Als sich 2011 die Trennung abzeichnete, vereinbarten Oliver Zaugg* und seine damalige Ehefrau ein Besuchsrecht. Es gab dem Vater die Möglichkeit, seine beiden Kinder jedes zweite Wochenende zu sich zu nehmen. Das klappte am Anfang problemlos. Doch nach einigen Monaten begann die Ehefrau, die Kinder verspätet zu übergeben. Erst eine Stunde, dann zwei, drei Stunden liess sie ihn warten, ohne dass er wusste, was los war. Im Januar 2012 ging er dann mit seinem älteren Sohn zum Skifahren. Alles war okay, die einst sehr gute Beziehung etwas distanzierter, aber sie verstanden sich auch an diesem Tag gut. Keiner der beiden ahnte, dass es das letzte Mal sein sollte, dass sie sich sahen.

Zwei Wochen darauf lässt die Ehefrau Oliver Zaugg nicht mehr zu den Kindern, auf sein Klingeln an der Tür reagiert sie nicht, Mutter und Kinder sind nicht zu Hause. Zaugg wendet sich an die Behörden. Es werden Besprechungen angeordnet, Sitzungen, Mediationen. Mit viel Aufwand versuchen die Behörden zu vermitteln, doch Zaugg bleibt chancenlos: Die Mutter verweigert das Besuchsrecht, sie will vom Exmann nichts mehr wissen.

Die Kinder von der Polizei abholen lassen?

Als letztes Mittel bietet man Zaugg an, die Kinder von der Polizei abholen zu lassen. Es ist der Punkt, an dem er aufgibt: Den Kindern die Polizei vor die Tür schicken, das kommt für ihn nicht in Frage.

Inzwischen sind zwei Jahre vergangen, seit Zaugg seine Kinder das letzte Mal gesehen hat. Sie sind heute in der Pubertät, der Psychologe attestiert ihnen eine Entfremdung vom Vater: Inzwischen wollen sie ihn selbst nicht mehr sehen. Zaugg hat seine Kinder verloren.

Es ist ein oft gesehenes Muster: Die Mutter vereinbart mit dem Vater ein Besuchsrecht – und hält sich anschliessend nicht daran. Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) versucht zu vermitteln, bleibt aber erfolglos. Viel zu befürchten hat die Mutter nicht. Denn die gängige Durchsetzungspraxis geht davon aus, dass es im Extremfall besser ist, die Sache ruhen zu lassen: Das Kind soll nicht noch mehr gestresst werden.

Marcel Enzler, Präsident des Vereins Vaterverbot, sähe lieber mehr Druck auf die Mütter: «Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass Druck oft das einzige Mittel ist, um die Gegenseite zum Einlenken zu bewegen.» Enzler findet, die repressiven Massnahmen sollten ausgebaut werden. Aus Protest plant er eine Aktion, mit der sein Verein die Einrichtung von Mediationen zwischen Vater und Kind fordert. Bei diesen sässe dann nebst einem Psychologen auch ein Trauma-Spezialist mit am Tisch.

«Da kommt vieles auf den Tisch»

Etwa 4000 Franken koste eine solche Massnahme, vor allem die Expertise des Traumatologen geht ins Geld. Die Erfahrungen mit ersten solchen Sitzungen seien gut gewesen, sagt Marcel Enzler: «Da kommt vieles auf den Tisch, das bis dahin im Verborgenen blieb.» Fordern will er diese Konfliktberatungen aber aus einem anderen Grund: Sie sind so teuer, dass er hofft, die Politik würde doch noch auf repressive Massnahmen setzen.

Im Juli 2014 wird das neue gemeinsame Sorgerecht in Kraft treten. Betroffene können es einfordern, wenn die Scheidung nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. Während der Ausarbeitung wurden auch stärkere Sanktionsmöglichkeiten für Fälle wie denjenigen von Oliver Zaugg diskutiert. Doch die Vorschläge wurden alle wieder gestrichen, immer mit der Begründung, Druck auf Elternteile würde sich negativ auf das Wohl der Kinder auswirken.

Familienrechtsanwalt Jonas Schweighauser aus Binningen BL stützt diese Ansicht: «Das Besuchsrecht kann man nicht mit dem Strafgesetzbuch durchsetzen.» Doch was das neue gemeinsame Sorgerecht bewirken wird, ist trotz Verabschiedung alles andere als klar. Schweighauser liegt ein Dokument vom Bund vor, das ungeklärte Fragen zur Gesetzesrevision aufzählt. Es zählt 21 Seiten.

Die Mutter bekommt fast immer recht

Scheidungsvater Marcel Enzler kritisiert auch die Höhe der heute zur Verfügung stehenden Mittel. Seit 2013 ist nicht mehr jede Gemeinde, sondern die neue Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde zuständig – und die Fälle stauen sich: «Die Zentralisierung hat zu einem massiven Personalabbau geführt, deshalb ist die KESB hoffnungslos überfordert. Und so werden viele Fälle nicht bearbeitet.»

Und wenn es dazu kommt, dass die KESB einen Beistand einsetzt, der die Einhaltung des Besuchsrechts gewährleisten soll, dann ändere auch das oft nichts: «Beistandschaften haben über die letzten Jahrzehnte hinweg stets Partei für die Mutter ergriffen. Das Umdenken fällt offenbar vielen schwer.»

 

*Name geändert