Der Entscheid ist wohl eine bittere Pille für Sie»: Mit ihrer nüchternen Einschätzung trifft Sibylle Hellstern, Leiterin der Baselbieter Schlichtungsstelle für Mietangelegenheiten, ins Schwarze. Der angesprochene Liegenschaftsverwalter knurrt denn auch wenig überraschend zurück, er akzeptiere diesen Vorschlag nicht, steckt die Unterlagen in seine Mappe und stürzt aus der Tür. Als sich das Mieterehepaar von den drei Schlichterinnen und der Protokollantin verabschiedet, ist er längst verschwunden.

Dem abrupten Abgang des Verwalters war eine dreiviertelstündige Verhandlung vorausgegangen. Die Mieterschaft, ein ausländisches Ehepaar, wehrt sich gegen zwei Nebenkostenabrechnungen für ihre Fünfzimmerwohnung. «Das Ehepaar findet, die Rechnungen ständen in keinem Verhältnis zu den Akontozahlungen», erklärt die Übersetzerin der Schlichtungskommission. Doch der Verwalter besteht auf der Begleichung der Rechnung in Höhe von 1514 Franken und 95 Rappen.

Verfahren ist überall gratis

Die Rollen im Verhandlungszimmer der Schlichtungsstelle in Liestal sind klar verteilt. Links, neben der Tür, sitzt das Mieterpaar mit ihrer Übersetzerin. Auf derselben Höhe beim Fenster hat der Verwalter Platz genommen. Die Stühle sind grau in grau. Die Fenster müssten dringend neu gekittet werden. Als draussen einer mit geöffnetem Autofenster und aufgedrehtem Radio vorbeidonnert, zittern die Scheiben. Wo früher Bankkunden Schlange standen, haben sich die drei Schlichterinnen hinter ihrem Pult aufgereiht. In ihrem Rücken ein schlichtes Büchergestell: Fachbücher, Gesetzessammlung, Gerichtsentscheide. Kein erhöhtes Podium, keine kühnen Sessel mit überlanger Rückenstütze für den Richter, keine Robe, nicht einmal Krawatte. «Wir haben keine Urteilskompetenz, werden aber einen Vorschlag für eine gute Lösung machen», eröffnet die Vorsitzende die Verhandlung. Falls beide einverstanden seien, könnten sie das Protokoll noch heute unterschreiben, falls nicht, stehe der Weg ans Zivilgericht offen. «Aber das kostet dann etwas.»


Die Schlichtungsbehörde ist erste Anlaufstelle bei Auseinandersetzungen rund ums Mietrecht. Wer sich gegen eine Kündigung der Wohnung wehren will, sich mit dem Vermieter nicht auf eine Mietzinssenkung einigen kann oder gegen eine Mietzinserhöhung vorgehen will, kann an die Schlichtungsstelle gelangen. In den meisten Fällen versucht die Schlichtungskommission, die Streitparteien von einem Vergleich zu überzeugen. Entscheiden darf die Behörde nur in wenigen Fällen, etwa bei der Anfechtung einer Kündigung.

Das Verfahren ist kantonal geregelt. So heisst die Behörde je nach Kanton Mietamt, Schlichtungskommission oder Wohnungsamt. Allen gemein ist, dass das Verfahren gratis ist. In der Behörde sitzen jeweils gleich viele Vertreterinnen und Vertreter der Mieter- und der Vermieterschaft.

Einigung in zwei von fünf Fällen

In den ersten zehn Minuten der Verhandlung vor der Schlichtungsstelle in Liestal streiten sich die beiden Parteien auf einem Nebenschauplatz: Aus der Heizung des Mieterpaars war Wasser ausgelaufen. «Die Mieter beauftragten direkt einen Handwerker, weil es bei der Verwaltung immer relativ lange dauert, bis sie antwortet», erklärte die Übersetzerin. «Sie müssen halt deutsch reden», entgegnet der Verwalter. Er habe sich geweigert, die Rechnung zu bezahlen, um die Mieter zu erziehen. «Wer bestellt, der bezahlt. Ich will grundsätzlich nicht, dass Mieter einen Handwerker bestellen», sagt er. Die Rechnung hat er inzwischen dennoch bezahlt.


Erst dann kommt die Rede auf den eigentlichen Streit: Die hohen Nebenkosten. Der Verwalter verweist auf die allgemeinen Bestimmungen des Mietvertrags. In Paragraf 1, Absatz 3 sei dort ausdrück-lich festgehalten, dass die Eigentümerin berechtigt sei, diese Kosten einzufordern. Er beginnt, aus den umständlich formulierten allgemeinen Bestimmungen zu zitieren. «Sie dürfen davon ausgehen, dass wir die Akten kennen», unterbricht ihn die Vorsitzende.

«Sonst noch etwas?», fragt die Verhandlungsleiterin in die Runde. Ja. Da sei noch ein Formular, in dem die Verwaltung die monatliche Akontozahlung für die Nebenkosten von 180 auf 310 Franken erhöht habe, sagt die Übersetzerin. Doch das Ehepaar hat die 30-tägige Einsprachefrist verstreichen lassen. So hat der Verwalter leichtes Spiel. «Das ist nicht Gegenstand der heutigen Verhandlung», kontert er.

Trotz allem sind die Schlichtungsbehörden häufig erfolgreich in ihren Vermittlungsversuchen. So kam es schweizweit im ersten Halbjahr 2004 bei 43 Prozent der erledigten Fälle zu einer Einigung. Allerdings akzeptieren die Streitparteien einen Vorschlag häufig auch deshalb, weil ein Verfahren vor Gericht in den meisten Kantonen ins Geld geht. Diese Gerichtskosten werden am Streitwert bemessen. Hinzu kommen Anwaltskosten. Wer schliesslich unterliegt, muss in der Regel den Grossteil der Kosten übernehmen.

Nach einer zwanzigminütigen Pause werden die Parteien ins Verhandlungszimmer gerufen. Die Schlichterinnen unterbreiten den beiden einen Vergleichsvorschlag: Der Eigentümer muss dem Mieterehepaar 442 Franken und 10 Rappen zurückbezahlen. Bei ihrem Vorschlag stützte sich die Schlichtungsstelle auf einen Bundesgerichtsentscheid: Nebenkosten müssen ausdrücklich im Mietvertrag vereinbart werden. Ein Verweis auf die allgemeinen Bestimmungen reiche nicht aus, erklärt Sibylle Hellstern dem Verwalter. Da im vorliegenden Mietvertrag weder Wasser, Abwasser, Waschmaschine noch Tumbler unter den Nebenkosten aufgeführt seien, könnten diese Kosten auch nicht verrechnet werden. – Der wutentbrannte Vermieter dürfte es auch in den nächsten Instanzen schwer haben.

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