Krankenkassenmakler: Dem schnellen Geld verschrieben
Vermittler der welschen Krankenkassengruppe Groupe Mutuel werben im Berner Seeland mit unsauberen Methoden um neue Kunden.
Veröffentlicht am 29. Oktober 2002 - 00:00 Uhr
Vor sieben Monaten besuchte ein Vermittler des Krankenkassenkonglomerats Groupe Mutuel Alice Tanner, um sie zum Kassenwechsel zu bewegen. Die 57-jährige Kioskverkäuferin aus Lyss BE hat einen Nabelbruch und Gallensteine hinter sich. Dennoch offerierte ihr der Makler Grund- und Zusatzversicherung der Kasse und liess sie den Antrag unterschreiben.
Einen Monat später teilte die Groupe Mutuel Alice Tanner mit, wegen ihrer Krankheiten könne sie nur in die Grund-, nicht aber in die Zusatzversicherung aufgenommen werden. Damit lag ein Kassenwechsel für Alice Tanner nicht mehr drin: «Ich wollte bei der Visana bleiben, wo ich beides hatte.» Der Makler versprach ihr, er werde das Formular zerreissen.
Das tat er offensichtlich nicht: Letzten Monat erhielt Alice Tanner das Kündigungsschreiben der Visana. «Ich verstand die Welt nicht mehr», sagt sie, «nie mehr gebe ich eine Blankounterschrift!»
So wie ihr erging es laut dem regionalen Visana-Geschäftsstellenleiter Stefan Saxer mindestens einem Dutzend weiterer Personen im Berner Seeland. Immer sei derselbe Vermittler der Groupe Mutuel involviert gewesen. «Die verärgerten Kunden haben bei uns reklamiert. Sie hätten dem Makler mitgeteilt, dass sie bei der Visana bleiben wollten. Dennoch habe dieser die Kündigungen abgeschickt.»
Das Vorgehen der Makler, die für die Groupe Mutuel vermitteln, ist dem Ombudsmann der sozialen Krankenversicherung bekannt. «Die Methode ist fragwürdig und unprofessionell», sagt Gebhard Eugster. Die Schindluderei passiere vor allem im Zusatzversicherungsbereich, wo Abschlussprämien zu holen seien.
Besonders hart trifft das unsaubere Vorgehen Versicherte wie Alice Tanner: Keine Krankenkasse wird sie aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustands mehr in die Zusatzversicherung aufnehmen.
André Grandjean, Pressesprecher der Groupe Mutuel, findet das Verhalten des Maklers unverzeihlich: «So etwas darf nicht vorkommen. Wir werden daraus Konsequenzen ziehen.» Der betroffene Makler hat zugegeben, dass er einen Fehler gemacht habe. Sein Chef Dursun Akgül will alles tun, «damit die Betroffenen wieder gut versichert werden». Akgül ist Angestellter der Zuchwiler Firma X-Life, einer Vertragspartnerin der Groupe Mutuel.
Das aggressive Geschäftsgebaren der Groupe Mutuel, die mit Abgängen im Spitalzusatzversichertenbereich zu kämpfen hat, ist nicht neu (Beobachter Nr. 21). Kürzlich ging sie mit Falschinformationen über die Helsana auf Kundenfang.
Vorfälle haben ein Nachspiel
Für Visana-Pressesprecher Urs Pfenninger ist das Mass voll: «Das Vorgehen der Makler ist nicht tolerierbar. Die Groupe Mutuel muss endlich von der Aufsichtsbehörde unter die Lupe genommen werden.» Bloss: Ein Kontrollorgan für Makler gibt es nicht. Die Aufsicht des Bundesamts für Sozialversicherung (BSV) beschränkt sich auf die Krankenkassen. «Wir können aber mit einer Rüge oder Busse an die verantwortliche Krankenkasse gelangen, wenn Versicherte tatsächlich getäuscht wurden», sagt Daniel Wiedmer, Chef des Bereichs Aufsicht. Das BSV werde den Vorfällen nachgehen. Wiedmer: «Gewisse Makler wollen eben nur Geld verdienen; beraten ist für sie nebensächlich.»