Regina Späth* war überglücklich, als sie ein Jahr nach der Scheidung einen neuen Mann kennenlernte. Sie traf Beat im Ausgang. Mit ihm hatte sie endlich wieder jemanden zur Seite, mit dem sie sich austauschen konnte, bei dem sie sich verstanden und geborgen fühlte. Doch das unbeschwerte Glück war leider bloss von kurzer Dauer. «So idyllisch wie der Name Patchworkfamilie klingt, ist die Sache leider nicht», sagt sie.

Reginas Tochter Sara – heute zehn Jahre alt – lehnt Beat seit gut vier Jahren kategorisch ab. «Und je älter sie wird, desto extremer wird es», erzählt Regina. Die Tochter begann Probleme zu machen, als die Beziehung zum neuen Freund enger wurde. Kam er zur Tür rein, verdrehte sie die Augen. Sie mochte ihn nicht bei Unternehmungen dabeihaben, und wenn er sich im Alltag einbringen wollte, sagte sie, er habe ihr nichts zu sagen, er sei ja nicht ihr Vater.

Beat hat immer wieder versucht, mit der Kleinen zu reden. Er hat sie gefragt, was er denn falsch mache. Sara antwortete jeweils: «Ich mag dich nicht. Punkt.»

Was Regina besonders erstaunt: Der achtjährige Sohn Marco hat keinerlei Probleme mit Beat – nur die Tochter.

Sich über das Kind hinwegsetzen?

«Meine Erfahrung zeigt, dass Töchter nicht mehr Mühe haben mit einem neuen Partner als Söhne», sagt Familienberater Jürgen Feigel aus Brittnau AG. «Wenn aber der Elternteil, bei dem das Kind lebt, einen neuen Partner hat, ist es täglich konfrontiert mit diesem – und dadurch mit einem potentiellen Konkurrenten.»

Letztlich entscheidend für das Verhalten eines Kindes seien jedoch Faktoren wie sein Selbstwertgefühl, sein Urvertrauen, seine Loyalität und Bindung zu den Eltern, das Verhalten der Eltern untereinander, seine Bewältigungsstrategien bei Konflikten und seine sozialen und verwandtschaftlichen Netze.

Oft entstehen Konflikte, weil getrennte oder geschiedene Eltern die Paar- und die Elternebene nur schwer auseinanderhalten können. Falls das Auseinanderbrechen der Familie nicht gemeinsam verarbeitet wird, kann das über Jahre Nachwirkungen haben, bei Eltern und Kindern. «Wenn Eltern hingegen bereit sind, an einen gemeinsamen Tisch zu sitzen, erlebe ich oft gute Lösungen für alle Beteiligten», sagt Familientherapeut Feigel.

Ausserdem treten Spannungen mit Kindern von Patchworkfamilien vor allem auf, wenn die Erwachsenen eine abschätzige Haltung gegenüber dem abwesenden Elternteil einnehmen. Das löst einen Verteidigungsreflex aus. «Kinder werden sich unbewusst immer für ihre Mutter und ihren Vater einsetzen und sie in der Patchworkfamilie vertreten. Das kann sich in aggressivem und aufmüpfigem Verhalten zeigen, wenn sie das Gefühl haben, einem Elternteil werde Unrecht getan», so Feigel.

Reginas Beziehung zu ihrem Exmann ist so weit gut. Sie seien so etwas wie ein positives Beispiel für eine Scheidung, erklärt sie. Er wohnt in der Nähe, die Kinder seien einmal pro Woche bei ihm und jedes zweite Wochenende auch. Und trotzdem: Da bleibt die ablehnende Haltung ihrer Tochter gegenüber Beat – und Reginas Unverständnis und die Ratlosigkeit darüber. «Ich habe Sara auch schon gesagt, dass ich eine erwachsene Frau bin und eigene Bedürfnisse habe», erklärt Regina. Doch das interessiere die Tochter nicht. «Vielleicht müsste man sich einfach über das Kind hinwegsetzen. Aber so einfach ist das auch nicht», sinniert die Mutter.

Die strikt ablehnende Haltung eines Kindes ist selbstredend eine grosse Belastungsprobe für die neue Liebe. Auch Regina bestätigt, dass sie sich schon mehrmals die Frage gestellt hat, wie viel ihr die neue Beziehung eigentlich wert sei, und dass sie schon nahe daran gewesen ist, sich für den Frieden mit ihrer Tochter zu entscheiden.

«Ich habe ja nichts Falsches gemacht»

Aber auch Beat hat sich schon mehr als einmal gefragt, ob er das ganze Theater wirklich nötig habe. «Ich habe ja nichts Falsches gemacht.»

Fest steht: Nur wenn die Partnerschaft stark ist, lässt sich diese schwierige Lage meistern. Sara geht nun in eine Therapie beim schulpsychologischen Dienst, weil noch andere Aspekte dazugekommen sind. Ein weiterer und vielleicht auch letzter Versuch, die Patchworkfamilie zu retten.

*Name geändert

Wie Kinder einen neuen Partner besser akzeptieren

  • Kinder sind von Natur aus skeptisch gegenüber «fremden» Menschen, und sie haben eine natürliche Angst, die «geliebte Mutter», den «geliebten Vater» zu verlieren. Sie können nicht wissen, welche Absichten der neue Partner hat. Wichtig sind daher vor allem Zeit, Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis seitens der Mutter und des Vaters, aber auch des neuen Partners, so Experte Jürgen Feigel.

  • Der neue Partner sollte auf jeden Fall behutsam und langsam integriert werden. Trotz neuer Liebe sollte weiter genügend Zeit bleiben, etwas allein mit dem Kind zu unternehmen. Wichtig ist auch, dass der leibliche Elternteil dem Kind immer und immer wieder versichert, dass es trotz neuer Liebe den wichtigsten Platz in seinem Herzen einnimmt.

  • Der neue Partner muss wissen, dass Patchworkkinder eine Herausforderung sind. Sie haben viel erlebt, und er steht aus Sicht der Kinder immer in Konkurrenz zum leiblichen Vater, zur leiblichen Mutter. Folgende Aussagen des neuen Partners können laut Experte Jürgen Feigel die Beziehung zu den Kindern verbessern: «Auch wenn ich nun mit deiner Mutter zusammen bin, kommst du bei ihr immer an erster Stelle. Und du darfst auch den Papa immer lieben. Ich kann ihn nie ersetzen.»

  • Wichtig ist es als neuer Partner auch, auf das Kind zu- und einzugehen, Interesse zu zeigen an dem, was es tut und was es beschäftigt.

  • Ausserdem braucht es Verständnis dafür, dass das Kind allenfalls auch (zumindest anfänglich) Zurückhaltung bei körperlichen Berührungen will.