Freudig fischt Paula Heinzmann* (Name geändert) die Post aus dem Briefkasten. Es ist ein Dienstag Ende November, ihr 75. Geburtstag. Zwischen die Kärtli und Glückwünsche hat sich ein dünnes Werbemagazin verirrt – Heilsversprechen einer christlichen Gruppierung. Nichts für Heinzmann, also wirft sie die Werbung in einen Abfalleimer am Strassenrand. Was sie nicht weiss: Damit verstösst sie gegen das Gesetz.

Eine Woche darauf trudelt ein Brief der Gemeinde Köniz BE ein. Betreff: Busse für illegale Abfallentsorgung. Inhalt: der Ort des Geschehens, ein Verweis auf Paragrafen, die Rechnung. 35 Franken für das illegale «Güsle», 39 Franken für den Arbeitsaufwand. Und die Drohung, dass Heinzmann im Wiederholungsfall 100 Franken bezahlen müsse. Die Seniorin traut ihren Augen nicht. «Ich komme mir vor wie eine Verbrecherin, das ist doch absurd!»

Die Gemeinde klärt sie am Telefon auf, lässt sich aber nicht umstimmen. «Für die Gemeinde ist es wichtig, dem illegalen Entsorgen entgegenzuwirken», erklärt Daniel Gilgen, Abteilungsleiter Umwelt und Landschaft, auf Anfrage. Oft werde derart viel Privatabfall in öffentlichen Kübeln entsorgt, dass der Platz für «Unterwegsmüll» fehle – deshalb die Bussen. «Im Einzelfall kann es zu übertrieben anmutenden Situationen kommen, das ist unschön.» Und trotzdem nötig.

Jährlich werden in Köniz zwischen 150 und 250 Bussen erteilt. Bei der Hälfte handelt es sich um leichte Vergehen wie bei Paula Heinzmann. Schwere Verstösse, so etwa die mutwillige Entsorgung eines Teppichs in der Papiersammlung, kosten 150 Franken. In solchen Fällen suche die Gemeinde immer das Gespräch, so Gilgen. «Wenn Missverständnisse vorliegen oder die betroffene Person nicht zurechnungsfähig ist, verzichten wir auf ein Bussenverfahren oder stellen eine kleine Busse aus.»

Bis zu 300 Franken für Verstösse

Mit einem solchen Regelwerk ist Köniz nicht allein. Viele Gemeinden haben den Kampf gegen Littering inzwischen verschärft. Werden Kaugummis, Zigarettenstummel oder Flaschen falsch entsorgt, kann das im Aargau bis zu 300 Franken kosten. Wer in Liestal BL auf den Boden spuckt, zahlt 100 Franken. In Dielsdorf ZH wurde eine Frau gebüsst, weil sie ihre Alubüchsen in einem Sack neben dem vollen Container platzierte. Sie hätte dafür einen leeren Kübel suchen müssen.

Obwohl es schweizweit häufig zu solchen Bussen kommt, sind Betroffene oft überrascht – eine Abfallverordnung ist den wenigsten bekannt. «Wer sich informieren will, gelangt am besten an die Wohngemeinde», rät das Bundesamt für Umwelt. Die gesetzlichen Grundlagen zum Abfallwesen sind zwar auf Bundesebene geregelt, der Vollzug liegt aber bei den Kantonen und kann auch an die Gemeinden ausgelagert werden.

Paula Heinzmann weiss inzwischen Bescheid. «So was passiert mir sicher nie mehr», sagt sie. Ihr Ärger sei inzwischen verflogen, nicht aber die Enttäuschung über das grobe Vorgehen ihrer Gemeinde.

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Jasmine Helbling, Redaktorin
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