Proteinpulver unter der Lupe

Es gibt unzählige verschiedene Proteinpulver. Der Beobachter betrachtet die einzelnen Artikel unter der Lupe. Den Artikel dazu finden Sie hier.

Promis machen es vor: Sie stählen ihren Körper. Muskulös ist das neue Schlank, das neue Sexy. Doch der Weg dorthin ist steinig: «Muskeln wachsen nicht wie von Zauberhand durch das Anschauen einer Gewichtsscheibe», sagt Fabian Kühne, Betriebsleiter eines Fitnesscenters in Burgdorf BE. «Da spielen viele Faktoren eine Rolle: Trainingsreiz, Ernährung, Erholung, genetische Voraussetzungen und so manches mehr.»

Weil der Alterungsprozess und damit der biologische Muskelschwund an niemandem vorbeigeht, empfiehlt es sich auch für die Generation 50 plus, das Training zu forcieren, um agil älter zu werden. Mehr Muskeln bedeuten strafferes Aussehen, mehr Kraft und Fitness, und sie lassen einen den Alltag besser bewältigen.

Aufbau muss grösser sein als Abbau

Muskelproteine werden laufend ab- und wieder aufgebaut. Wer trainiert, beansprucht seine Muskeln stärker, deshalb sind die Aufbau- wie auch die Abbaurate höher. Wer Muskeln aufbauen will, muss darauf achten, dass der Aufbau grösser ist als der Abbau. «Dazu braucht es beides: Krafttraining und Protein aus der Nahrung», sagt Marco Toigo, Muskelforscher an der Zürcher Universitätsklinik Balgrist.

Wer mehr Muskeln möchte, braucht logischerweise etwas mehr Eiweiss als inaktive Leute. Das gilt übrigens für Kraft- wie für Ausdauersportler.

Heute wird sportlich aktiven Personen empfohlen, jeden Tag 1,6 bis 1,7 Gramm Eiweiss pro Kilo Körpermasse aufzunehmen. Nach dem Training ist das am effektivsten, rät Toigo: «Dann 0,25 Gramm Protein pro Kilo Körpermasse.»

Ein 75 Kilo schwerer Mann braucht demzufolge rund 20 Gramm Eiweiss pro Einnahme, um den maximal möglichen Effekt zu erzielen. Bei Frauen sind es wegen der geringeren Muskelmasse 0,23 Gramm Protein pro Kilo Körpermasse.

Die Nahrung wirkt direkt auf die Muskeln.

Quelle: Thinkstock Kollektion
Zu viel Eiweiss kann schädlich sein

Diese Dosierung ist notwendig und hinreichend, um den Proteinaufbau optimal für ein paar Stunden anzukurbeln. Wer übertreibt, wird allerdings enttäuscht: Durch eine permanent zu hohe Eiweisszufuhr «trainieren» die Muskeln, das Protein abzubauen. Das kann mit der Zeit sogar zu mehr Fettpolstern führen. Dauerhaft zu viel Eiweiss ist zudem riskant für Parkinson-Patienten, bei Diabetes, Bluthochdruck oder Nierenerkrankungen.

Nicht zuletzt sprechen ökologische Gründe für einen vernünftigen Umgang mit Nahrungsprotein, denn die Produktion von Fleisch und Milch belastet die Umwelt sehr. Der Fleischkonsum verursacht mehr Treibhausgas als der Autoverkehr.

«Wer irgendwo im Internet ein Proteinpulver kauft, muss damit rechnen, dass es nicht qualitätsgeprüft ist.»

Marco Toigo, Muskelforscher

Die Proteinmenge allein macht es nicht aus

«Wichtiger sind die richtige Dosierung und der richtige Zeitpunkt», sagt Toigo. Nach dem Training sind die Muskeln über mehrere Stunden bis Tage empfänglicher für Aminosäuren aus der Nahrung. Wenn dann die richtigen zur Verfügung stehen, können sich Muskeln optimal regenerieren und verbessern. Wahrscheinlich nimmt dabei die Aminosäure Leucin eine Schlüsselrolle ein. «20 Gramm hochwertiges Protein, das mindestens zur Hälfte aus essenziellen Aminosäuren besteht und viel Leucin enthält, scheint den Muskelproteinaufbau stärker zu stimulieren als Proteine mit deutlich tieferem Anteil an essenziellen Aminosäuren», so Toigo.

Sehr einfach ist es, den Eiweissbedarf mit Proteinshakes zu decken. Die sind allerdings nicht ganz billig. «Eiweisspulver als Ergänzungsnahrung eignet sich gut, um den Proteinbedarf bei richtigem Training abzudecken. Auch für Vegetarier und Veganer können die richtigen Proteinpulver sehr sinnvoll sein», sagt Toigo. Molkenprotein (englisch: «whey protein») ist eine Alternative zu anderen tierischen Proteinquellen. Es ist schnell verdaulich und führt zu einer höheren Spitzenkonzentration an essenziellen Aminosäuren im Blut als Kasein und Soja. Bei Molkenprotein (in Wasser aufgelöst) auf leeren Magen dauert es etwa 15 bis 30 Minuten, bis die Aminosäuren im Blut und somit für den Muskel verfügbar sind.

«Bei Fleisch kann es je nach Grösse der zerkauten Partikel bis zu 100 Minuten dauern, bis der entsprechende Spitzenwert erreicht ist.»

Marco Toigo, Muskelforscher

Doch die meisten Proteinpulver stammen aus dem Ausland. «Wer irgendwo im Internet eins kauft, muss damit rechnen, dass es nicht qualitätsgeprüft ist», so Toigo. Die meisten enthalten Farbstoffe, Verdickungs-, Süssungs- und Löslichkeitsmittel sowie andere Zusatzstoffe, die etwa Allergien auslösen können. Zudem weiss man nicht, wie die Kühe gehalten und gefüttert wurden, bevor man aus ihrer Milch die Proteine isoliert hat. Toigo: «Ideal ist ein Pulver in Bioqualität.» 

Es gibt Alternativen

Doch es muss nicht immer Pulver sein. «Gut für den Muskelaufbau sind auch Milchprodukte, mageres Fleisch oder Fisch», so Toigo. Rindsfilet, Pouletbrust oder Zanderfilet etwa, aber auch Milch, Eier oder Magerquark. Wer pflanzliche Lebensmittel bevorzugt, greift am besten zu Hülsenfrüchten und achtet auf die richtige Kombination verschiedener Nahrungsmittel, um eine gute Aminosäurenzusammensetzung zu erreichen.

Muskelaufbau: Eiweiss ist nicht gleich Eiweiss

Der Körper schreibt aus 21 Aminosäuren die Baupläne für 20 000 bis 30 000 verschiedene Proteine (Eiweisse). Neun Aminosäuren sind lebensnotwendig, und der Körper kann sie nicht selber herstellen. Als Referenzwert für hochwertigstes Eiweiss nimmt man Eier, ihre biologische Wertigkeit wird bei 100 angesetzt.

Einige Lebensmittelkombinationen übertreffen diese Wertigkeit: etwa Ei mit Kartoffeln (136), Quark und Weizenbrot (125), Eier und Milch (114); auch der Wert der veganen Kombination Bohnen und Mais ist mit 99 erstaunlich hoch. Ob ein Protein gut verdaut wird und die Aminosäuren rasch ins Blut übergehen, ist das zweite Kriterium für die Hochwertigkeit. Wenn die biologische Wertigkeit mit der Verdaulichkeit zusammengerechnet wird, entsteht der PDCAAS (Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score).

Eine hochwertige Proteinquelle hat einen PDCAAS von über 100 Prozent und enthält viel Leucin zur Stimulierung des Muskelaufbaus. Milchproteine weisen sehr gute PDCAAS auf. Der PDCAAS von Soja liegt bei 90 bis 100 Prozent, derjenige von Erbsen bei 90 bis 98 Prozent.