Einfach an die Luft gesetzt
Die Swiss zahlt einem entlassenen Mitarbeiter keine Entschädigung – weil sie ihm die mehr als 20 Dienstjahre bei der Swissair nicht anrechnet.
Veröffentlicht am 4. Juni 2004 - 10:26 Uhr
Vor einem Jahr kündigte die Schweizer Fluggesellschaft Swiss eine Flottenreduktion und einen massiven Stellenabbau an: 3000 Mitarbeiter wurden entlassen. Einer von ihnen war Hans-Ulrich Langenauer. Er hat nicht nur seine Stelle verloren, sondern auch den Glauben an Gerechtigkeit: «Mein halbes Leben lang habe ich für diese Firma gearbeitet. Nun werde ich einfach abserviert und nicht einmal anständig entschädigt.»
Am 1. Mai 1979 tritt der heute 47-jährige Langenauer als Elektriker eine Stelle bei der Swissair an. Sein erster Job nach der Lehre und dem Militärdienst. Zehn Jahre später macht er das Brevet für einmotorige Flieger und bildet sich weiter zum Flugberater. Er arbeitet nun als Spezialist bei den Navigationsdiensten der Swissair. Vor dem Abflug brieft er die Piloten über allfällige Unregelmässigkeiten des bevorstehenden Fluges.
Die Haltung der Swiss «ist penibel»
1997 wird für seine Abteilung die Tochtergesellschaft Swissair Flight Support AG gegründet. Nach dem Zusammenbruch der Swissair im Oktober 2001 wird diese an die zur Lufthansa gehörende Firma Lido Flight NAV AG verkauft. Hans-Ulrich Langenauer und seine zwei Arbeitskollegen werden von der Lufthansa übernommen. Trotz dem Wechsel üben sie nach wie vor genau dieselbe Arbeit aus – ausschliesslich für die Swiss, da diese die spezifischen Aufgaben von Langenauer und Co. mit eigenem Personal nicht wahrnehmen kann.
Am 1. Januar 2003 kauft die Swiss Langenauers Abteilung zurück. Die Mitarbeiter wechseln wieder zur Swiss. Wie eh und je machen sie den gleichen Job. Ein paar Monate später wird Langenauer im Zug des Stellenabbaus gekündigt. «Das tut weh», sagt Langenauer, der fast 24 Jahre für die Airline tätig war.
Besonders stört ihn, dass er trotz seiner langjährigen Betriebstreue nicht die in solchen Fällen übliche Abgangsentschädigung gemäss Sozialplan in der Höhe von drei Monatsgehältern bekommt, knapp 20000 Franken. Die Swiss stellt sich auf den Standpunkt, dass Langenauer erst am 1. Januar 2003 in die Firma eingetreten sei und deshalb keinerlei Ansprüche habe.
Eine spitzfindige und rein formaljuristische Auslegung. «Es ist penibel, wie die Swiss mit einem langjährigen und hoch spezialisierten Mitarbeiter umgeht», sagt René Zurin, Gewerkschaftssekretär des VPOD Luftverkehr.
«Ich könnte die 20'000 Franken gut für eine Umschulung brauchen», sagt Langenauer, der seit mehr als sechs Monaten arbeitslos ist. Er würde gern eine Ausbildung zum Betagtenpfleger beginnen, denn in seinem angestammten Job eine Stelle zu finden ist zurzeit wegen der Luftfahrtskrise nahezu aussichtslos.
«Wir können keine Ausnahmen machen», sagt Marco De Dea, Vizepräsident der Human-Resources-Abteilung für das Bodenpersonal der Swiss. Langenauers Pech sei, dass seine Abteilung erst Anfang 2003 von der Swiss zurückgekauft worden sei. Deshalb unterstehe er nicht den ansonsten geltenden Regelungen der langjährigen Swissair-Mitarbeiter. Wenn die Swiss auf Langenauers Forderung eingehe, schaffe sie damit ein Präjudiz. «Eine faule Ausrede», kommentiert Gewerkschafter René Zurin, «was sind denn schon 20'000 Franken für eine Airline, die Milliarden bekommen hat und sich sonst beim Ausgeben und Geldverteilen weitaus grosszügiger gebärdet hat?»
«Leider ein Opfer der Situation»
Fazit: Hans-Ulrich Langenauer geriet in Vorgänge, die er zu keinem Zeitpunkt beeinflussen konnte. Wie eine Schachfigur wurde er hin und her bewegt – zu seinen Ungunsten. Dabei hat er nichts falsch gemacht. Dies gibt sogar Swiss-Personalchef Marco De Dea zu: «Herr Langenauer ist leider Opfer der Situation.»