Architektin Eva-Maria Mueller hat sich schon oft darüber geärgert, wie nachlässig auf dem Bau mit Materialien umgegangen wird: «So vieles landet in der Mulde, was noch gut und brauchbar wäre. Das ist unglaublich schade.» Tatsächlich fallen in der Schweiz jedes Jahr fast sieben Millionen Tonnen Bauabfall an. Über zwei Drittel werden zwar als Kies, Beton- und Asphaltgranulat wiederverwertet, doch die übrigen zwei Millionen Tonnen landen in Deponien und Verbrennungsanlagen.

Um wenigstens einen Teil davon zu retten, hat Eva-Maria Mueller schon verschiedene öffentliche Bauten mit Secondhand-Installationen ausgestattet. «Den gebrauchten Stücken muss keineswegs der Mief von gestern anhaften», findet die Berner Architektin. Im Kontrast zu Modernem würden sie im Gegenteil sogar oft reizvoll aussehen – etwa in dem Kinderheim, in dessen Badezimmer die Architektin alte Lavabos eingebaut hat: «Jedes war anders, das gab einen sehr witzigen Effekt.»

Occasionsbauteile findet ma n in der Schweiz in 18 Börsen oder Läden. Die Mitarbeiter erfassen, beurteilen und demontieren die Waren in Abbruchhäusern und Umbauobjekten. In der eigenen Werkstatt werden die Teile gereinigt, geprüft und falls nötig repariert. Auf gut instand gesetzte Teile bieten die im «Bauteilnetz Schweiz» zusammengeschlossenen Börsen sogar eine halbjährige Garantie.

Es ist noch mehr Potenzial vorhanden


Etwa drei Prozent des gesamten Marktes seien heute mit Occasionsbauteilen erschlossen, schätzt Bauteilnetz Schweiz. Damit sei das Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft, findet Geschäftsführer Daniel Glauser, «aber das beginnt sich nun zu ändern». Diesen Sommer hat der Verband eine Internetbörse eingerichtet: Dort kann jeder Bauteile anbieten oder kaufen. Über 450 verschiedene Artikelarten sind hier zu finden, vom Zahnglashalter über Waschmaschinen, Küchenkombinationen, Leuchten, Treppen bis zur ganzen demontierbaren Baracke.

200 bis 300 Besucher klicken sich gemäss dem Geschäftsführer täglich in dieses Angebot ein. Die eine Hälfte der Kundschaft sind Selbstbauer, die ihr Eigenheim ausstatten wollen, die andere Hälfte Bauherrschaften, die im Auftrag handeln. Auch Architektin Eva-Maria Mueller ist begeistert von der landesweiten Vernetzung: «Wenn ich etwas in Bern nicht finde, wird es vielleicht in Basel angeboten.» Die grösseren Bauteilbörsen, die ebenfalls unter www.bauteilclick.ch inserieren, bieten auch Transportdienste zwischen den Städten an.

Liebhaber- und Schnäppchenpreise


Dank der Internetbörse hat die Wiederverwendung von Bauteilen so grossen Auftrieb bekommen, dass Liebhaberobjekte wie «Füssli»-Badewannen bereits schwer zu bekommen sind. «Vor vier, fünf Jahren ging eine solche Wanne noch für 200 Franken weg, inzwischen ist der Preis wegen der grossen Nachfrage auf 900 bis 1200 Franken geklettert», sagt Daniel Glauser. Wo das Angebot gross ist, wie etwa bei Waschbecken, sind die Preise aber äusserst günstig. In der Regel kosten die wiederverwendbaren Bauteile zehn bis fünfzig Prozent des Neuwerts. Bei einem Einfamilienhaus in Mittelhäusern im Kanton Bern, rechnet Glau-ser vor, konnten so für Sanitärapparate, Waschmaschine, Einbauküche, Einbauschränke und Parkett mehr als 27000 Franken gespart werden.

Auch Arbeitslose haben etwas davon


Wer nicht kaufen, sondern etwas loswerden will, kommt bei den Bauteilbörsen ebenfalls gut weg. Wenn Architektin Mueller einen Umbau plant, ruft sie bei der Börse an, ob diese die alten Sachen brauchen könne. Geld erhält sie dafür zwar nicht, aber sie spart die Demontage- und Entsorgungskosten, was sich bei grösseren Häusern leicht auf ein paar tausend Franken zusammenläppert.

Die Bauteilbörsen selbst rentieren in der Regel wenig. Die von ihnen geleistete Arbeit wäre kaum selbsttragend, wenn nicht ein grosser Teil davon von Arbeitslosen verrichtet würde. Auf diese Weise haben die Börsen tiefere Lohnkosten. Im Gegenzug schulen ihre Fachleute die Teilnehmer der Arbeitslosenprogramme, damit sich deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. So profitieren auch Arbeitslose und die Umwelt von den Schnäppchenjägern an den Bauteilbörsen.

Weitere Infos


Die Adressen der Bauteilbörsen und -läden in der Schweiz sind erhältlich bei:

Quelle: Gian Vaitl