Beobachter: Wer wird im Februar Abfahrtsweltmeister in Garmisch?
Roland Fuchs: Aksel Svindal.

Beobachter: Hat einer Ihrer Junioren das Zeug dazu, einmal einen WM-Titel zu holen?
Fuchs: Das lässt sich schwer abschätzen. Sie sind alle talentiert, aber auch noch sehr jung – da kann bei einem Leistungssportler noch viel passieren. Mit 21, 22 Jahren schaffen es nur ganz wenige bereits an die Spitze, Ausnahmetalente wie Carlo Janka oder Marcel Hirscher.

Beobachter: Fürs Erste wäre ja auch eine Medaille bei der bevorstehenden Junioren-WM in Crans-Montana nicht schlecht…
Fuchs: Zwei bis drei meiner Läufer werden dabei sein. Und die haben durchaus Aussichten.

Beobachter: Als Trainer müssen Sie Ihre Fahrer antreiben, die Schnellsten zu sein. Wie ist das bei Ihnen daheim: Sorgen Sie bei Ihren drei Töchtern auch für Tempo?
Fuchs: (lacht) Ich muss ehrlich sagen, gerade jetzt im Winter kann ich meine Frau nur wenig unterstützen. Wenn ich mal zu Hause bin, dann bin ich einfach der liebe Papa. Dann wird gekuschelt, und wir geniessen die Zeit zusammen. Im Sommer, wenn ich mehr Zeit habe, versuche ich schon, mich mehr in die Kindererziehung einzubringen. Das Wichtigste dabei ist, immer konsequent zu sein. Man kann lieb und konsequent sein, das ist kein Widerspruch.

Beobachter: Im Winter ist aber Ihre Frau die Chefin?
Fuchs: Ja, das geht gar nicht anders. Sie macht das einfach wunderbar. Ich weiss, ehrlich gesagt, nicht mal den Wochenplan der beiden Grossen auswendig.

Beobachter: Wie ist das im Job? Verstehen Sie sich als Trainer auch als Erzieher Ihrer Jungs?
Fuchs: Meine Burschen sind meine zweite Familie. Ich verbringe rund 170 Tage im Jahr mit ihnen, rund um die Uhr. Meine «erste Familie» ist die daheim. Alle Junioren wollen so weit wie möglich kommen, einmal Weltmeister werden. In diesem Alter sind sie noch sehr formbar, und es gibt viele Sachen, die sie lernen müssen: Skitechnik, mentale Dinge wie Einstellungen zum Training, zum Sport, zum Leben allgemein. Das ist sehr spannend, sie nehmen viel auf. Ein Grossteil der Arbeit ist sicher auch Erziehung oder Führung. Ich versuche ihnen zu zeigen, welchen Weg sie gehen müssen, um ans Ziel zu kommen.

Beobachter: Wie führen Sie?
Fuchs: Ich setze feste Grenzen, bin sehr konsequent. Die Burschen sind natürlich in einem Alter, in dem sie dauernd Grenzen überschreiten und Sachen ausprobieren. Da muss ich sie immer wieder auf den richtigen Weg zurückbringen. Ich führe sehr viele Gespräche mit ihnen.

Beobachter: Kommen die jungen Fahrer auch mit privaten Problemen zu Ihnen? Wenn einer Liebeskummer hat zum Beispiel und ein Rennen verhaut?
Fuchs: Das ist ganz unterschiedlich. Einige sind schwer greifbar, andere unglaublich offen. Ich muss herausfinden, was der Grund für Erfolge oder für Misserfolge ist. Ich bin kein Papa für die Jungs, aber eine sehr wichtige Person, bei der sie Unterstützung und Halt suchen.

Beobachter: Skisport ist ein Risikosport. Müssen Sie Ihre Fahrer manchmal bremsen?
Fuchs: Ich bremse sie nie in Sachen Risiko. Angst ist viel gefährlicher, als ein gewisses Risiko einzugehen. Sie müssen lernen, Respekt zu haben. Das ist es.

Beobachter: Wie ist das bei Ihren Töchtern? Die fahren ja auch Ski. Bremsen Sie die?
Fuchs: Nein, das macht meine Frau. Sie hat Angst um die Kinder.

Beobachter: Skisport ist ein Einzelsport. Da muss man bis zu einem gewissen Grad Egoist sein. Bremsen Sie Ihre Junioren in dieser Hinsicht?
Fuchs: Vor einem Rennen, oben am Start, sind Skifahrer wohl die einsamsten Menschen. Aber sonst verbringen wir so viel Zeit zusammen, wer da nur egoistisch ist und sich nicht einfügt in die Mannschaft, der vergeudet zu viel Energie. Wenn es gut läuft, braucht ein Läufer niemanden. Wenn es nicht rund läuft, ob sportlich oder privat, dann sind Freunde, die Familie oder der Trainer wichtig. Ehrgeiz und Zielstrebigkeit müssen natürlich vorhanden sein. Am wichtigsten ist mir aber Ehrlichkeit.

Beobachter: Werden diese Werte auch in Ihrer Familie daheim hochgehalten?
Fuchs: Ehrlichkeit muss auch daheim sein, klar. Ansonsten bin ich nicht die treibende Person bei den Hobbys der beiden grösseren Kinder. Der Ehrgeiz muss von ihnen selber kommen. In der Schule sind beide sehr gut und haben es relativ einfach.

Beobachter: Sind Ihre Junioren eigentlich anders als andere Jugendliche in dem Alter?
Fuchs: Sicher. Junge Sportler sind zielstrebiger und machen weniger Blödsinn, weil sie dafür gar keine Zeit haben. Neben Sport und Schule ist die freie Zeit gering. Die Wahrscheinlichkeit für diese Talente, einmal Weltmeister zu werden, liegt vielleicht bei 1 zu 500. Deshalb muss man schon viel arbeiten, wenn man seine Chancen vergrössern will.

Beobachter: Verpassen die Junioren nicht etwas vom Leben? Ihre Jugend?
Fuchs: Nein. Es wird zwar viel verlangt, aber auch viel geboten. Wir reisen viel herum, es gibt auch mal Rennen in Übersee. Die sehen in ihren jungen Jahren schon viel von der Welt und lernen, mit beiden Beinen im Leben zu stehen.

Beobachter: Würden Sie Ihren Töchtern empfehlen, Spitzensportlerinnen zu werden?
Fuchs: Es muss nicht unbedingt Spitzensport sein. Aber ich finde es wichtig, dass sie sich einem Hobby richtig widmen. Das kann auch Musik sein.

Beobachter: Gibt es in der Erziehung Ihrer Kinder Bestrafungssysteme?
Fuchs: Wenn die Kleine, die Zweijährige, mal über die Stränge schlägt, dann stellt man sie halt ins Zimmer, und sie darf erst wiederkommen, wenn sie aufgehört hat, zu schreien oder zu weinen. Bei den älteren Mädchen schaltet man mal den Fernseher früher aus. So richtige, böse Strafen gibt es aber nicht bei uns.

Beobachter: Und Anreizsysteme?
Fuchs: Wir hatten früher einmal so ein Punktesystem wie in der Schule, und sie durften sich was aussuchen, wenn sie eine gewisse Anzahl erreicht hatten. Aber in letzter Zeit nicht mehr. Sie haben wirklich alles, was sie brauchen.

Beobachter: Was können Sie als Erzieher besonders gut?
Fuchs: Ich kann mich sehr gut in meine Kinder einfühlen und habe deshalb viel Verständnis für sie. Das ist bei meinen Junioren ähnlich. Das ist sicher eine meiner Stärken, eine Ursache zu sehen, zu begreifen und erst dann die Konsequenzen zu ziehen.

Beobachter: Was würden Sie gern besser können?
Fuchs: Schwierige Frage. Ich finde es manchmal nicht einfach, die richtigen Worte dafür zu finden, was ich eigentlich sagen will. Ich würde mich gern besser ausdrücken können.

Beobachter: Sind Sie ein strenger Vater?
Fuchs: Nein, ich bin nicht streng, aber fordernd. Im Training übrigens auch.

Beobachter: Haben Ihre Töchter einen Computer?
Fuchs: Wir haben zu Hause einen, den alle Familienmitglieder benutzen können. Bisher geht es bei den Mädchen noch ohne Einschränkungen, aber wir müssen das in Zukunft sicher überwachen und gewisse Websites verbieten.

Beobachter: Ein eigenes Handy?
Fuchs: Nein, und sie werden mit Sicherheit auch noch lange keines bekommen.

Beobachter: Wie sind Sie selber erzogen worden?
Fuchs: Ich hatte einen sehr strengen Vater, eine liebende Mutter und vier Geschwister, die mich miterzogen haben. Ich war der Jüngste. Meine Familie und meine eigene kleine Familie sind mir extrem wichtig. Die Familie gibt mir sehr viel Rückhalt.

Beobachter: Was wünschen Sie sich, dass Ihre Kinder einmal über Sie sagen, wenn sie erwachsen sind?
Fuchs: Dass sie ihre Kinder gleich erziehen wollen, wie meine Frau und ich es gemacht haben. Das wäre das grösste Lob.