Andreas Braschler ist zufrieden: «Doch, das wird ein guter Fang», sagt der Berufsfischer aus dem schwyzerischen Hurden. Obwohl nach einer Stunde in den grauen Plastikkisten im Boot vor allem Brachsmen liegen. Dieser Fisch hat einen schlechten Ruf. Er wird seiner beachtlichen Grösse und seitlich abgeplatteten Form wegen von manchen sogar als «WC-Deckel» verspottet. Braschler aber sagt: «Ich sehe in ihm ein riesiges Potenzial.»

Seit drei Uhr morgens ist er auf dem See, wir sind um sechs Uhr bei der Kapelle in Hurden zugestiegen. Von dort tuckert das acht Meter lange offene Boot dem Ufer entlang – vorbei an den zahlreichen Millionärsvillen – vom Obersee durch einen schmalen Kanal in den Zürichsee. Im Naturschutzgebiet Frauenwinkel am oberen Ende des Zürichsees dürfen die Braschlers seit 200 Jahren als Einzige fischen. Sie sind im Besitz der «Fischenz», der Pacht des Klosters Einsiedeln, dem die nahe gelegene Insel Ufenau gehört.

Rot-weisse Plastikkanister zeigen Braschler, wo seine Netze sind. Bedächtig und langsam zieht er sie ein, Meter für Meter. Jeden Fisch löst er einzeln aus dem 90 Meter langen Netz, das dabei bisweilen auch kaputtgeht. Flickt er es wieder? «Nein, dafür haben wir keine Zeit mehr.» Sein Grossvater habe das noch gemacht. Heute werden defekte Netze ersetzt. Ihre Maschenweite wird durch die Fischereiverwaltung reglementiert: Durch die Netze im Zürichsee müssen kleine Jungfische hindurchschwimmen können. Nur ältere Tiere, die schon ein- bis zweimal abgelaicht haben, dürfen gefangen werden – das stellt den Fischbestand im See sicher.

Andreas Braschler

Andreas Braschler

Quelle: Maurice K. Grünig
Gefangene Krebse kommen in die Suppe

Alles, was Andreas Braschler mit seinen Netzen einholt, wird verwertet. So verarbeitet er ein paar kleine Krebse, die sich verfangen haben, zu Suppe. «Das sind Kamberkrebse, sie wurden aus Nordamerika eingeschleppt und bedrohen die einheimische Krebspopulation», sagt der passionierte Fischer. Natürlich fischt Braschler auch die begehrten Felchen und Egli – die Netze, die er tags zuvor für diese Fischarten am Obersee ausgebracht hat, sind schon eingeholt.

Sein Herz schlägt jedoch vor allem für die vermeintlich zweitklassigen Fische wie eben die Brachsmen. Sie gehören in die Kategorie der Weissfische, zu denen verschiedene Karpfenarten zählen, neben der Brachsme etwa auch die Schwale. Weissfische kommen oft in grossen Populationen vor. Sie ernähren sich hauptsächlich von Pflanzen und Tierlarven und sind darum nachhaltigere Speisefische als Raubfische wie Egli oder Hecht. Doch ihr Fleisch hat meist sehr viele Gräten, darum sind sie unbeliebt.

Wie schlecht das Image der Weissfische ist, zeigt ein Brauch am Sechseläuten: Zünftler werfen tote Schwalen ins Publikum. Was früher als Nahrung für die Armen gedacht war, landet heute im Müll. Braschler: «Wir Fischer sind in Verhandlung mit den Zünftlern, und sie überlegen sich derzeit eine Alternative.»

Feingehackte Gräten spürt man nicht

Der Produktionsraum der Braschlers ist nur knapp 100 Meter von der Anlegestelle in Hurden entfernt. Der Betrieb ist für Weissfische ausgerüstet. Ehefrau Silvia beginnt um fünf Uhr – je nach Fang auch später –, die Fische zu verarbeiten. Während die vier Kinder noch schlafen, nimmt sie die Tiere aus, häutet und filetiert sie bei Bedarf. Eine Maschine schneidet die grätenreichen Schwalenfilets mit scharfen Messern ein. Die Gräten werden in kleinste Stücke zerteilt, und der Fisch kann angebraten werden wie ein Felchen- oder Eglifilet. Silvia Braschler: «Schwalenfilet schmeckt wunderbar, die Gräten spürt man nicht mehr.»

Verwendung finden Brachsmen und Schwalen auch in Burgern, die die Braschlers selber herstellen. Sie drehen Fischstücke durch den Fleischwolf, sodass die Gräten zerkleinert werden. Der Bauchlappen und das sogenannte Royalstück vom Rücken lassen sich bei der Brachsme ohne Gräten auslösen. Daraus schneiden die Braschlers Ragout, ihr Geheimtipp.

Auch wir decken uns damit ein und kochen es am Abend. Das Fleisch ist fester als dasjenige von Felchen und Egli. Und aromatischer. «Viele Kunden, die wir auf den Geschmack gebracht haben, kaufen immer wieder Brachsme», sagt Silvia Braschler.

Seit sechs Generationen darf die Familie Braschler im Zürich- und im Obersee fischen. Vater Heinrich Braschler, 82, fährt noch heute fast täglich auf den See. An guten Tagen verarbeitet die Fischerei 100 bis 120 Kilo Fisch. Im Februar können es aber auch einmal nur zehn Kilo sein. Jeweils am Nachmittag werden die Netze für den kommenden Tag ausgebracht. Diejenigen für Felchen und Egli schwimmen nicht allzu tief unter der Wasseroberfläche, «aber natürlich tief genug, damit die Schiffe noch durchfahren können», sagt Braschler. Brachsmen, aber auch Schleien, Karpfen oder Hechte fängt er mit Netzen, die er ufernah auslegt und die bis zum Grund reichen.

Der See ist zu sauber für die Fische

Derzeit sei der Ertrag gut, sagt Braschler. Noch. Denn die Schweizer Seen sind heute so sauber, dass die Fischbestände zurückgehen. «Am Bodensee mussten bereits viele Berufsfischer aufgeben.» Die Fischer finden, die Kläranlagen sollten weniger Phosphat zurückhalten. Denn Phosphat schafft, zusammen mit Mikroorganismen, Nahrung für Fische. Gab es in den achtziger Jahren zu viel Phosphat in unseren Gewässern, ist es heute aus Sicht der Fischer zu wenig.

Braschler kommt mit seinem Fang noch gut über die Runden. Auch weil er innovativ ist und seinen Betrieb stets weiterentwickelt hat. So kann man ihn mit seiner Frau Silvia auch als Caterer engagieren. Die Nachfrage nach einheimischen Fischgerichten werde im Zuge der Rückbesinnung auf Regionalität grösser, sagt Braschler. «Das ist auch sinnvoll; wir haben eine Nahrungsmittelquelle direkt vor der Haustür. Statt die Meere zu überfischen, sollten wir dafür sorgen, dass die Fischbestände in unseren Seen wieder wachsen.» Natürlich gehe es nicht darum, das Wasser zu verschmutzen: «Der See sollte einfach im Gleichgewicht sein, sodass alles darin seinen Platz hat.»

Rezept: Brachsenragout mit Lavendelbohnen


Zutaten für 4 Personen

Zubereitungszeit: ca. 45 Minuten


Fisch

  • 500–600 g Brachsmen-Royal-Filet
     
  • Olivenöl zum Braten
     
  • Salz, Pfeffer
     
  • Zitronensaft
     
  • 1 Zwiebel, fein gehackt
     
  • 1 Knoblauchzehe, gepresst
     
  • 1 dl Weisswein oder Gemüsebouillon
     
  • 1 dl Fischfond oder Gemüsebouillon
     
  • 1,8 dl Saucenhalbrahm
     
  • Ein halber Bund Schnittlauch, fein geschnitten
     
  • etwas abgeriebene Zitronenschale


Lavendelbohnen

  • 600–800 g grüne Bohnen, gerüstet, blanchiert
     
  • 1 Schalotte, fein gehackt
     
  • Butter zum Dämpfen
     
  • wenig Gemüsebouillon
     
  • 1–2 TL Lavendelblüten oder ein halber Bund Schnittlauch, fein geschnitten
     
  • Lavendel, Thymianzweige oder Schnittlauch, zum Binden und Garnieren (mit Blüten)



Zubereitung

  • Fisch in mundgerechte Stücke schneiden.
     
  • Bohnen in siedendem Salzwasser blanchieren, kalt abschrecken und abtropfen lassen. Schalotte in der Butter andämpfen. Mit Bouillon ablöschen, Lavendel oder Schnittlauch beifügen, knapp weich kochen.
     
  • Fisch in der heissen Bratbutter portionenweise kurz anbraten, herausnehmen, würzen und mit Zitronensaft beträufeln.
     
  • Zwiebel und Knoblauch im restlichem Bratfett andämpfen, mit Wein und/oder Bouillon ablöschen, etwas einkochen. Rahm dazu-giessen, sämig einkochen, Schnittlauch daruntermischen, würzen. Fisch beifügen, nur heiss werden lassen, nicht kochen.
     
  • Bohnen in Bündeli auf Lavendel, Thymian oder Schnittlauch legen, diesen zusammenknüpfen.
     
  • Brachsmenragout auf vorgewärmte Teller geben, Bohnenbündeli darauflegen, sofort servieren.

Tipp: Statt Brachsmen kann man Schleien verwenden. Dazu passen am besten Reis, gebratene Kartoffeln oder Kräutercouscous.

Quelle: Maurice K. Grünig
Hier findet man Fisch von Braschler

Die Fischerei Braschler beliefert viele Restaurants in der Region. Eine Liste davon finden Sie hier.

Vom 23. bis 25. Oktober servieren die Braschlers Fische an einem grossen Fischessen in Pfäffikon SZ (auf Voranmeldung: Telefon 055 410 23 68 oder per E-Mail)