Aufgezeichnet von Raphael Brunner:

Ein Indiz sind schlechte Schuhe. Ein Maler in Adiletten, da stimmt etwas nicht. Oder billiges Werkzeug, kein Handwerkergürtel, Autos ohne Firmennamen. Wer regulär arbeitet, ist richtig ausgerüstet.

Wir kontrollieren vor allem auf Baustellen, in Küchen, in Läden. Überall dort, wo die Büez wenig Ausbildung braucht. Bei Elektrikern gibt es selten Schwarzarbeit, bei Eisenlegern häufig. Meist haben sie keine Arbeitserlaubnis, kommen als Touristen in die Schweiz. Nicht selten sind Schleuserbanden beteiligt. Es gibt aber auch den gutschweizerischen Gartenbaumeister, der mit seinem Kollegen am Samstag für Bares auf die Hand einen Sitzplatz plättelt.

Wie heisst der Chef?

Schwarzarbeit ist eine Riesensache, auch in der Schweiz. 62 Milliarden Franken werden jährlich umgesetzt, heisst es beim Bund. Die meisten Leute sehen Schwarzarbeit nicht, weil sie sie nicht sehen wollen. Eine Pflegerin, die den dementen Grossvater fast rund um die Uhr betreut, für 2000 Franken im Monat – hallo?

Für meinen Job braucht es Erfahrung – und einen Riecher. Wir sind zu zweit im Auto unterwegs. Manchmal kontrollieren wir eine Bude oder eine Beiz auf gut Glück. Häufig aber fällt uns etwas auf, dann gehen wir hin. Ein Puff auf der Baustelle etwa, da ist meist etwas faul. Oder wenn die Bedienung im Café nicht weiss, wie ihr Chef zum Nachnamen heisst.

Macher und Zweifler

Wir verlangen einen Ausweis, fragen nach dem Arbeitsvertrag, wie viel die Leute arbeiten, wie viel Lohn sie bekommen. Wenn wir sehen, dass etwas nicht korrekt ist, melden wir das dem Arbeitsamt oder dem Sozialamt. Viele Zwangsmittel haben wir nicht. Wenn jemand wegrennt, dürfen wir ihn nicht aufhalten. Wir sind keine Polizisten. Die meisten wissen das aber nicht. Darum stelle ich mich schon mal breitbeinig in den Eingang, damit niemand auf dumme Gedanken kommt. Mit meiner Postur ist das nicht so schwer. Wenn sich aber jemand widersetzt, können wir nur die Polizei rufen. 

Ich weiss, was ich kontrolliere, ich habe selber alles Mögliche gearbeitet. Zuerst als Koch, dann als Hilfspfleger, später im Sägewerk. Auch als Bauer habe ich mich versucht. Und zehn Jahre lang habe ich in El Salvador, Costa Rica und Nicaragua Aufbauhilfe nach Stürmen und Erdrutschen geleistet. Ich packe gern an, bin ein Macher, aber auch ein Zweifler. Je suis en doute, wie wir im Jura sagen. Ist das richtig, was ich tue? Das frage ich mich oft.

Nichts ist gestellt

Meist sind es armi Cheibe, denen wir auf die Pelle rücken. Trotzdem muss es sein. Schwarzarbeit macht kaputt, wofür unsere Grossmütter und Grossväter jahrzehntelang gekämpft haben. Die Verlierer sind an den beiden Enden der Kette. Die Arbeiterin, die nicht bekommt, was ihr zusteht. Und der Kunde, der oft Pfusch erhält, aber kaum weniger bezahlt. Profiteure sind die Vermittler, die Firmen, die sich Aufträge angeln, weil sie sich nicht an die Regeln halten.

Einen Einblick in unsere Arbeit gibt der neue Dokfilm «Schwarzarbeit». Regisseur Ueli Grossenbacher und sein Team haben uns drei Jahre lang begleitet. Nichts ist gestellt, alles ist echt. Die Leute waren immer einverstanden, dass sie gefilmt werden. Auch die, die wir erwischt haben.

Wir Inspektoren und Inspektorinnen sind alle verschieden, das sieht man sofort im Film. Einer war früher Polizist und ist es inzwischen wieder. Ich dagegen bin im Herzen Aktivist. Trotzdem kämpfen wir für das Gleiche. Politik? Sie ist wichtig. Inzwischen gebe ich meine Stimme aber meinen drei Töchtern. Sie entscheiden, für was ich stimme oder wen ich wähle. Bedingung ist: Sie müssen sich einigen. Es ist ihre Welt, die wir heute gestalten. Ich finde: Trotz allen Zweifeln – mit meiner Arbeit trage ich einen wichtigen Teil dazu bei.

Der Film «Schwarzarbeit» von Ulrich Grossenbacher und mit Frédy Geiser läuft ab 28. April in den Kinos.

Ausbeutung als Geschäftsmodell?

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Quelle: Beobachter Bewegtbild
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Raphael Brunner, Redaktor
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