Also doch: Die Stadt Biel hat ein Einsehen. Sie gibt einem 80-Jährigen, der als Kind unter Vormundschaft stand, seine Ersparnisse zurück. Das Geld war vor 60 Jahren in der Administration versickert. Der Gemeinderat stimmte einem Vergleich zu, die Stadt zahlte dem Rentner 20'000 Franken. 

Vor zwei Jahren hat Frédéric S. seine Zeit im Kinderheim aufgearbeitet – und stiess dabei auf Bankkonten, von denen er bis dahin nichts gewusst hatte. Verwandte hatten das Geld für ihn auf diese Konten überwiesen. Er sollte es bekommen, sobald er volljährig wäre.

Irritierend: Laut den Dokumenten haben die Vormundschaftsbehörden die Banken damals angewiesen, die Konten aufzuheben und die Guthaben der Stadt Biel zu überweisen – obwohl Frédéric S. zu diesem Zeitpunkt seit zehn Jahren nicht mehr unter Vormundschaft stand und zudem volljährig war (siehe Ex-Heimkind stösst auf brisante Akten: Wo ist sein Geld? ). 

Frédéric S. machte die Stadt Biel auf die Vorgänge aufmerksam und forderte eine Entschädigung. Der Gemeinderat schrieb zurück, er müsse seinen Anspruch beweisen. Man verwies auch auf die absolute Verjährungsfrist, die 1972, zehn Jahre nach seiner Volljährigkeit, abgelaufen sei. Eine unverständliche Reaktion für Frédéric S. Er sagte damals: «Ich habe nie einen Franken erhalten. Ich konnte auch nie einen Betrag einfordern, weil ich ja gar nicht wusste, dass mir etwas zusteht.»

Endlich eine Aussprache

Erst als der Beobachter die Behörden mit weiteren Dokumenten konfrontierte, kam es zu einem Gespräch zwischen dem ehemaligen Heimkind und der Fürsorgedirektion. Frédéric S. forderte zumindest die nachweisbaren rund 5000 Franken zum heutigen Gegenwert samt Zinsen – rund 27'000 Franken. Schliesslich stimmte er dem Vergleich von 20'000 Franken zu. 

Dass er sein Geld nun doch noch erhalten habe, erfülle ihn mit Genugtuung. Einziger Wermutstropfen: Im Vergleich mit der Stadt Biel steht kein Wort des Bedauerns. Der Rentner will mit der «symbolischen Entschädigung» ein Buch finanzieren, an dem er seit geraumer Zeit arbeitet. «Es geht unter anderem um meine Mutter und die Schwierigkeiten, die sie zeitlebens mit den Behörden hatte.»

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Otto Hostettler, Redaktor
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