Die Wirtschaft ist auf gute Leute angewiesen – daran ändert auch die momentane Krise nichts. «Es wird qualifiziertes Personal gesucht», bestätigt Gudrun Sander, «dennoch stagniert der Frauenanteil im Kader seit Jahren.» Die Betriebswirtin und Dozentin an der Universität St. Gallen macht die Erfahrung, dass Frauen, die einige Jahre aus dem Beruf ausgestiegen sind, bei Bewerbungen regelrecht aussortiert werden. Gemäss der neusten Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung sind von den erwerbstätigen Frauen nur 4,4 Prozent in Führungspositionen tätig (84'000), während es bei den Männern 8,5 Prozent sind (195'000).

Ein neues Angebot, um dieses Potential zu nutzen, bildet der Management-Studiengang «Women Back to Business» an der Universität St. Gallen. Zugelassen werden Frauen mit Studienabschluss an einer Universität oder Fachhochschule. Die Nachfrage war im letzten Frühjahr beachtlich: 40 Interessentinnen meldeten sich an, 23 wurden aufgenommen. Sie sind zwischen 33 und 50 Jahre alt und bringen Ausbildungen aller Fachrichtungen mit. Bei ihnen zeigt sich ein allgemeiner Trend: Die Familienpause ist heute kürzer als früher, die Frauen steigen schneller wieder ins Berufsleben ein. Doch entscheidend sei nicht die Länge des Ausstiegs, sagt Projektleiterin Sander, «sondern dass die Frauen schon nach wenigen Jahren ein schlechtes Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten haben».

Bereits bei der Planung des Studiengangs war ihr klar: «Ich will bei den Teilnehmerinnen keine falschen Hoffnungen wecken, und dann bekommen sie doch keine Stelle.» Deshalb sucht sich die Projektleiterin Partnerfirmen, in denen die Absolventinnen praktische Erfahrungen im heutigen Arbeitsumfeld sammeln können. Als Grundlage dafür vermittelt der Studiengang zuerst ein Management-Update in strategischem Management, Projektmanagement, finanzieller Führung, Marketing und Leadership.

Erfahrung und Zuverlässigkeit machens aus

Zusätzlich lernen die Frauen, sich erfolgreich im Stellenmarkt zu positionieren. «Sie sollen ihre Stärken realistisch einschätzen und sich damit nicht in eine direkte Konkurrenz zu jungen Studienabgängern stellen», so Gudrun Sander. Sie zählt Vorteile von Wiedereinsteigerinnen auf: hohe Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Organisationstalent sowie Erfahrung und Zuverlässigkeit. Damit würden «Defizite» wie Ortsgebundenheit und der anfängliche Einstieg mit Teilzeitarbeit bei weitem ausgeglichen. «Die Anstellung einer Wiedereinsteigerin ist ein längerer Prozess, dafür erhält die Firma eine motivierte Mitarbeiterin, die ihr länger treu bleibt, weil die Familienphase abgeschlossen ist», so Sander.

Sechs Firmen beteiligen sich am Projekt: die St. Galler Kantonalbank, Helvetia, Swiss Re, die Post, Schindler und die Müller-Möhl Group. Bei ihnen absolvieren die Teilnehmerinnen ein Praktikum, das zur Ausbildung gehört. «Und weil 24000 Franken Studiengeld für eine Familie ein grosser Brocken sind, beteiligen die Firmen sich mit Stipendien», erklärt Sander und fügt hinzu: «Diese Beteiligung stärkt die Verbindlichkeit für beide Seiten.»

«Wir wollten eine andere Zielgruppe ansprechen», sagt Baptist Gmünder, Personalchef der St. Galler Kantonalbank. «Diese Frauen bringen im Unterschied zu Studienabgängern bereits praktische Berufs- und Lebenserfahrung mit – und auch eigene Netzwerke.» Fünf Ausbildungsplätze stehen zur Verfügung. Erste Anstellungsgespräche laufen, möglich sind Teilzeitpensen von 60 bis 70 Prozent. Nach dem Vertragsabschluss durchlaufen Wiedereinsteigerinnen wie Studienabgänger ein bankinternes Ausbildungsprogramm. «An unserem Engagement ändert die jetzige Krisensituation nichts», betont Gmünder. «Wir brauchen gute Leute in der Kundenberatung, dafür können wir vorübergehend auch eine Überbesetzung in Kauf nehmen.» Noch sei das Projekt eine Investition, doch die Bank rechne damit, auf diese Weise gut qualifizierte Frauen zu gewinnen.

Aussteigerinnen schaden der Wirtschaft

In den kommenden Studiengang von «Women Back to Business» (siehe nachfolgender Kasten «Women Back to Business») werden nur Bewerberinnen mit wirtschaftswissenschaftlichem Hochschulabschluss aufgenommen. Diese alternierende Einschränkung wird von einigen der Partnerfirmen gewünscht. Baptist Gmünder erklärt: «Unsere Erfahrungen zeigen, dass anspruchsvolle Kundenberatung ohne betriebswirtschaftlichen Hintergrund fast nicht möglich ist.» Damit wolle man nicht zuletzt sicherstellen, dass auch im nächsten Jahr weitere Einstellungen möglich sind.

Der Studiengang in St. Gallen übernimmt eine Brückenfunktion für die Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Die Wirkung hängt auch stark davon ab, ob mehr Firmen in allen Regionen der Deutschschweiz gewonnen werden können. Neu dazugekommen ist die Raiffeisenbank.

Bei den gut (und damit teuer) ausgebildeten Frauen liegt noch Potential zuhauf brach. Rund 22'000 – oder zehn Prozent – der Frauen zwischen 25 und 39 Jahren, die eine höhere Ausbildung absolviert haben, sind nicht erwerbstätig. Expertin Gudrun Sander ist aber überzeugt: «Auf die Länge kann es sich die Volkswirtschaft gar nicht leisten, dass diese Frauen sich nach ein paar Jahren Ausstieg am Ende mit Stellen begnügen müssen, für die sie überqualifiziert sind.»

Quelle: Desirée Good
Johanna Reinhart

50, drei Kinder (21-, 19- und 15-jährig)

«Ich stieg mit dem ersten Kind aus dem Beruf aus, weil in meiner Firma sonnenklar war, dass man voll oder gar nicht arbeitet», sagt Johanna Reinhart.

Die Lebensmittelingenieurin war damals die einzige Frau im Team. Jetzt lebt sie mit ihrem Mann, den drei Kindern sowie zwei jungen Männern «in Pflege» in einer Art offener Wohngemeinschaft.

Der Studiengang in St. Gallen sei genau das Richtige. «Ich lerne Management-Instrumente, die mir in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit von Nutzen gewesen wären.» Während der Familienzeit leistete sie als Vorstandsmitglied, in der Schulpflege und als Verwaltungsrätin Freiwilligenarbeit und war Mitbegründerin der Schweizerischen Vereinigung der Ingenieurinnen. «Nun möchte ich für meine Arbeit wieder entlöhnt werden.» Angst davor, den Wiedereinstieg nicht zu schaffen, hat sie keine: «Ich bin sehr motiviert und bringe einiges mit.»

Quelle: Desirée Good
Nathalie Meyrat Mack

42, zwei Kinder (5- und 7-jährig)

«Es ist ein guter Zeitpunkt, den Studiengang an der Uni St. Gallen zu machen, weil beide Kinder jetzt eingeschult sind», sagt Nathalie Meyrat. Sie hat Geschichte und Französisch studiert, danach im Kommunikations- und PR-Bereich gearbeitet. Vor sieben Jahren stieg sie aus der Erwerbsarbeit aus. Die Familienzeit nutzte sie, um eine therapeutische Ausbildung zu machen.

Jetzt sucht sie eine Teilzeitarbeit – wieder im PR-Bereich oder als Coach in der Unternehmensberatung. «Der Studiengang liefert mir den theoretischen Unterbau zu dem, was ich von meiner früheren Arbeit her kenne», sagt sie. «Und er gibt neue Inputs, die ich weiterentwickeln kann.» Eine gute Vorbereitung für die Stellensuche seien die praktischen Übungen, so Meyrat. «Wir lernen, uns professionell zu präsentieren.» In der Ausbildung seien ihr auch Perspektiven in anderen Arbeitsbereichen aufgezeigt worden.

Hintergrund

Erwerbsquote: Die Schweiz steht weit vorne

Im internationalen Vergleich weist die Schweiz eine relativ hohe Erwerbsquote von Frauen auf (59 Prozent). Dies ist unter anderem auf die häufigeTeilzeitarbeit zurück-zuführen. Nur Dänemark,Norwegen und Island stehen in Europa vor der Schweiz.

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Quelle: Desirée Good

«Women Back to Business»

Studiengang der Universität St. Gallen

21 Präsenztage Ausbildung, 20 bis 25 Tage Vor- und Nachbereitung, eine Woche Praktikum, Abschluss mit dem Weiterbildungszertifikat HSG in Management. Die Kosten belaufen sich auf 24'000 Franken (bis zur Hälfte durch ein Firmenstipendium gedeckt). Nächster Beginn: September 2009;

Anmeldung bis Ende Mai 2009. Infos: www.es.unisg.ch/wbb

Weitere Wiedereinstiegsprogramme (Standortbestimmung, Einstiegshilfe in bestimmte Berufe, Ausbildungsberatung) bieten unter anderem folgende Einrichtungen an:

Wefa (Weiterbildungen für den Arbeitsmarkt), Zürich, www.wefa.ch und Telefon 043 244 91 91

EB Zürich, Bildungszentrum für Erwachsene, www.eb-zuerich.ch und Telefon 0842 843 844