Cinzia Marcella traute ihren Augen nicht. Da stand plötzlich «Cinzia Bettamin» in ihrem Ausländerausweis. Das Aargauer Migrationsamt hatte ihren Ledignamen eingetragen, obwohl sie seit der Heirat vor 30 Jahren den Namen ihres Mannes trug. Sie war empört: «Dass die Behörden ohne Begründung meinen Namen ändern, finde ich nicht richtig.»

Die in der Schweiz lebende italienische Staatsbürgerin hatte im Herbst 2014 ihren C-Ausweis erneuern müssen. Als sie das Migrationsamt nach den Gründen für die Namensänderung fragte, verwies dieses vage auf das Schengen-Abkommen. Auf Anfrage des Beobachters nennt das Amt den allgemeinen rechtlichen Hintergrund: Als Folge des Schengen-Abkommens müssten die Namen im C-Ausweis und im ausländischen Reisepass «exakt übereinstimmen». Im Pass heisst die 53-Jährige in der Tat Bettamin.

Alle anderen Dokumente auch ändern?

Doch muss Cinzia Marcella nun all ihre Dokumente wie Fahr- oder AHV-Ausweis ändern? Ein Riesenaufwand, verbunden mit Kosten. Das Migrationsamt sagte dazu nur, sie solle bei den zuständigen Stellen nachfragen. Doch auch die Behörden in ihrer Wohngemeinde Birrwil AG blickten nicht durch. Also wandte sie sich ans Beobachter-Beratungszentrum.

Wie Marcella erging es Tausenden von Italienerinnen, Spanierinnen, Portugiesinnen und Französinnen in der Schweiz. Gemäss dem Namensrecht in ihrem Herkunftsland behalten diese Frauen im Pass auch nach der Heirat stets den Ledignamen. In der Schweiz dagegen nahmen sie bis vor wenigen Jahren den Namen des Gatten an. Doch nun wird auf der Vorderseite des C-Ausweises der Ledigname eingetragen.

Dass Cinzia hierzulande Marcella, in Italien aber Bettamin hiess, führte zu seltsamen Situationen. Etwa, wenn sie einem italienischen Polizisten Fahrausweis und Pass zeigen musste. Dass diese Doppelidentität zu Rechtsunsicherheit führt, musste die Spanierin Francisca Rodriguez (Name geändert) erfahren. Sie hatte sich in der Schweiz Travelers Cheques auf ihren Ehenamen ausstellen lassen. In Argentinien verweigerte die Bank die Herausgabe des Geldes: In ihrem Pass stand Gonzales (Name geändert).

Eine Regel, die niemand versteht

Cinzia Marcella will jenen Namen behalten, unter dem sie hierzulande alle kennen. Da das Migrationsamt keinen C-Ausweis auf «Marcella» ausstellen kann, gelangte sie ans Staatssekretariat für Migration (SEM) in Bern. Die Antwort steht aus. Seit Monaten weiss die Frau nicht, wie sie offiziell heisst und ob sie ihre Dokumente anpassen muss.

Weder das Aargauer Migrationsamt noch das SEM sind sich da sicher. Bescheid weiss Cora Graf vom Eidgenössischen Amt für das Zivilstandswesen: «Die betroffenen Frauen können in der Schweiz ihren nach Schweizer Recht erworbenen Ehenamen wie bisher weiterführen.» Auch ihre Dokumente können sie auf diesen lauten lassen. Der Clou: Der Ledigname auf der Vorderseite des C-Ausweises – Bettamin – bildet nur die «Nebenidentität». Die «Hauptidentität» – Marcella – findet sich auf den hinteren Seiten. Diese Regelung widerspricht dem gesunden Menschenverstand und wird den Betroffenen oft nicht erklärt.

Laut dem Aargauer Migrationsamt finden keine Änderungen der Personalien «ohne Abklärung mit den Betroffenen» statt: «Die Gemeinde oder das Migrationsamt weist auf die Problematik hin.» Bei Marcella und anderen Frauen war das aber nicht der Fall.

Immerhin: Frau Marcella darf ihren Namen behalten. Auch den Humor hat sie nicht verloren. «Ich wusste immer: Einen Namen habe ich auf sicher. Den Vornamen.» Den nimmt ihr kein Amt.