Ich stimme Ihnen zu, dass eine Beziehung nur lebendig bleiben kann, wenn man miteinander redet. Dass man sich hingegen trennen muss, weil man zu verschieden ist, halte ich für einen Fehlschluss. Versuchen Sie zuerst gezielt, das Gespräch mit Ihrem Mann in Gang zu bringen. Was fehlt Ihnen? Hört er nicht zu oder erzählt er zu wenig von sich selbst? Versuchen Sie, sein Verhalten zu verstehen, ohne ihn ändern zu wollen. Stellen Sie ihm Fragen, statt ihn zu kritisieren, und sagen Sie offen, worunter Sie genau leiden - als Ich-Botschaft, nicht als Vorwurf. Wenn das nicht aus der Sackgasse führt, sollten Sie beide zum Beispiel eine Paartherapie besuchen.

Leider kommt es in Paarbeziehungen oft vor, dass sich nach einer ersten Phase der Verliebtheit und Harmonie Enttäuschung und Ernüchterung einstellen. Konflikte tauchen auf und können nicht gelöst werden. In vielen Fällen kommt es deshalb zur Trennung. Der amerikanische Bestsellerautor John Gray (siehe «Buchtipp») glaubt den Grund zu kennen: Paare vergessen, das Männer und Frauen grundsätzlich verschieden sind, und das führt zu Missverständnissen. «Männer und Frauen», schreibt er, «haben nicht nur eine unterschiedliche Art, sich verständlich zu machen, sondern sie denken, fühlen, reagieren, lieben und freuen sich anders. Ausserdem nehmen sie ihre Umwelt verschieden wahr und haben völlig unterschiedliche Bedürfnisse.»

Frauen wollen verstanden werden
Eine Frau erzählt zum Beispiel ihrem Mann am Abend von Sorgen und Konflikten am Arbeitsplatz. Er gibt sofort Ratschläge, wie die Situation zu verbessern wäre. Statt dankbar zu sein, wird sie aber ärgerlich. Eine Frau will nämlich in dieser Situation keine Ratschläge hören, sondern verstanden werden. Sie sucht Interesse und Mitgefühl des Partners, keine Lösungen. Das Missverständnis rührt daher, dass Männer in der Regel eher leistungsorientiert, Frauen stärker beziehungsorientiert sind. Ein Mann findet sein Selbstwertgefühl im Erfolg, eine Frau eher darin, dass die Gefühle zu ihrem Umfeld stimmen.

Während die häufigste Klage der Frauen lautet, Männer würden nicht wirklich zuhören, sie nicht wirklich verstehen, ärgern sich Männer am häufigsten darüber, dass Frauen sie verändern wollen. Auch das ist ein Missverständnis: Wenn eine Frau liebt, möchte sie den Geliebten vollkommener machen, sie möchte, dass er sich entwickelt, sich positiv verändert. Dem Mann kommt das in den falschen Hals. Er glaubt, sie wolle signalisieren, er sei nicht in Ordnung. Das verletzt sein Selbstwertgefühl.

Unser Fehler ist, dass wir glauben, der Partner oder die Partnerin müsse genauso fühlen oder handeln, wie wir es in derselben Situation tun würden. Wenn wir versuchen, die Andersartigkeit des Partners zu verstehen und zu akzeptieren, werden wir für die meisten Konflikte Lösungen finden, die für beide Parteien annehmbar sind. Dass Frauen und Männer verschieden sind, macht die Liebe doch erst richtig aufregend. Um es mit Goethe zu sagen: «Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.» 

Buchtipp

John Gray: «Männer sind anders. Frauen auch - Männer sind vom Mars. Frauen von der Venus»; Goldmann-Verlag, 320 Seiten, CHF 19.90