Dieser Ort ist ein besonderer. Noch bevor man ihn, auf dem Gommer Höhenweg wandernd, erblickt, hört man ihn. Richtig: Die kleine Besenbeiz auf 1680 Meter über Meer erschliesst sich dem Besucher zuerst akustisch. Es ist der Hausherr, Leo Garbely, bärtig, sehnig, braun gebrannt und mit allen am liebsten sofort per du, der jauchzt, wann immer es ihn packt. Und das tut es an diesem strahlend schönen Tag des Öfteren. Laut frohlockend begrüsst er aus der Ferne herannahende Gäste, verabschiedet gehende, ködert unentschlossene. Und wie er jauchzt, so ist er auch: herzlich, bodenständig, zufrieden.

Zusammen mit seiner Frau Johanna führt der selbständige Schreiner seit diesem Sommer die Walibachhütte oberhalb des Dörfleins Selkingen im Obergoms. Die Hütte, ursprünglich der Käsekeller der Alp, später Unterkunft für die Jäger der Region, ist vor rund 20 Jahren zur Beiz mutiert – auf Nachfrage vieler hungriger und durstiger Wanderer. Müssig die Frage, ob es ihm, Leo, mit eigenem Geschäft im Tal und gepachteter Beiz in der Höhe nicht bisweilen zu viel wird. «Ach was», winkt er ab, «das hier ist für mich Erholung.» Man staunt. Denn was er «Erholung» nennt, würden andere als harte Arbeit bezeichnen.

Der Duft von Thymian und Lärchenholz

Der Alltag ist rau hier oben. Es gibt weder Strom noch eine Zufahrt. Doch Leos herzliche Fröhlichkeit räumt alle Zweifel daran aus, er könnte Beschwerliches schönreden. Die Beiz mit seiner Johanna war ein alter Traum, und dessen Erfüllung gibt beiden eine neue Perspektive. Nach dem Tod ihres lungenkranken Sohnes und nachdem die Tochter ausgezogen war, galt es, Neues anzupacken, den Kummer zu vergessen. Nirgendwo mag dies besser gelingen als hier oben. Den rauschenden Walibach zu Füssen, das schneebedeckte Wasenhorn im Rücken, die nach Thymian und Lärchenholz riechende Bergluft, was will man mehr?

Nichts, so Leo Garbelys Antwort. Gerade die ungeduldigsten Ankömmlinge seien meist diejenigen, die am längsten blieben, sagt er mit dem Lächeln des Kenners. Und fügt etwas ernster an: «Feriengäste brauchen im Goms keine überdimensionierte Resort-Projekte, wie manche meinen. Was uns gratis vor die Tür gestellt wurde, reicht vollkommen. Der Rest ergibt sich von selbst.» Nur fast, ist dem beizufügen. Denn was die Wanderer an der Walibachhütte besonders schätzen, ist das echte Walliser Raclette, das sie hier serviert bekommen.

Wie es sich gehört, wird der Käse am offenen Feuer gebraten. Ein halber Laib liegt auf einem Metallblock, durch den ständig frisches Wasser fliesst, um den hinteren Teil des Käses zu kühlen. Alle zwei bis drei Minuten kann der Chef eine Portion abstreichen. Serviert wird das Raclette mit der leicht rauchigen Note zusammen mit einer Kartoffel, Cornichons, einem Stück Tomate und einem Löffel Curry-Zucchetti – einer Eigenkreation der Wirtin. Die Portion ist nicht riesig, doch als Zwischenmahlzeit ausreichend und für den Preis eines Sandwiches am Zürcher Hauptbahnhof zu haben – bloss ohne Lärm und Hektik. Wer einmal hier zu Tische sass, wird das, was im Unterland als Raclette durchgeht, mit Verlaub, barbarisch nennen.

Authentizität ist es ohnehin, was viele Gäste ins Goms treibt. Die Dörfer, die sich an die junge Rhone, hier Rotten genannt, schmiegen, sind bis heute geprägt von zahlreichen gut erhaltenen, teilweise uralten Walliser Stadeln, Spychern und Ställen. Vom 1975 eröffneten Gommer Höhenweg sieht man sie allesamt von oben. Lauter kleine Perlen, aufgereiht an einer 29 Kilometer langen Kette. Der Weg schlängelt sich im steten Auf und Ab von Bergbach zu Bergbach, von Schlucht zu Schlucht.

Ein «Herr Doktor» als Wegbereiter

Bis in die 1970er Jahre gab es von jedem Gommer Dorf lediglich Trampelpfade hoch zur jeweiligen Alp. Die Idee, all diese Wege quer zu verbinden, stammt von Hermann Wirthner, damals der einzige Dr. med. der Gegend, dem kraft seines Arzttitels selbst von den bisweilen skeptischen Gommern kaum Widerstand erwuchs. Auch gegen den Kauf eines ganzen Dorfes, das auszusterben drohte, hatte keiner etwas einzuwenden.

Nicht nur seinen Besitz, auch die Liebe zum Urtümlichen hat «der Doktor», wie ihn die Einheimischen nennen, vererbt. In dem von ihm erstandenen Weiler Ammern lebt heute seine Tochter, und auch seine Nichte pflegt die Tradition. Diese ist nämlich niemand anderes als Johanna Garbely.

Im Juli und August nehmen die Walibach-Wirtin und ihr Mann, beide passionierte Jäger, ihre Gäste regelmässig mit zur Wildbeobachtung. Beim anschliessenden Hüttenabend gibt Leo Garbely dann alte Wilderergeschichten zum Besten. Für uns aber wird es jetzt Zeit, aufzubrechen. Zum Abschied schickt Leo uns noch einen kräftigen Jauchzer mit auf den Weg.

für 4 Personen

500 Gramm Zucchetti schälen und entkernen, in Würfel schneiden und einen Tag mit einer Handvoll Zwiebelringen und etwa 1 1⁄2 Esslöffeln Salz ziehen lassen. Alles gut mit Wasser spülen und einen Sirup zubereiten: 1 Deziliter weissen Weinessig, etwa 0,5 Deziliter Wasser und 5 1⁄2 Esslöffel Zucker, 1 Teelöffel Currypulver und etwas Pfeffer aufkochen und darübergiessen. Einen Tag ziehen lassen, Sirup abgiessen, mit etwa 1 1⁄2 Esslöffeln Zucker erneut aufkochen, über die Zucchetti giessen und noch einen Tag ziehen lassen. Schliesslich alles nochmals 10 Minuten aufkochen, in heissem Wasser in ein Glas füllen und dieses nach dem Verschliessen mindestens eine Minute auf den Kopf stellen. Die Zucchetti sind etwa ein Jahr haltbar und passen zu Raclette oder auch zu kalter Platte.

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Quelle: Stefan Walter
Der Gommer Höhenweg

Hoch über dem Tal führt der 29 Kilometer lange Gommer Höhenweg über Feld-, Wald- und Wiesenpfade und bietet Ausblick auf mehrere Viertausender. Die Wanderung lässt sich gut in Etappen aufteilen, denn der Weg ist von jedem Dorf innert 20 bis 30 Minuten erreichbar (www.goms.ch).

  • Kontakt: Walibachhütte, 3989 Selkingen VS, Telefon 079 732 01 04
  • Anreise: zu Fuss über den Gommer Höhenweg, Aufstieg von jedem Dorf zwischen Bellwald und Oberwald möglich
  • Öffnungszeiten: täglich ab Mitte Juni bis Mitte Oktober