Die letzte Job-Coaching-Schulung lag gerade mal vier Jahre zurück, die Bewerbungsunterlagen waren korrekt und auf dem neusten Stand. Trotzdem kam Helene Weigelt (Name geändert) am Kurs «Standortbestimmung und Bewerbungstraining» nicht vorbei, als sie im Februar wieder arbeitslos wurde. «Meine Beraterin beharrte darauf.»

So lernte die Sekretärin auf Geheiss ihres Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums (RAV) halt erneut, wie man Bewerbungsunterlagen zusammenstellt. Weil sie den Kurs wegen eines Todesfalls in der Familie nicht beenden konnte, sollte sie im Mai denselben Lehrgang gleich noch einmal machen. Frustriert darüber, dass ihr die RAV-Beraterin jegliche andere Kurse verwehrte, hatte sich Weigelt für die fragliche Zeit aber bereits selbst einen Sprachaufenthalt in England organisiert. Eine teure Angelegenheit: Wegen des ausgelassenen Job-Coachings musste sie zwölf Einstelltage hinnehmen, während deren sie keine Taggelder erhielt.

Immerhin – nach langem Hin und Her durfte Weigelt einen Kurs für den Umgang mit einer Buchhaltungssoftware besuchen, von dem sie sich bessere Chancen bei künftigen Bewerbungen erhofft. Bedingung des RAV: Weigelt musste trotzdem nochmals einen Job-Coaching-Kurs besuchen. «Ich muss keine Gründe für meinen mangelnden Erfolg bei der Stellensuche analysieren», sagt die 53-Jährige nüchtern. «Wenn ein Arbeitgeber unter 100 Bewerberinnen auslesen kann, so nimmt er nicht die älteste. So einfach ist das.»

«Lieber mal in einen Kurs»

Weigelt befindet sich in Gesellschaft zahlreicher desillusionierter Stellensuchender, die die Dienstleistungen des RAV eher als Bremsklotz denn als Anschubhilfe für den beruflichen Neustart empfinden. Eine typische Reaktion, wie die Berner Soziologin Chantal Magnin in einer Untersuchung über die Wirkung der öffentlichen Arbeitsvermittlung festgestellt hat. Nach der Auswertung von mehr als 200 Beratungsgesprächen in sieben RAV kommt sie zum Schluss: «Aufgrund der restriktiven Ausgestaltung und Handhabung der Vorschriften nehmen Arbeitslose nicht wie gewünscht mehr, sondern weniger Verantwortung für ihre Rückkehr in den Arbeitsmarkt wahr.»

Eine ernüchternde Erkenntnis. Denn als 1997 im Zuge der Revision der Arbeitslosenversicherung (ALV) die regionalen Vermittlungszentren eingerichtet wurden, war exakt das Gegenteil geplant: Die Stellensuchenden sollten mehr Eigeninitiative entwickeln, um so schnell wie möglich einen neuen Job zu finden. Dies mit aktiver Unterstützung der RAV-Angestellten, die laut Gesetz verpflichtet sind, «die Arbeitslosen zu beraten und sich zu bemühen, ihnen Arbeit zu vermitteln».

In der Realität einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit ist von diesem gut gemeinten Partnerschaftsmodell nicht viel übrig geblieben. Die RAV-Berater sind vollauf damit beschäftigt, die Bemühungen ihrer Schützlinge zu kontrollieren und ihnen nötigenfalls durch Sanktionen auf die Sprünge zu helfen. Für eine individuelle Beratung und bedarfsgerechte Problemlösung bleibt schlicht zu wenig Zeit.

Die aktuelle Statistik des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zeigt das Ausmass dieser Fliessbandarbeit mit Arbeitslosen: Jeder der zurzeit 2500 RAV-Personalberater betreut durchschnittlich 118 Dossiers – ein Wert am oberen Ende einer Bandbreite von 85 bis 120 Fällen, die das Seco als machbar definiert. «Die Zahl der RAV-Berater ist von der Wirtschaftslage abhängig», sagt Dominique Babey, Leiter des Bereichs Arbeitsmarkt und ALV im Seco. «Als die Konjunktur im Jahr 2000 schnell wieder anzog, hatten die Kantone plötzlich viel zu viele RAV-Berater. Deshalb sind sie jetzt zurückhaltender mit der Schaffung von neuen Stellen.» Dies führe zur «eher hohen» Dossierzahl pro Berater.

Diese entlasten sich mitunter durch fragwürdige Massnahmen: Weil eine individuelle Förderung ohnehin nicht möglich sei, schicke er Klienten «lieber mal in einen Kurs», bekennt ein gestresster RAV-Mann gegenüber dem Beobachter. Die Leidtragenden sind die Stellensuchenden, die sich jeder noch so zufälligen Anweisung fügen müssen, um nicht bestraft zu werden. «Sie tun nur noch, was sie tun müssen, und nicht mehr, was sie für richtig halten», schreibt Chantal Magnin in ihrer Nationalfonds-Studie, deren Schlussbericht in Kürze publiziert wird.

Freiwillig hätte sich auch Gabriella Groppetti nicht für ein «Bewerbungstraining Typ B» gemeldet: «Meine Beraterin verdonnerte mich dazu», klagt die stellensuchende Journalistin, die sich erfolglos gegen die Einteilung wehrte. «Alle meine arbeitslosen Berufskollegen konnten den Kurs A für Führungskräfte besuchen.» Der Inhalt der Schulung bestätigte ihre Befürchtungen: Die Journalistin, die schon ganze Magazine selber gestaltet hat, sollte lernen, Bewerbungen zu schreiben. «Die meisten anderen Teilnehmer kamen aus handwerklichen Berufen, einige von ihnen konnten kaum Deutsch. Ich war massiv unterfordert.» Am zweiten Tag gab Groppetti entnervt auf und meldete sich bei der Kursleiterin ab. Die schriftliche Erklärung zuhanden des RAV fruchtete nichts: Neun Einstelltage waren die bittere Folge.

Bewerben auf Gedeih und Verderb

Der Nutzen der «arbeitsmarktlichen Massnahmen», die Arbeitslose für eine neue Anstellung fit machen sollen, ist nicht nur im Einzelfall umstritten. Michael Lechner, Volkswirtschaftler an der Universität St. Gallen, ortet generell ein erhebliches Verbesserungspotenzial. «Ein gezielterer Einsatz scheint nötig, damit die Wiederbeschäftigung gefördert wird, statt sie zu hemmen», schreibt er in einer Studie. Im Klartext: Es braucht bei den RAV grössere Anstrengungen, damit die richtigen Teilnehmer in die richtigen Schulungen kommen. Besonders für die neuere Klientel der gut qualifizierten Spezialisten taugt das Kursangebot oft nicht. «Es wäre für manchen Arbeitslosen besser, er würde keine Massnahme absolvieren und sich stattdessen ganz auf die Stellensuche konzentrieren», bestätigt Lechner.

Diese ist aufwändig genug. Ende August 2004 standen den 146'000 registrierten Arbeitslosen in der Schweiz gerade mal 7900 gemeldete offene Stellen zur Auswahl – da sind kreative Suchstrategien gefragt. Doch im engen RAV-Korsett hat gerade das kaum Platz. Hier lautet die Vorgabe: bewerben auf Gedeih und Verderb – selbst wenn der Markt im Berufsfeld, das der Ausbildung des Jobsuchenden entspricht, völlig ausgetrocknet ist oder nicht nach Schema F funktioniert.

Diese Erfahrung machte die Regisseurin Bea Paulwitz (Name geändert). Nach dem Ende eines Engagements hatte sie bis zum nächsten Job eine arbeitslose Zeit von zweieinhalb Monaten zu überbrücken. «Meine RAV-Beraterin erklärte mir, sie wisse, dass in meinem Beruf das meiste über persönliche Kontakte laufe. Trotzdem musste ich pro Monat zehn Bewerbungen vorlegen.» So dokumentierte Paulwitz fortan wacker Besuche an Premierenfeiern und am Theaterspektakel, «alles Kontakte, die ich sowieso pflege». Die Forderung ihrer Beraterin, «dem Gesetz Genüge zu tun», war damit erfüllt.

Wie viele Arbeitsbemühungen vorgelegt werden müssen, bestimmt der jeweilige RAV-Berater. Dabei ist er an die Anweisungen seiner Vorgesetzten, bestenfalls an die Direktiven des Kantons gebunden; schweizweit gültige Vorgaben existieren nicht. «Nach der Einführung des RAV-Systems versuchten wir zuerst, jedes Detail per Kreisschreiben von Bern aus zu regeln», erklärt Seco-Vertreter Dominique Babey, «aber damit kamen wir nicht weiter.» Nun definiert das Seco nur noch die Ziele, die jeder Kanton nach eigenem Gusto erreichen soll. Die Folge: ein Gesetz, das auf 26 verschiedene Arten ausgelegt wird.

Das gibt Arbeit für Juristen. Die Frage nach dem Ausmass der Arbeitsbemühungen musste denn auch schon vom Eidgenössischen Versicherungsgericht beurteilt werden. Die Antwort aus Luzern: Je geringer die Aussichten einer Person sind, irgendwo unterzukommen, umso intensiver muss diese sich bewerben, auch ausserhalb der bisherigen Tätigkeit. Es hat sich eingependelt, dass pro Monat zehn bis zwölf Arbeitsbemühungen vorgewiesen werden müssen. Bei momentan knapp 150'000 Erwerbslosen wurden somit allein im September rund anderthalb Millionen Bewerbungen losgeschickt – und mangels verfügbarer Stellen ähnlich viele Absagen wieder zurück.

Die Arbeitgeber tun sich schwer

Dieser systembedingte Leerlauf sorgt nicht nur für Frust bei den erfolglosen Bewerbern, sondern auch für rote Köpfe bei den Stellenanbietern. Nach Schätzungen von Markus Jordi, Personalverantwortlicher bei den Basler Versicherungen, «sind zehn bis zwanzig Prozent aller Bewerbungen, die bei uns eintreffen, als Alibibewerbungen erkennbar». Der administrative Zusatzaufwand sei beträchtlich. Auch Georg Staub von der Geschäftsstelle des Verbands der Personaldienstleister schüttelt den Kopf: «Der Bewerbungszwang ist eine demütigende Art, Leute auf Arbeitssuche zu schicken. Eine Auflage, die niemandem hilft – total ineffizient.»

In solchen Äusserungen zeigt sich, dass man auf Arbeitgeberseite auch nach sieben Jahren nicht recht warm wird mit dem Modell der öffentlichen Arbeitsvermittlung. Sichtbar ist das auch bei den gemeldeten Stellen: Nur rund ein Viertel aller freien Jobs in der Wirtschaft gelangt in die Datenbank der RAV.

Ob mehr Daten den dortigen Personalvermittlern das Leben erleichtern würden, ist indessen fraglich. Denn das noch aus den achtziger Jahren stammende Vermittlungssystem AVAM, in dem gesamtschweizerisch die Informationen von Stellensuchenden und -anbietern erfasst werden, treibt die Benutzer mit seiner Bedienungsunfreundlichkeit und Trägheit jetzt schon zur Weissglut. Langjährige Berater gehen davon aus, dass fünf Prozent ihrer Arbeitszeit allein durch die Tücken der antiquierten Technik ungenutzt verpuffen. Problematisch ist auch die starre Systematik bei den Berufsbezeichnungen: Wohl sucht das AVAM beispielsweise alle «Geschäftsführer» heraus, gibt aber keinen Hinweis auf die Branche – unbrauchbare Zuweisungen sind so programmiert. Eine Neukonzeption ist beim Seco seit längerem in Arbeit, doch die Applikation wird erst 2008 vollständig aufgeschaltet.

So lange bleiben auch die stellensuchenden RAV-Kunden mit einer scheinbar nebensächlichen Erscheinung von AVAM konfrontiert: Die im System generierten Standardbriefe für Vorladungen oder Mahnungen kommen in einem derart rüden Ton und mit für Laien unverständlichen Rechtsbelehrungen daher, dass sie das Klima zwischen Berater und Klient oft von vornherein vergiften. «Ein Fernbleiben hat die Kürzung Ihrer Taggelder zur Folge»: So formulierte Einladungen sind selten der Beginn einer fruchtbaren Beziehung.

Arbeitslose: latent verdächtig

Auch die Soziologin Chantal Magnin hat bei ihren Fallstudien festgestellt, dass das «generalisierte Misstrauen» im RAV-Modell zwischenmenschliche Gräben aufreisst. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht gilt: hier der Stellensuchende, der laufend beweisen muss, dass er sich konform verhält, dort der Berater, der darüber urteilt. «So stehen arbeitslose Personen latent unter Verdacht, ihre Arbeitslosigkeit selbst zu verschulden», sagt Magnin. «Das birgt das Risiko einer Entwürdigung.» Tatsächlich sind im Beobachter-Beratungszentrum neben fachlichen Fragen vor allem Beschwerden über angebliche Schikanen im RAV an der Tagesordnung. «Egal, was ich mache», klagte eine junge Frau, «alles wird so verdreht, dass der RAV-Berater Recht hat.»

Je nachdem, ob ein Personalberater das Recht streng oder grosszügig auslegt, nimmt er die ihm zugeteilten Klienten mehr oder weniger stark ans Gängelband. «Die Rechtsgleichheit ist nicht garantiert», kritisiert Chantal Magnin dieses Zufallsprinzip. Ein Indiz dafür sind die kantonalen Unterschiede bei der Sanktionshäufigkeit: Während 2003 in Appenzell Innerrhoden 9,8 Prozent der Leistungsbezüger wegen eines Fehlverhaltens mit Taggeld-Streichungen bestraft wurden, waren es in Obwalden 44,6 Prozent. Beat Schwander, Leiter des RAV Ob- und Nidwalden, hat jedoch nicht das Gefühl, besonders restriktiv zu sein: «Wir vollziehen nur das Gesetz, wie es vorgegeben ist.»

Wenn es nach Chantal Magnin ginge, müsste dies nicht auf ewig so bleiben. Aufgrund ihrer Untersuchungen schlägt die Wissenschaftlerin vor, die heute vom RAV ausgeübte Doppelfunktion Gesetzesvollzug und Beratung zu entflechten. Dies böte die Chance, beide Aufgabenbereiche je für sich zu professionalisieren. «Die heutige Lösung ist ein Strukturproblem, das die RAV-Berater in ein Dilemma bringt», sagt Magnin: «Wer mit der Kontrolle beschäftigt ist, kann nicht gleichzeitig inhaltlich auf die geschilderten Sachverhalte eingehen.»

Kein Platz für Kreativität

Eine Professionalisierung der Beratungstätigkeit fordert aber auch der zunehmend flexible und spezialisierte Arbeitsmarkt, und da ist heute im RAV guter Rat oft schwierig zu finden. Wer mit seinem Arbeitsmodell nicht in ein 08/15-Schema passt, hat Probleme. Eigeninitiative und kreative Ideen haben keinen Platz – diese Erfahrung musste auch Rudolf Albonico machen. Der Lebenslauf des 57-Jährigen weist nicht weniger als 13 Berufe aus, vom Ökobauern bis zum Journalisten. Viele seiner Tätigkeiten übte Albonico parallel aus, so etwa den Betrieb eines Gasthauses als Selbstständigerwerbender neben Teilzeitanstellungen in einer Beratungsfirma. Das Hotel verkaufte der umtriebige Bündner im Frühjahr 2003. Die Teilzeitjobs wiederum, total 40 Stellenprozente, liefen Ende 2003 aus – und die Probleme begannen. Albonico meldete sich beim RAV teilarbeitslos und beanspruchte Taggelder für die 40 Prozent, die er als Angestellter gearbeitet hatte. In der Rubrik «Vermittelbarkeit» gab er an, dass für ihn Jobs zwischen 20 und 100 Stellenprozenten in Frage kommen – Flexibilität pur.

Aber Albonico hatte die Rechnung ohne die Arbeitslosenkasse gemacht: Weil die GmbH, die er einst zum Betrieb des Hotels gegründet hatte, im Handelsregister noch nicht gelöscht war, habe er eine «arbeitgeberähnliche Stellung» inne, beschied man ihm. Daher gelte er «gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung» als «nicht vermittlungsfähig» – und damit als nicht unterstützungsberechtigt. Ziel der Arbeitslosenversicherung, doppelte das Seco nach, sei namentlich «die dauerhafte Wiedereingliederung der versicherten Person in den Arbeitsmarkt. Dafür muss sie objektiv wie subjektiv gewillt und in der Lage sein, eine dauerhafte unselbstständige Tätigkeit zu suchen und anzunehmen.»

Mittlerweile hat Albonico – ohne RAV-Hilfe – eine solche Tätigkeit gefunden: bei einem Theaterprojekt. Die GmbH hat er aufgelöst, die Motivation zur Selbstständigkeit ist weg: «Eine eigene Firma verträgt sich offenbar nicht mit einer Teilzeitstelle als Angestellter. Ich kann nur davor warnen, ein eigenes Geschäft zu gründen.»

Am Ende bleibt nur Sarkasmus

Für Wolfgang Schu, Industriekaufmann aus dem Aargau, kommt dieser Rat zu spät: Er hat sich bereits rettungslos in der Bürokratie verheddert. Dabei wollte er mit dem Schritt in die Selbstständigkeit nur tun, was ihm das Gesetz unter dem Stichwort «Schadenminderungspflicht» vorschreibt: «Wenn ich die ALV entlasten will, bleibt einem wie mir ja nur dieser Weg.» «Einem wie mir» bezieht sich auf Schus Hintergrund: Der 62-Jährige verlor letztes Jahr infolge Restrukturierung seine Kaderstelle bei einem Grosskonzern. Alle Bemühungen, eine neue Stelle zu finden, fruchteten nicht: «Zu alt, überqualifiziert, zu teuer.»

Zur Verwirklichung des Plans, seine internationale Erfahrung im IT-Bereich für eine selbstständige Tätigkeit zu nutzen, beantragte Schu im Juni Planungsphasen-Taggelder. Diese richtet die ALV aus, damit Firmengründer während maximal 90 Tagen ohne sonstige Verpflichtungen ihr Geschäft vorbereiten können. Doch das Aargauer Amt für Wirtschaft und Arbeit winkte ab. Begründung: Das Gesuch sei nicht ausreichend dokumentiert; vor allem fehle ein aussagekräftiger Geschäftsplan. Wolfgang Schu hingegen argumentiert: «Um einen seriösen Businessplan zu erstellen, benötige ich ja gerade die Planungsphase.» In seinem Fall wäre für eine vertiefte Marktanalyse ein mehrwöchiger Auslandsaufenthalt nötig. Was Schu besonders ärgert: Die einschlägigen Gesetzesparagrafen würden keinen «Geschäftsplan» verlangen, sondern nur ein «Grobkonzept». Und dieses habe er pflichtgemäss geliefert.

Um diese Huhn-oder-Ei-Frage entbrannte in der Folge ein ebenso umfangreicher wie hitziger Briefwechsel. Die Verhärtung war vorgezeichnet: Wolfgang Schu gehört zur neueren Gruppe von Arbeitslosen, die – hoch qualifiziert und selbstbewusst – nicht alles schlucken, was aus dem RAV kommt. Und dort wissen sich die in die Enge getriebenen Angestellten häufig nicht anders zu helfen, als sich an Formalitäten zu klammern.

An der Sache selbst vermochte der ausgebremste Firmengründer allerdings auch mit seinem 21-seitigen Einspracheschreiben nichts zu ändern: Im September kam ein zweites Njet aus Aarau. Seine Situation beschreibt Wolfgang Schu nicht ohne Sarkasmus nunmehr so: «Erstens: ohne Geschäftsplan keine Planungsphasen-Taggelder. Zweitens: ohne diese Taggelder keine Möglichkeit, einen Geschäftsplan zu erstellen. Drittens: zurück zu Punkt eins. Das verhindert erfolgreich jede wie auch immer geartete Eigeninitiative.»