Es ist eine wahre Bildersammelwut: Tausende von Kameras filmen unentwegt im öffentlichen Raum, auf Strassen, Plätzen und an Bahnhöfen. Allein an den Stadtzürcher Schulen zeichnen 691 Geräte jede Bewegung auf. Auch Private setzen aus Angst vor Vandalismus und Diebstahl immer öfter auf Kameraüberwachung. Das hat viel damit zu tun, dass die Technik erschwinglich geworden ist: Mit weniger als 200 Franken ist man dabei. Und für bescheidene 70 Franken ist auch ein als Wanduhr getarntes Gerät zu haben.

Der immerwache Spion

Eine Kamera am Garagendach ist also flugs installiert, eine zweite über der Gartenlaube auch. Doch darf einfach wahllos gefilmt werden? Was geschieht mit den Aufzeichnungen? Und wie muss darüber informiert werden?

Störende Kameras: So wehren Sie sich

  • Finden Sie heraus, ob die Überwachung privat oder staatlich ist. Im letzteren Fall wenden Sie sich je nach Institution an die kommunale, kantonale oder nationale Behörde.

  • Machen Sie bei einer privaten Überwachung den Kamerabetreiber ausfindig und suchen Sie den Dialog mit ihm. Erfahrungsgemäss lassen sich so viele Missverständnisse ausräumen. Denn viele installieren voreilig eine Kamera und wissen gar nicht genau, was sie beachten müssen.

  • Ein entscheidender Punkt dabei: Ist die Überwachung gerechtfertigt? Zulässig ist etwa der Schutz vor Einbruch. Ruhestörung oder unrechtmässige Abfallentsorgung genügen hingegen nicht als Gründe für eine Überwachung.

  • Auch für private Kameras gilt: Die Überwachung muss deutlich sichtbar signalisiert werden.

  • Ebenso müssen der Einsatz der Kameras und das Verfahren mit den Bildern genau geregelt und offengelegt sein.

  • Sofern keine Unregelmässigkeiten entdeckt werden, muss man die aufgezeichneten Bilder in der Regel binnen 24 Stunden löschen.

  • Die Bilder müssen vor unbefugtem Zugriff geschützt werden: Gemäss Datenschutzgesetz ist für die Aufbewahrung der Aufzeichnungen ein verschlossener Raum obligatorisch.

Gerade bei der Überwachung auf privatem Grund ergeben sich häufig Probleme mit dem Datenschutz. Wenn eine Kamera auch auf die Strasse schwenkt, filmt sie öffentlichen Raum. Es ist aber nicht zulässig, dass dieser von Privatpersonen überwacht wird, sagt der eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte. «Die Wahrung von Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum ist nicht Sache von Privatpersonen, sondern Aufgabe der Polizei», heisst es im entsprechenden Merkblatt.

Rechtlich gesehen liegt ein Eingriff in die Privatsphäre vor, sobald auf Aufnahmen Personen zu erkennen sind – also in ziemlich jedem Fall. Beim Zürcher Datenschützer Bruno Baeriswyl gehen täglich Anfragen von Leuten ein, die sich zu Unrecht überwacht fühlen. «Das sind zum einen Fälle im öffentlichen Raum, etwa Mütter von Schulkindern. Die kann ich dann ziemlich schnell beruhigen, weil die Schulen das meist sehr professionell handhaben», sagt der kantonale Datenschutzbeauftragte.

Wer filmt überhaupt?

Hinzu kommen laut Baeriswyl aber oft Hinweise auf unrechtmässige Kamerainstallationen von Privaten. In solchen Fällen rät der Experte immer dasselbe: Man muss zuerst einmal wissen, wer hier eigentlich filmt. Über den Dialog liessen sich viele Probleme aus der Welt schaffen – die meisten Privatüberwacher seien sich nicht bewusst, dass sie gemäss Datenschutzgesetz jede Kamera mit einem gut sichtbaren Hinweisschild versehen müssen.

Die Bestimmungen sind von Kanton zu Kanton verschieden, doch im Kern sind sie ähnlich: «Es muss stets ein Rechtfertigungsgrund vorliegen», sagt Baeriswyl.

Dabei ist auch der Zeitfaktor zu beachten. «Eine Überwachung rund um die Uhr ist in den wenigsten Fällen sinnvoll und kann gut angefochten werden», so Baeriswyl. Rechtlich heikel wird es, wenn das weitere Verfahren mit dem gesammelten Material undurchsichtig bleibt.

Der Grundsatz: «Kamerabesitzer sind verpflichtet, die Bilder in regelmässigen Abständen zu löschen» – gemäss dem Richtwert des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten alle 24 Stunden.

Quelle: Andrea Klaiber
Drohnen machen alles noch komplizierter

Auch beim Beobachter-Beratungszentrum gehen regelmässig Anfragen zum Thema ein. Der Klassiker: Leute, die sich von den privaten Kameras eines Nachbarn unrechtmässig überwacht fühlen. Etwa wenn ein Parkplatz im Schwenkbereich liegt. Oder wenn die Villa vis-à-vis mit zahlreichen Geräten die ganze Umgebung filmt.

Auch bei Mietstreitigkeiten setzen die Parteien immer häufiger auf Überwachung. So installierte jüngst im Kanton Bern ein Mieter Kameras im ganzen Treppenhaus – ohne Zustimmung von Bewohnern und Vermieter. Auch beim Beobachter lautet der erste Rat in solchen Fällen: das Gespräch mit dem Kamerabetreiber suchen. Wer so keine Einigung erreicht, kann sich immer noch an den eidgenössischen Datenschutzbeauftragten wenden.

«Eine Überwachung rund um die Uhr ist in den wenigsten Fällen sinnvoll.»

Bruno Baeriswyl, Datenschutzbeauftragter der Kantons Zürich

Seit kamerabestückte Drohnen auch für Normalverbraucher bezahlbar sind, ist die Lage noch unübersichtlicher geworden, da man auf fast jedem Drohnenbild Personen erkennt.

Generell ist die Grenze zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit unscharf: Im eigenen Garten den Hund filmen – und schon schwenkt man über Nachbars Zaun. Auf der Skipiste den Schwung festhalten – und alle möglichen Beifahrer sind mit drauf. Im Normalfall unbedenklich: «Hier ist der Verwendungszweck entscheidend», sagt Bruno Baeriswyl. «Und die allermeisten Bilder dieser Art werden ja ausschliesslich privat vorgeführt.»

Weitere Informationen

Dokumentationen und Merkblätter zur Videoüberwachung gibt es auf der Homepage des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDÖB).