Leseratten kennen das Phänomen: Man pilgert in die Bibliothek, schleppt einen Sack Bücher nach Hause – und kaum hat man ein bisschen darin gelesen, ist die Ausleihfrist überzogen. Doch die Zeiten der Mahngebühren gehören bald der Vergangenheit an – zumindest für all jene, die sich auf E-Books einlassen.

Immer mehr Bibliotheken bieten ihre Medien unterdessen auch in digitaler Form an. «Allein im letzten Jahr sind rund hundert Bibliotheken dazugekommen», sagt Kenny Jenkins vom SBD Bibliotheksservice in Bern. Die Firma organisiert den elektronischen Ausleihdienst für Schweizer Bibliotheken. Der grosse Vorteil der digitalen Bibliothek: Sie steht Tag und Nacht offen, und die Leihfristen verwalten sich selbst. Ausgeliehene Medien bekommen beim Herunterladen nämlich automatisch ein Ablaufdatum. Wenn dieses verstrichen ist, lässt sich die Datei nicht mehr öffnen.

Dafür sorgt das sogenannte Digital Rights Management, kurz DRM, ein Kopierschutz für urheberrechtlich geschützte Inhalte. Es verhindert, dass Nutzer digitale Inhalte vervielfältigen oder weiterreichen. Je nach Lizenz können die Bibliotheken ein oder mehrere Exemplare eines Titels verleihen. Gerade Neuerscheinungen stehen meist nicht unbeschränkt zur Verfügung. Das gleiche Buch kann dann nicht gleichzeitig von mehreren Lesern ausgeliehen werden.

Neu ausleihen statt Frist verlängern

Je nach Bibliothek können Nutzer die E-Books zwei bis vier Wochen ausleihen, Zeitungen und Zeitschriften nur wenige Tage. Der Grund für die teilweise kurzen Fristen: Viele Bibliotheken haben sich für die Online-Ausleihe zu Verbünden zusammengeschlossen, damit auch kleinere Bibliotheken profitieren. Das erhöht die Anzahl potenzieller Leser pro Titel. Verlängern kann man die Fristen deshalb nicht, aber das Buch erneut ausleihen. «Weil man ja rund um die Uhr bequem von zu Hause aus Zugang hat, leiht man in der Regel auch nicht gleich fünf, sechs Bücher aufs Mal aus», sagt SBD-Mann Kenny Jenkins.

Falls das gewünschte Buch ausgeliehen ist, kann man es vormerken und wird informiert, sobald es wieder im virtuellen Regal steht.

Die Auswahl ist riesig. In der Schweiz bieten derzeit 240 Bibliotheken die digitale Ausleihe an, es stehen total rund 94'700 E-Books, Zeitungen und Zeitschriften zur Verfügung, aber auch Hörbücher, Filme und Musik-Downloads.

Um E-Books auszuleihen, braucht man nicht viel: Bibliotheksausweis, Computer mit Internetanschluss, für E-Books im E-Pub-Format eine Registrierung beim Softwarehersteller Adobe, dazu das kostenlose Programm Adobe Digital Editions (ADE). Dieses verwaltet die Urheberrechte und die Nutzungsbeschränkungen.

Um das Angebot zu nutzen, sollte man sich zuerst eine Adobe-ID zulegen. Dazu registriert man sich auf der Website von Adobe – wer schon einmal ein E-Book gekauft hat, hat möglicherweise bereits eine ID. ADE wird dann auf dem Computer installiert und die Adobe-ID eingetragen.

Auf der Website des Bibliotheksverbunds meldet man sich mit dem persönlichen Login an, das man von der Bibliothek erhält, und legt die gewünschten Medien einfach in den Bibliothekskorb. Von dort lässt sich später jedes Medium einzeln ausleihen. Handelt es sich um ein E-Book, wird eine Datei mit der Endung .acsm heruntergeladen, die man mit ADE öffnet. Das Programm lädt das Buch in die ADE-Bibliothek auf dem Computer und zeigt dort auch an, wann die Leihfrist abläuft. Um es auf den E-Book-Reader zu übertragen, schliesst man diesen am Computer an. Fast alle E-Book-Reader sind mit ADE kompatibel, eine Liste findet man im Hilfebereich auf der Ausleihseite der Bibliothek.

Per Smartphone oder Tablet geht es noch einfacher. Um auf den Bibliotheksbestand zuzugreifen, benötigt man die Gratis-App «Onleihe», wählt dort die Bibliothek aus und meldet sich ebenfalls mit dem persönlichen Login an. Zum Öffnen und Lesen der Bücher braucht man eine DRM-fähige Lese-App wie zum Beispiel den «Bluefire Reader». Auch diese App gibt es sowohl für Android als auch für iOS gratis zum Download. Analog zum ADE auf dem Computer muss man in der Reader-App vorher die Adobe-ID eintragen und das Gerät auf diese Weise registrieren.

Mit Kindle-Reader nicht kompatibel

Mit einer Adobe-ID können bis zu sechs Geräte verknüpft werden. Der Lesefortschritt wird zwischen den mobilen Geräten, die den gleichen Reader benutzen, synchronisiert. Man kann also zu Hause auf dem Tablet mit Lesen anfangen und auf dem Smartphone unterwegs dort fortfahren, wo man stehengeblieben ist. Auf den mobilen Geräten lassen sich allerdings nur E-Books im E-Pub-Format ausleihen und lesen, keine PDF-Medien.

Die Online-Ausleihen sind derzeit noch weitgehend auf Bibliotheken im deutschen Sprachraum mit deutschen Medien begrenzt. «Es gibt aber auch fremdsprachige Titel, seit Oktober bauen wir insbesondere das englischsprachige Angebot massiv aus», sagt Kenny Jenkins vom SBD Bibliotheksservice.

Das ist auch nötig, denn die digitalen Bibliotheken werden immer beliebter: Etwa 700'000 Ausleihen gab es im vergangenen Jahr – beinahe doppelt so viele wie 2013 und fast 70-mal mehr als beim Start der ersten Angebote im Jahr 2008.

Wer einen Kindle-Reader hat, kann bei den Bibliotheken nicht direkt ausleihen. Kindle-Vertreiber Amazon hat eine eigene Lösung zur Ausleihe digitaler Medien entwickelt. Zugang hat dort, wer Mitglied bei Amazon Prime ist. Das kostet 49 Euro im Jahr. Prime-Mitglieder können ein E-Book pro Monat gratis ausleihen und es so lange behalten, wie sie möchten. Zurückgeben muss man es, wenn man das nächste Buch ausleihen möchte. Die Ausleihe funktioniert nur mit den Kindle-Geräten, nicht mit den Kindle-Apps, die es für Computer, Tablet und Smartphone gibt. Im Moment allerdings in der Schweiz noch nicht – nur mit einem Wohnsitz in Deutschland oder Österreich.

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