Nicht alle haben so viel Glück wie Oksana Kononenko: Die 36-jährige Finanzexpertin aus Kiew geriet kurz nach ihrer Ankunft in der Schweiz vor eine Fernsehkamera und verkündete, sie würde gerne hier für eine Bank arbeiten. Über ein Online-Jobnetzwerk erhielt sie kurz darauf eine Einladung zu einem Vorstellungstermin, und vor wenigen Tagen hat sie ihren neuen Job bei einer Zürcher Privatbank angetreten.

Erst 426 aus der Ukraine geflohene Personen haben bislang hierzulande eine Anstellung gefunden, rapportiert das Staatssekretariat für Migration (SEM). Die Zahl steigt aber täglich an, zudem hinkt die Statistik der Realität etwas hinterher. In der Schweiz herrscht Fachkräftemangel, es gibt Tausende offene Stellen, und sobald es die Sprachkenntnisse zulassen, wird wohl ein guter Teil der Ukraine-Flüchtlinge im arbeitsfähigen Alter einen Job finden.

Einige von ihnen stellen sich schon jetzt ganz praktische Fragen, zeigen erste Anfragen ans Beobachter-Beratungszentrum. Hier die wichtigsten Punkte:

Müssen ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz Steuern zahlen? Bekommen sie automatisch eine Steuererklärung zugeschickt oder müssen sie sich melden?

Ukrainische Flüchtlinge mit dem Schutzstatus S müssen nur hier Steuern zahlen, wenn sie arbeiten – die kostenlose Unterbringung sowie die Geldleistungen in Form von Not- oder Sozialhilfe sind steuerfrei. Wenn Sie unselbständig tätig sind, also angestellt, zieht der Arbeitgeber automatisch die Steuern vom Lohn ab (sogenanntes Quellensteuerverfahren). Ist die kostenlose Unterbringung eine Gegenleistung für Arbeit (zum Beispiel bei Serviceangestellten in einem Hotel oder bei Putzhilfen in einem Haushalt), dann gehört sie zum Lohn und ist steuerpflichtig. Wenn Sie selbständig tätig sind, also ein eigenes Geschäft aufziehen, dann müssen Sie selber eine Steuererklärung ausfüllen. In diesem Fall sollten Sie sich von einer Fachperson beraten lassen. 


Wie erfahren ukrainische Flüchtlinge, wie viel Steuern sie zahlen?

Bei Angestellten ist der Quellensteuerabzug aus der monatlichen Lohnabrechnung ersichtlich. Auch wenn es keine monatliche Lohnabrechnung gibt, muss der Arbeitgeber zwingend jährlich einen Lohnausweis erstellen, aus dem der Steuerabzug hervorgeht. Bei Selbständigerwerbenden ist es komplizierter: Die Höhe der Steuer hängt vom Geschäftserfolg ab – es ist empfehlenswert, eine Fachperson beizuziehen.
 

Wie viel Steuern muss ich zahlen, wenn ich quellensteuerpflichtig bin?

Das hängt von zwei Dingen ab: von der Höhe des Lohns und von den familiären Verhältnissen. Je höher der Lohn, desto höher der Prozentsatz, der als Steuer abgezogen wird. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Tarife – für Ledige, für Verheiratete, für Doppelverdiener, für Alleinerziehende, auch die Anzahl Kinder spielt eine Rolle, ebenso die Frage, ob man einer Kirche angehört oder nicht. Es ist Sache des Arbeitgebers, diese Dinge abzuklären, damit er den richtigen Tarif verwendet. 

Eine ledige katholische Ukrainerin, die im Monat 5000 Franken verdient, zahlt im Kanton Zürich davon 311 Franken Steuern, wenn sie keine Kinder hat. Achtung: Jeder Kanton hat einen anderen Tarif.
 

Kann ich denn keine Abzüge geltend machen?

In den Quellensteuertarif werden die wichtigsten Abzüge bereits eingerechnet, allerdings nur als Pauschale, unabhängig von den effektiven Kosten. Wer hohe Abzüge geltend machen will, kann beim Steueramt beantragen, dass er nicht im Quellensteuerverfahren besteuert wird, sondern im sogenannt ordentlichen Verfahren, bei dem man eine detaillierte Steuererklärung ausfüllt. Das kann sich beispielsweise auszahlen, wenn man einen sehr weiten Arbeitsweg hat (die Kosten dafür lassen sich abziehen), wenn man hohe Krankheitskosten oder hohe Kosten für die Fremdbetreuung der Kinder während der Arbeitszeit geltend machen will. 

Aber Achtung: Wer einen solchen Antrag stellt, kann danach nicht mehr zurückwechseln zur Quellensteuer. Deshalb ist das nur sinnvoll, wenn man sicher ist, im ordentlichen Verfahren weniger Steuern zahlen zu müssen. Ob dies der Fall ist, sollte zuerst eine Fachperson ausrechnen, bevor man den Antrag stellt.
 

Muss ich in der Schweiz Steuern zahlen, wenn ich remote weiterhin für einen ukrainischen Arbeitgeber arbeite?

Ja, so regelt es im Prinzip das geltende Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und der Ukraine. Sie müssen sich hier beim Steueramt melden und eine Steuererklärung ausfüllen. Falls von Ihrem Lohn bereits ukrainische Steuern abgezogen werden, könnten Sie dort grundsätzlich deren Rückerstattung verlangen – ob das in der Praxis funktioniert, ist allerdings offen.
 

Muss ich das Vermögen auf ukrainischen Bankkonten hier in der Steuererklärung angeben?

Nein. Die Schweizer Steuerämter gehen derzeit davon aus, dass ukrainische Flüchtlinge ihren Lebensmittelpunkt nicht in die Schweiz verlegt haben, sondern nur vorübergehend hier leben, bis sie nach Kriegsende zurückkehren. Darum sind sogenannt bewegliche Vermögenswerte (vor allem Bankkonten, aber auch Wertschriftendepots) hier nicht steuerpflichtig und müssen auch nicht deklariert werden. Einzig wer in der Schweiz Immobilien besitzt, muss diese angeben und dafür auch Steuern zahlen.
 

Kann der Lohn auf ein ukrainisches Bankkonto überwiesen werden, oder braucht es dazu ein Schweizer Konto?

Es gibt kein Gesetz, das dies vorschreibt. Denkbar ist aber, dass der Arbeitgeber Sie auffordert, ein Schweizer Bankkonto anzugeben, damit der Lohn überwiesen werden kann. Sinnvoll und im Alltag praktischer ist es allemal – einige Banken gewähren ukrainischen Flüchtlingen ein Gratiskonto ohne Gebühren.

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Martin Müller, Redaktor
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