Eine frostige Stimmung herrscht im Restaurant «La Table de Urs Hauri» in der Stadtberner Zeughauspassage. Patrick Ammann, Pablo Ratti, Pascal Schwarz und Micha Schärer stehen in der fremden Küche, den Blicken der Zuschauer und dem Urteil einer fachkundigen Jury ausgesetzt. Das verunsichert. Doch wer der beste Jungkoch sein will, muss das meistern können. Insgesamt 25 junge Frauen und Männer stellten sich dem Wettbewerb unter dem Motto «B½uf à discrétion» von «La Cuisine des Jeunes», einem Nachwuchsprojekt der Dachorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Vier qualifizierten sich fürs Finale: drei Berner und ein Tessiner.

Es muss mehr als einfach gut seinDie zahlreichen Zuschauer, Experten und Fotografen machen die Küche nicht gerade zu einem Hort der Besinnlichkeit. Da wirkt der gemütliche, untersetzte Patrick Ammann mit seinem behäbigen Berner Dialekt wie ein Fels in der Brandung. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, kann für den 22-Jährigen eigentlich nicht viel schiefgehen: Sein Gericht «Trilogie vom Simmentaler Rind aus Backe, Filet und Rücken» habe er bereits viermal von A bis Z gekocht, immer für seine Gewerbeschullehrer - und die seien jedes Mal begeistert gewesen.

Doch das Genusserlebnis allein reicht nicht aus, um den Titel «Bester Jungkoch» einzuheimsen. Unter anderem zählen etwa die Originalität des von den Teilnehmern eigens für den Wettbewerb kreierten Gerichts, die Kochtechnik und -hygiene und natürlich der Geschmack.

«Trichter! Hat es keinen Trichter?» Micha Schärer, der die Komposition «Rendez-vous der Sinne» zubereitet, kommt kurz in Schwierigkeiten. Doch der 19-Jährige reagiert wie ein Routinier: Als er keinen Trichter findet, erledigt er die Flüssigkeitsumschichtung ohne Hilfsmittel - und mit nur minimaler Kleckserei. Dann ist es wieder mucksmäuschenstill in der Küche. Die strengen Blicke der drei Juroren und der Jurorin sind auf Pablo Ratti gerichtet. Der 21-Jährige scheint es zu geniessen, im Mittelpunkt zu stehen: Er wirkt souverän, gar überlegen. Mit seinen gestylten Haaren und seinen dunklen Augen ist er der Typ «Ladykiller». Sehen und gesehen werden: Das ist auch ein Zweck dieses Anlasses. Der Wettbewerb ist eine gute Gelegenheit, sich in der Branche einen Ruf zu schaffen und Networking zu pflegen. Wobei Pablo das kaum nötig hat, ist er doch seit einem Jahr in der Küche des Gastrotempels Seven von Starkoch Ivo Adam in Ascona tätig.

Knapp die Hälfte der zum Kochen zur Verfügung stehenden zweieinhalb Stunden ist vorbei. Pascal Schwarz, dessen Gericht den braven Titel «Schweizer Rindfleisch elegant verpackt» trägt, ist gestresst. Mit gerunzelter Stirn schneidet er Kartoffeln - sein Kopf scharlachrot. Überlegt der 19-Jährige, wie sein Dessert bei der Jury ankommen wird? Rindfleischpralinés mit Caramel - wohl nicht jedermanns Sache.

Zur gleichen Zeit nimmt Micha eine Handvoll Rosenkohl aus dem Steamer und zerteilt die kleinen grünen Köpfchen mit einem riesigen Metzgermesser - mit dem könnte er problemlos auch einen Bären erlegen. «Es macht halt Eindruck», erklärt er schmunzelnd. Derweil bietet Charmeur Pablo der Ehefrau des Juryvorsitzenden ein Stück Schwarznuss an: eine im grünen Stadium eingelegte nordamerikanische Walnuss - eine Delikatesse. Die Beschenkte quittiert die Geste mit einem ausgedehnten «Mmmmh». «Wenn du die richtigen Zutaten hast, ist das Kochen ganz einfach», so der Schelm, der für den Wettbewerb so exquisite Zutaten wie Apfel-Balsamico oder 23-Karat-Blattgold verwendet.

Beten hilft hier nicht
Die Kunstwerke sind angerichtet, die Juroren haben sich zur Beratung zurückgezogen. «Houptsach ä Bärner», hatte sich die Berner Fraktion vor Beginn des Finals noch verbrüdert. Nun sind sie skeptisch - ihr Tessiner Kollege war einfach zu gut. Mit verschränkten Armen erwarten die Jungköche die Preisverleihung. Nur Micha hat die Hände gefaltet und scheint zu beten. Doch genützt hat es nichts - zum Sieger wird tatsächlich Pablo erklärt. Es ist sein erster grosser Erfolg an einem Wettbewerb. Neben seinem Chef und Vorbild Ivo Adam sind auch die stolzen Eltern da. Seine Mutter war es denn auch, die ihn als Koch stark beeinflusst hat: «Sie kocht mega guet», erzählt er später in einer sympathischen Mischung aus Hoch- und Schweizerdeutsch mit italienischem Einschlag.

Die schwere Glastrophäe vermag Pablo kaum zu stemmen. Das Preisgeld von 1500 Franken kann er gut brauchen, um seinen Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen: mit seinem geliebten 600er-Motorrad ausfahren und gute Restaurants besuchen. «Ich habe immer Hunger», sagt er schmunzelnd. «Aus diesem Grund habe ich Koch gelernt.» Den weiteren Siegerpreis - ein dreitägiges Stage im Hotel Palace in Gstaad - schenkt er Pascal Schwarz, der sich freut wie ein kleiner Bub. Pablo selbst hat schon mal im «Palace» gewirkt.

Ein kleines bisschen Rinderwahn
Der Titel des besten Jungkochs ist Pablo keineswegs einfach in den Schoss gefallen: Er hat viel geübt und für den Wettbewerb mehr als 100 Stunden investiert. Neben Durchhaltevermögen bewies er aber auch Wagemut: Sein Gericht nannte er «mucca pazza - la trilogia», übersetzt «die Trilogie des Rinderwahnsinns». Den Titel habe er auf der Suche nach etwas Einzigartigem gewählt. Und das hat er offensichtlich gefunden: Jedenfalls liess sich die Jury trotz dem suspekten Namen von seiner Kreation nicht abschrecken - ganz im Gegenteil.

Pablo Rattis Lieblingsrezept:
Gnocchi an Tomatensauce
Rezept für vier Personen
1 Schalotte, 2 Knoblauchzehen klein schneiden. In 1 Deziliter Olivenöl anziehen lassen.
bis 5 Tomaten die Haut entfernen, das Fleisch zerdrücken, zugeben.
1 Esslöffel Tomatenpüree zugeben.
1 Deziliter Rotwein, 1 Deziliter Gemüsebouillon beifügen. Die Sauce unter dem Siedepunkt zehn Minuten ziehen lassen, nach Belieben mixen oder passieren.
1 Kilogramm Kartoffeln mit Schale im Wasser gar kochen. Schälen und durch das Passevite geben.
2 Eier, 450 Gramm Mehl, Salz und Pfeffer dazugeben, gut kneten. Rollen mit zirka 2,5 Zentimeter Durchmesser formen, in gleichmässige Würfel schneiden und mit einer Gabel in Gnocchiform pressen. Im Salzwasser kochen, absieben, mit Tomatensauce mischen. Frischen Parmesan darüerreiben, mit frischem Basilikum garnieren.