, buschigen Brauen ist hellwach.

An diesem Tag Ende Februar hätte er es bestimmt vorgezogen, sich um die Fortführung seines Lebenswerks zu kümmern oder seine gefiederten Lieblinge im Garten zu beobachten. Doch der Naturliebhaber hat längst eingesehen, dass es ganz ohne Öffentlichkeit nicht geht; dass man seine Botschaft in die Welt hinaustragen muss.

Seine Karriere als Naturschützer startete in Südfrankreich, wo er 1948 in der Nähe von Arles ein 12 Quadratkilometer grosses Stück Land kaufte – keinen Landsitz, sondern ein Feuchtgebiet, wo viele Zugvögel brüteten. 1946, als junger Biologiestudent, war er zum ersten Mal in die Camargue gereist – es war Liebe auf den ersten Blick. Noch heute verbringt er jede zweite Woche auf seiner Stiftung La Tour du Valat. Rund 60 Wissenschaftler – in Spitzenzeiten sind es bis zu 100 –  betreiben dort mittlerweile in seinem Auftrag Forschung. «Was in einem Feuchtgebiet passiert, wirkt sich auf die ganze Natur aus», sagt Hoffmann. Er war einer der ersten, der die Bedeutung dieser artenreichen Zonen erkannte und sich für sie einsetzte. Auf seine Initiative wurde 1971 im iranischen Ramsar eine internationale Konvention zum weltweiten Schutz von Feuchtgebieten unterzeichnet, der heute 160 Staaten als Mitglieder beigetreten sind.

Seiner Zeit voraus war Hoffmann auch, als er 1961 zusammen mit englischen Ornithologen und Naturfreunden den «World Wildlife Fund» ins Leben rief. Damals war Naturschutz Sache einer kleinen, elitären Gruppe. «Die breite Bevölkerung war sich der Dringlichkeit dieser Anliegen noch nicht bewusst», erinnert sich Hoffmann. In der Nachkriegszeit war alles auf Wachstum ausgerichtet gewesen, und der Club of Rome sollte seinen aufrüttelnden Bericht über «Die Grenzen des Wachstums» erst viel später, 1972, veröffentlichen.

«Vielleicht waren wir Visionäre, Träumer jedenfalls nicht», resümiert Hoffmann. «Unsere Ziele waren sehr realistisch.» Hoffmann und seine Ornithologen-Freunde wollten nicht nur über Naturschutz debattieren, sie wollten ihre Erkenntnisse in Aktion umsetzen. Doch dazu brauchten sie Geld. Die illustre Gruppe – darunter Peter Scott, der Sohn des berühmten Polarforschers Robert Falcon Scott – war beim Fundraising von Anfang an erfolgreich. Sie wusste ihre guten Beziehungen richtig einzusetzen: Prinz Philip von England und Prinz Bernhard von den Niederlanden unterstützten den WWF von Beginn an tatkräftig.

Anfangs kaufte man Land, um Schutzgebiete einzurichten, wie in Coto Donana, einem von Hoffmann in Spanien initiierten Projekt, aber auch in Kenia oder Peru. Später versuchte man, Entscheide zu beeinflussen und Regierungen zum Handeln aufzufordern wie es der WWF noch heute tut.

Der Hauptsitz der Organisation, die in über 100 Ländern Büros betreibt und weltweit 5 Millionen Mitglieder zählt, liegt seit 1961 am Genfersee. Noch heute macht sich Luc Hoffmann regelmässig auf den Weg ins nahe Gland, um an den wichtigen Sitzungen des WWF teilzunehmen. «Es ist sehr freundlich, dass sie mich immer noch einladen.» Hoffmann lächelt zum ersten Mal. Offiziell übt der langjährige Vizepräsident des WWF International in der Organisation seit 1988 keine Funktion mehr aus. Ob er sich heute noch zu Wort meldet? «Wenn etwas schief liefe, würde ich mich schon bemerkbar machen», sagt er, ganz der Diplomat.

Zufall oder nicht – Hoffmann und der WWF scheinen viel gemein zu haben. Seine sanfte, zurückhaltende Art entspricht dem Auftreten des WWF, der nicht auf Konfrontation sondern Kooperation setzt. «Das hat uns letztlich weitergebracht», ist Hoffmann überzeugt. Der WWF habe nachhaltigere Resultate vorzuweisen als etwa Greenpeace. Für einmal flackert so etwas wie Kampfgeist in ihm auf. Gerettet habe der WWF die Welt zwar nicht, aber es ginge ihr viel schlechter ohne. Hoffmann ist wieder ernst und nachdenklich geworden.

Für die Zukunft sieht er schwarz. Es sei zwar ein Bewusstsein für die Natur da, aber die wenigsten handelten entsprechend. «Wenn wir so weitermachen, fahren wir über kurz oder lang gegen die Wand», sagt er, eine Spur lauter als sonst. Die Menschheit habe nur eine Zukunft, wenn die Umwelt zum fundamentalen Thema der Politik werde. Damals, als Luc Hoffmann und seine Freunde damit begannen, die Natur zu schützen, ging es ums Überleben einzelner Arten. Heute bedeutet Naturschutz die Sorge um die Zukunft der Welt. Oder, wie Luc Hoffmann es ausdrückt: «Es geht um unser Überleben.» Dafür, dass sein persönlicher Beitrag nachhaltig bleibt, hat er längst gesorgt: Mit der 1994 gegründeten Naturschutzstiftung MAVA, benannt nach seinen Kindern Maja, Vera und André. Sie werden seine Arbeit weiterführen.

Buchtipp

Jil Silberstein: «Luc Hoffmann, l’homme qui s’obstine à préserver la Terre», Phébus, 2010. Die deutsche Übersetzung, «Luc Hoffmann. Im Gespräch mit Jil Silberstein», erscheint im April 2011 beim Buchverlag Neue Zürcher Zeitung. 200 Seiten, 34 CHF.